24. April 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Europawahl 2019

Antworten der SPD auf die Wahlprüfsteine zur Wahl des Europäischen Parlaments 2019


1. Wollen Sie sich für eine weitere Stärkung der Europäischen Union einsetzen? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie hierzu? Wenn nein, warum nicht? Teilen Sie den Eindruck des Deutschen Kulturrates, dass die Durchsetzung von Partikularinteressen in der Europäischen Union an Bedeutung gewinnt? Wie soll Europa hierauf reagieren? Was wollen Sie unternehmen, um der gemeinsamen ldee von Europa mehr Schlagkraft zu geben und den Zusammenhalt in der Europäischen Union zu verbessern?

 

Unsere politischen Pläne für ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa könnenunserem Wahlprogramm entnommen werden: https://www.spd.de/europa-ist-die-antwort/unsere-ziele/unser-europaprogramm/

 

2. Welche kulturpolitischen Initiativen planen Sie im neuen Europäischen Parlament?

 

Wir wollen die europäische Kulturpolitik insbesondere dahingehend weiter stärken, dass die kulturelle Vielfalt Europas für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger erlebbar und erfahrbar gemacht wird. In diesem Sinn wollen wir einen „Europäischen Kulturscheck“ für Jugendliche einführen, um den Zugang zu Kultur vor allem für sozial benachteiligte Jugendliche zu erleichtern. Wir wollen das erfolgreiche EU-Förderprogramm „Kreatives Europa“ fortsetzen und dessen Budget mindestens verdoppeln. Insgesamt wollen wir den Kulturanteil im EU-Haushalt deutlich steigern. Nach dem Vorbild der deutschen Künstlersozialkasse wollen wir uns für Mindeststandards für ein Unterstützungssystem einsetzen, um Künstlerinnen und Künstler im Alter vor Armut und prekären Lebensverhältnisse zu schützen. Außerdem werden wir uns weiterhin für die Buchpreisbindung sowie den Schutz und den Erhalt der kulturellen Identität, des kulturellen Erbes und eine aktive Geschichtspolitik stark machen.

 

3. Welche Bedeutung messen Sie der Sicherung der Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu? Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, wenn die Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingeschränkt werden?

 

Die SPD steht für ein offenes, freies und demokratisches Europa, in dem Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt werden. Wir wollen diese Grundwerte verteidigen und für die Zukunft sichern. Bestehende Verfahren gegen Mitgliedsstaaten, die diese Grundwerte missachten, funktionieren nur unzureichend. Deshalb unterstützen wir das Vorhaben der EU-Kommission, Mitgliedsstaaten bei Verstößen gegen rechtsstaatliche Standards die Zuwendungen aus dem EU-Haushalt spürbar zu kürzen. Dabei ist klar: Es werden die nationalen Regierungen sanktioniert und nicht die Empfängerinnen und Empfänger von EU-Geldern. Zudem wollen wir alle Mitgliedsstaaten einer regelmäßigen Prüfung der Lage der Rechtsstaatlichkeit unterziehen. In Mitgliedsstaaten, in denen festgestellt wird, dass demokratische Grundwerte nicht ausreichend geschützt und gefördert werden, sollen Organisationen gezielt unterstützt werden, die sich dem demokratischen Dialog verschrieben haben.

 

4. Befürworten Sie einen europäischen Förderfonds für Akteure aus Kunst, Kultur und kultureller Bildung, denen auf nationaler Ebene aus politischen Gründen die Förderung entzogen wurde oder verweigert wird?

 

Wir erachten es als schwierig, nationalen Regierungen Willkür beziehungsweise politische Gründe nachzuweisen, weshalb sie Akteuren aus Kunst, Kultur und kultureller Bildung auf nationaler Ebene die Förderung entzogen oder verweigert haben. Wir ziehen es daher vor, Mitgliedstaaten, die Grundwerte missachten, zu ahnden, die Zivilgesellschaft durch einen neuen „Fonds für europäische Grundwerte“ zu fördern und das EU-Förderprogramm „Kreatives Europa“, mit dem die Union ganz allgemein Akteure aus Kunst, Kultur und kultureller Bildung unterstützt, besser auszustatten.

