Beth Achitsa - 25. September 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kultur- & Kreativwirtschaft in Afrika

Im ständigen Aufwind


Die Musikbranche in Kenia befindet sich in ständigem Aufwind. Branchen-Insider sind der Meinung, dass die kenianische Musikindustrie aufgrund von verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen für geistiges Eigentum und Urheberschutz jetzt an einem kritischen Punkt angelangt ist. Die Branche ist dennoch mit unendlich vielen Herausforderungen konfrontiert, denen sie sich stellen muss, um die Musikindustrie in Kenia auf eine solide Grundlage zu stellen und damit gleichzeitig das Wachstum der Branche in Ostafrika weiter zu fördern.

 

In den letzten fünf Jahren wurde heftig über die Unterstützung der lokalen Musikbranche durch die Medien diskutiert. Anfang 2019 erreichte diese Diskussion ihren vorläufigen Höhepunkt, als Spitzenmusiker die Medien des Landes aufforderten, statt der auf kenianischen Radiosendern dominierenden Musik aus Nigeria und Tansania mehr kenianische Musik aufzulegen.

 

Unter dem Hashtag #playkemusic äußerten sich sowohl Künstler als auch Medienvertreter und ließen ihrer Frustration freien Lauf. Als Antwort auf die Diskussion und auf das Bedürfnis nach mehr lokalen Inhalten machten die kenianischen Medienvertreter deutlich, dass die Künstler sich zunächst einmal mit den qualitativen Aspekten ihrer Musik beschäftigen müssen.

 

2013 hat die kenianische Regierung eine Richtlinie erlassen, die die Medien dazu anhält, mindestens 60 Prozent ihrer Inhalte lokalen Themen zu widmen. Laut Statistiken beschäftigte sich bisher lediglich in etwa 30 Prozent der Sendungen mit örtlichen Themen.

 

Nun haben einige Produzenten als Antwort auf die nicht enden wollende Diskussion über Musikqualität und den kenianischen Sound beschlossen, im Rahmen der kenianischen Musik neue Wege zu gehen. Fredrick Wang’ombe, auch unter dem Namen „Dillie“ bekannt, ist ein solcher Produzent. Er macht sich traditionelle Klänge zunutze und bemüht sich um einen Dialog zwischen den Generationen, bei dem ältere Künstler mit vielversprechenden jüngeren Musikern zusammenarbeiten.

 

Die Single „How we Do“ ist ein Beispiel für seine Arbeit. Sie ist ein Gemeinschaftswerk des Benga-Musikveteranen Mike Rua und der jungen Band 125 und kombiniert den modernen Hip-Hop-Sound mit der traditionellen Musik des Volks der Kikuyu. Der Song kam im Mai 2019 heraus und fand großen Anklang.

 

„Bei meiner Arbeit bringe ich unterschiedliche Klänge aus verschiedenen Teilen Kenias zum Ausdruck, um den von mir produzierten Klängen eine Identität zu verleihen. Zusätzlich versuche ich bei einigen Produktionen, junge Musiker mit älteren Musikern zusammenzubringen, damit sie voneinander lernen und zusammenarbeiten können“, sagt Dillie.

 

Tabu Osusa, ein Musikproduzent, der eines der ältesten Tonstudios zur Förderung kenianischer Musik leitet, erklärt, dass man endlich mit der Zeit gehen und dabei aber der traditionellen Musik treu bleiben müsse: „Junge Künstler müssen sich weiterhin am für Kenia charakteristischen Benga-Sound orientieren und ihn mit elektronischen, Techno- oder Pop-Elementen mischen.“

 

Das Ketebul-Team ist bekannt für das Archivieren und Dokumentieren von musikalischen Nischensounds, die auf dem besten Wege sind, in Vergessenheit zu geraten. 2016 veröffentlichten sie „Shades of Benga“, ein Buch, dass sich mit den unterschiedlichen Stilrichtungen der kenianischen Benga-Musik beschäftigt. Es entstanden weitere Initiativen wie beispielsweise die Gruppe Bengatronics, die Musik nicht nur produzieren, sondern auch Tourneen in der Region organisieren möchte. Unter der Leitung von DJ Gregg Tendwa brachte Bengatronics im Juli 2019 ein Album heraus und ging anschließend auf Ostafrika-Tournee, um ihre Musik aus Kenia einem größeren Publikum zu präsentieren.

 

Da kenianische Musik international nicht sehr bekannt ist, bemühen sich Initiativen wie ONGEA!, das jedes Jahr im Februar in Nairobi stattfindende Musik-Gipfeltreffen, den Export kenianischer Musik zu fördern. Das jährliche Treffen, das 2004 als »Kenyan Music Week« gegründet wurde, hat sich mittlerweile zu einem Event entwickelt, das die gesamte Region Ostafrika zusammenführt. Es konzentriert sich im Wesentlichen auf drei Aspekte – Handel, Präsentation und Wissensaustausch.

 

Der Gipfel, der vom australischen Unternehmer Michael Strano ins Leben gerufen wurde, hat schon mit der Musikbranche in anderen afrikanischen und europäischen Ländern zusammengearbeitet. 2018 präsentierte ONGEA! in Zusammenarbeit mit Hamburgs führendem Reeperbahn-Festival und der damit verbundenen Konferenz eine Delegation von Managern aus der Musikbranche, die sich mit ihren Kollegen über eine potenzielle Zusammenarbeit zwischen dem afrikanischen und europäischen Markt austauschten.

 

Auf dem viertägigen ONGEA!-Gipfel, der über 10.000 Besucher aus Kenia und dem Rest der Welt anzieht, beschäftigt man sich mit den Herausforderungen der Musikbranche und versucht, angemessene Lösungen zu entwickeln. Da Künstler sich unter anderem mit Live-Auftritten ihren Lebensunterhalt verdienen, ist ONGEA! bestrebt, für die Branche innerhalb Ostafrikas einen tragfähigen Plan zur Förderung des Musikexports zu entwickeln.

 

Nairobi gilt zweifellos als die Entertainment-Hauptstadt Ostafrikas und hat sehr viel Live-Musik zu bieten. Mit zehn Prozent hat die Livemusik-Szene von den drei Musiksektoren jedoch den kleinsten Anteil an der Musikszene. Ein Mangel an angemessenen Räumlichkeiten und adäquaten Plattformen ist einer der Gründe für die Schwierigkeiten, mit denen die Branche zu kämpfen hat.

 

Rashid Abdi, der führende Musik-Promoter in Kenia, erklärte die Situation in einem Gespräch mit der Online-Plattform „Music in Africa“ folgendermaßen: „Die größte Herausforderung ist der Mangel an ausreichenden Plattformen und Slots für die wachsende Anzahl von Live-Musikern. Wenn ich jede Woche fünf verschiedene Aufführungsräume in Nairobi buchen könnte, hätte ich kein Problem, diese Slots zu füllen, da die Nachfrage nach solchen Räumlichkeiten seitens der Musiker sehr groß ist.“

 

Andere Herausforderungen für die Musikbranche in Kenia sind zum Beispiel der sehr schwache Artists& Repertoire-Sektor und der Mangel an Managern, die sich im Musikgeschäft auskennen. Es gibt nur eine Handvoll Plattenlabels in Kenia. Da es sich letztlich um eine Branche handelt, die vorwiegend auf „Do-it-yourself“ setzt, haben die wenigsten Akteure die notwendigen Business-Skills.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.


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