Stuart Forrest - 25. September 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kultur- & Kreativwirtschaft in Afrika

Geschichten präsentieren – weltweit


Animation in Südafrika

Geschichten haben die Fähigkeit, Kulturen zu verbinden, und das Erzählen von Geschichten ist seit den Zeiten der Höhlenmalerei ein wesentlicher Bestandteil der Kunst. Das Wesen der Animation besteht darin, Erzählkunst und andere Kunstpraktiken für das Medienzeitalter in Einklang zu bringen. In Südafrika und auf dem übrigen afrikanischen Kontinent steckt die Animationsbranche zwar noch in den Kinderschuhen, besitzt jedoch enormes Potenzial für die Zukunft, bietet sie doch Afrika die perfekte Plattform, um seine so reichen und verschiedenartigen Ausdrucksmöglichkeiten wie Design, Schauspielerei, Schriftstellerei, Musik und Erzählkunst zu präsentieren.

 

Die Branche besteht zum Großteil aus einigen wenigen Kleinunternehmen, die Werbesendungen fürs Fernsehen, Musikvideos, Ausbildungsvideos, Marketingmaterial für Unternehmen sowie Aufklärungsfilme produzieren, sowie einer Handvoll Studios, die sich der Animation für Film und Fernsehen widmen oder visuelle Effekte (VFX) für den High-End-Markt der großen Studios kreieren. Anders als in Europa, wo mithilfe attraktiver Film-Subventionen und Freihandelsabkommen innerhalb der EU die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ländern gefördert wird, arbeiten Firmen in Afrika nur selten zusammen. In der durch starken Wettbewerb gekennzeichneten Branche werden weder Informationsaustausch noch grenzüberschreitende Partnerschaften honoriert.

 

Das größte Animationsstudio in Afri­ka ist Triggerfish, das derzeit an der Produktion einer von BBC One in Auftrag gegebenen Fernsehsendung, eines für das internationale Kinopublikum vorgesehenen Original-Spielfilms und einer neuen Fernsehserie für Netflix arbeitet. Triggerfish, ein Unternehmen, das zu den ältesten Animationsfirmen in Südafrika gehört, wurde 1996 gegründet. Zunächst beschäftigte sich das Studio mit handwerklicher Knet­animation, die es in erster Linie für TV-Werbesendungen produzierte. Der große Durchbruch kam, als die Firma damit beauftragt wurde, Material für die südafrikanische Version der Sesamstraße zu produzieren. Da das Studio damals noch recht klein war, arbeitete es mit zehn weiteren Studios in Südafrika zusammen, um 50 Minuten Animation zu produzieren. Bei den hierbei verwendeten Formaten zeigt sich ein starker Einfluss von einheimischen Künstlern und Handwerkern; zudem wurde das Projekt von erfahrenen und routinierten Produzenten in New York geleitet.

 

Durch die Zusammenarbeit im Rahmen der Sesamstraße erwarb das aufstrebende Studio wichtige Kenntnisse im Bereich internationaler Beziehungen und begann in der Folge, ein internationales Netzwerk potenzieller Partner aufzubauen. Bei der Produktion von Spielfilmen arbeitet das Studio mit kreativen Beratern, Geldgebern, Verkaufsvertretern und Distributoren aus aller Welt zusammen, während die Firma im Bereich TV-Sendungen mit Partnern aus verschiedenen europäischen Ländern sowie mit Kreativen aus vielen afrikanischen Ländern kooperiert.

 