 

5. Planen Sie Maßnahmen zur Sicherung des Medienpluralismus? Planen Sie Maßnahmen, um gegen die Gatekeeper-Position von Plattformen vorzugehen?

 

Das offene Internet ist Voraussetzung für Medienpluralismus, Meinungsvielfalt, und fairen Wettbewerb in der digitalen Welt. Das Prinzip der Netzneutralität ist uns daher ein wichtiges Anliegen. Da einige wenige Digitalplattformen mehr und mehr Einfluss auf die Meinungsbildung nehmen und darüber entscheiden, wer wo wie Inhalte übermitteln/empfangen kann, muss die Regulierung weiterentwickelt werden. Bei der Revision der Richtlinie über Audiovisuelle Medien haben wir uns deshalb dafür eingesetzt, dass die Mitgliedstaaten Auffindbarkeitsregeln für Inhalte von öffentlichem Interesse erlassen können. In diesem Sinn wollen wir weiter technologieneutrale und interoperable Standards für Medienplattformen -Intermediären setzen, so zum Beispiel bei der Entwicklung und beim Einsatz von Algorithmen. Wir wollen zudem den Aufbau europäischer Alternativen zu den derzeit dominierenden Plattformunternehmen prüfen, die öffentlich-rechtlichen Medien stärken sowie Medienkonzentration verhindern.

 

6. Wie stehen Sie zur Einführung einer Digitalsteuer?

 

Wir wollen bis Ende 2020 eine globale Mindestbesteuerung der digitalen Unternehmen einführen. Gleichzeitig treiben wir eine europäische Lösung voran – für den Fall, dass die internationale Lösung nicht zu erreichen ist. Den gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag für eine Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab dem 1. Januar 2021 wollen wir zügig in Europa umsetzen und uns dafür im nächsten Europäischen Parlament.

 

7. Planen Sie urheberrechtliche Initiativen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

 

Die ablaufende Legislaturperiode war von der Debatte um die Richtlinie über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im Digitalen Binnenmarkt geprägt, die mit der Zustimmung im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat abgeschlossen wurde. Zu begrüßen sind etwa die Regelungen zum Text und Data Mining, zu den vergriffenen Werken oder zum Vertragsrecht für Künstlerinnen und Künstler. Leider ist es trotz intensiver Diskussion nicht gelungen, ein überzeugendes Konzept zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen zu erarbeiten, das von einer breiten Zustimmung getragen worden wäre. Vielmehr hat die Abstimmung im Parlament die Spaltung der Politik und der Gesellschaft offengelegt und es bestehen berechtigte Sorgen, dass insbesondere die Regelungen in Artikel 15 und 17, also zum Leistungsschutzrecht und zu den Uploadfiltern, zu einer Beschränkung der Informationsund Meinungsfreiheit und zu einer weiteren Stärkung der Monopolanbieter führen. Deswegen kommt es jetzt entscheidend auf die Umsetzung der Richtlinie in den kommenden beiden Jahren an.

 

Nach Artikel 17 Absatz 10 ist die Europäische Kommission verpflichtet, einen Dialog mit allen betroffenen Interessengruppen zu führen, um Leitlinien zur Anwendung des Artikels 17 zu entwickeln. Die Vorschrift fordert ausdrücklich, die Ausgewogenheit zwischen den Grundrechten sowie die Möglichkeit zu wahren, geschützte Inhalte im Rahmen gesetzlicher Erlaubnisse auf Upload Plattformen zu nutzen. Die SPD im Europäischen Parlament wird die Umsetzung intensiv begleiten und an diesem Dialog beteiligen. Die deutsche Bundesregierung hat in einer Protokollerklärung festgeschrieben, dass sie bei der Umsetzung ohne Uploadfilter auskommen will und sich in diesem Sinne in diesen Dialog einbringen wird. Sie hat zugleich erklärt, auf europäischer Ebene die Initiative ergreifen wird, wenn sich bei der Umsetzung zeigt, dass es a) zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit kommt oder b) wenn deutlich wird, dass die europäischen Vorgaben eine solche Umsetzung nicht zulassen, etwa weil eine konkrete urheberrechtliche Schrankenregelung für Pauschallizenzen fehlt. Die SPD im Europäischen Parlament wird diese Forderungen nachdrücklich unterstützen und – sollten sich die Sorgen hinsichtlich der Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit bestätigen – die Kommission auffordern, unverzüglich entsprechende Regelungsvorschläge zur Korrektur vorzulegen.