Nachdem das Studio sich von den Vorteilen einer breit gefächerten Zusammenarbeit vor Ort überzeugen konnte, leistete es seinen Beitrag zur Gründung von „Animation South Africa“, eines Gremiums der Industrie, dem im Rahmen der Zusammenführung von Branchenvertretern eine wichtige Rolle zukommt. Die sorgfältige Förderung von hervorragendem einheimischem Talent in Verbindung mit Auslandserfahrung und intensiver Zusammenarbeit ist mittlerweile ein wesentlicher Bestandteil der DNS von Triggerfish; das Unternehmen hatte immer dann die größten Erfolge, wenn es sich von diesen Werten leiten ließ. Das bisher erfolgreichste Projekt war eine pan-afrikanische Initiative, bei der es darum ging, auf dem afrikanischen Kontinent neues Material und kreative Köpfe für die Entwicklung von Geschichten zu finden, die sich in Spielfilme bzw. Fernsehserien umsetzen ließen. Zu diesem Zweck wurden Schriftsteller aufgefordert, ihre Ideen einzubringen. Zum Schluss wurden, ausgehend von 1380 Beiträgen, 38 Autoren ausgewählt. Disney stellte sich als Mentor zur Verfügung, und die acht besten Schriftsteller verbrachten eine Woche in Burbank, wo sie an einem intensiven Disney-Workshop teilnahmen. Danach wurden sie bis zur vollständigen Ausgestaltung ihrer Ideen kontinuierlich betreut. Bei diesem Programm handelte es sich um ein Experiment, welches davon ausging, dass es auf einem Kontinent mit 1,2 Milliarden Menschen doch viele geniale Erzähler geben muss, die einfach eine Chance brauchen. Das Ergebnis führte zu einer Handvoll Filmen und TV-Serien in Verbindung mit internationalen Partnern sowie einigen Filmen und TV-Serien, die sich noch im Produktions- oder fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden.

 

Die Erfahrungen von Triggerfish mit Partnerschaften waren jedoch nicht alle positiv. Im Rahmen des Spielfilms mit dem Titel „Khumba“ arbeitete das Studio mit einer Vertriebsgesellschaft in den USA zusammen, die in Konkurs ging, was zum Einfrieren jeglicher Umsatzchancen mit einem der wirtschaftlich stärksten Länder führte.

 

Bei einer anderen Initiative zog sich ein bedeutender Geldgeber nach drei Monaten aus dem Projekt zurück, wodurch Triggerfish auf immensen Kosten sitzen blieb. Aus diesen negativen Erfahrungen zogen die Gründer der Firma den Schluss, sich erst dann in neuen Partnerschaften zu engagieren, wenn man zuvor starke, vertrauensvolle Beziehungen aufgebaut hat.

 

Ein weiterer wichtiger Grund für den Erfolg von Triggerfish ist eine Reihe von Ausbildungsprogrammen, die von verschiedenen Regierungsbehörden in Südafrika geschaffen wurden, sowie das Aufkeimen einiger zunehmend renommierter Animationsschulen, die hervorragende Animationskünstler hervorgebracht haben. Zudem wurden neue Basis-Initiativen ins Leben gerufen – größtenteils finanziert vom Goethe-Institut und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) –, die sich für Ausbildungskurse im Bereich Animation in Umfeldern einsetzen, die normalerweise kein Interesse an künstlerischen Tätigkeiten haben, hierzu zählen z. B. ressourcenschwache Schulen, die keinen Kunstunterricht anbieten können.

 

Um erfolgreich zu sein, benötigt Afrikas Animationsindustrie in erster Linie eine breit gefächerte Qualifikationsbasis für Animation, die Künstler, Techniker, Autoren und kreative Direktoren mit einschließt; es müssen Unternehmen entstehen, die Animation als Dienstleistung produzieren können, und es müssen starke, auf Vertrauen basierende Beziehungen mit lokalen und internationalen Partnern aufgebaut werden. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, sollte es für Afrika ein Leichtes sein, der Welt seine Geschichten zu präsentieren – einer Welt, in der es trotz des seit Kurzem spürbaren politischen Aufwindes derer, die ihre nationale Identität zu behaupten versuchen, ein ebenfalls wachsendes Interesse an Geschichten aus anderen Teilen der Welt gibt. Authentisch erzählt sind diese Geschichten Ausdruck der universellen Erfahrungen der Menschheit. Der afrikanische Kontinent besitzt enorme Chancen und Möglichkeiten. Dieser Kontinent, den die ganze Welt lange Zeit nur unter dem Blickwinkel der Armut sah, hat nun endlich die Chance, der Welt eine erfrischend neue Seite seiner Geschichte zu präsentieren.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.


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