 

Darüber hinaus konnten aus Sicht der SPD auch wichtige Verbesserungen im Vertragsrecht für Künstlerinnen und Künstler nicht durchgesetzt werden, da es massiven Widerstand seitens der Verwerter gab. Da diese aber nach wie vor wichtig sind, werden wir uns – sollten die Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament es zulassen – für eine weitere Stärkung der Urheberinnen und Urheber im Urhebervertragsrecht einsetzen, um Verhandlungen auf Augenhöge zu ermöglichen und um eine faire und angemessene Vergütung sicherzustellen.

 

8. Planen Sie Maßnahmen zur Sicherung der kulturellen Vielfalt bei Handelsverträgen mit Drittstaaten? Wie wollen Sie sicherstellen, dass nationale kulturwirtschaftliche sowie gemeinnützige Kulturstrukturen durch Handelsverträge mit Drittstaaten keinen Schaden nehmen?

 

Wir befürworten breit gefasste Ausnahmen vom Anwendungsbereich unserer Handelsabkommen für die Kulturindustrie und kulturelle Dienstleistungen, so wie zum Beispiel im CETA-Abkommen mit Kanada durchgesetzt. Wir unterstützen auch, dass sich EU Mitgliedstaaten das Recht sichern, in diesem Bereich vollständige Regulierungsfreiheit zu haben. Wir legen des Weiteren Wert darauf, Subventionen vom Anwendungsbereich unserer Abkommen auszuklammern, um die öffentliche Förderung von Kunst und Kultur in keiner Weise einzuschränken.

 

9. Welche Bedeutung messen Sie der Auswärtigen Kulturpolitik beim gemeinsamen Auswärtigen Dienst der EU zu? Sehen Sie hier einen Ausbaubedarf? Wenn ja, welche Maßnahmen planen Sie?

 

Die SPD setzt sich sehr für eine Stärkung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ein. Daher befürworten wir auch eine Erhöhung der Mittel für diesen Zweck. Kultur spielt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung wichtiger Herausforderungen für Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch im Bereich der Außenpolitik.

 

Eine auswärtige Kulturpolitik kann unter anderem dabei helfen, fundamentale europäische Werten wie die Achtung der Menschenrechte, Toleranz und AntiDiskriminierung in der Welt zu verbreiten. Insbesondere über Kultur und Bildung kann der Austausch zwischen Gesellschaften erreicht werden und somit auch die Bedeutung des einmaligen Projekts Europa kommuniziert werden. Der Europäische Rat hat am 8. April 2019 beschlossen, den Ansatz der internationalen kulturellen Beziehungen verstärkt in die Außenpolitik miteinzubeziehen. Auch wir unterstützen diese Bestrebungen.

 

Ziel des Ausbaus der auswärtigen Kulturpolitik ist unter anderem ein gegenseitiges Lernen, die Entwicklung eines kulturübergreifenden gegenseitigen Verständnisses und Vertrauensaufbau zwischen der EU und seinen Partnern. Dies soll durch die regionale Förderung von nachhaltiger Entwicklung und sozialer und kultureller Vielfalt, Innovation und Ökonomie geschehen.

 

Eine entscheidende Rolle sollte hierbei dem Auswärtigen Dienst zugeschrieben werden. Eine Stärkung der Rolle des Europäischen Auswärtigen Dienstes als Repräsentant der Europäischen Kultur und Werte ist hierbei erstrebenswert. Diesen Ansatz fördert auch die SPD im Besonderen. Hierbei soll in erster Linie das Amt der/des „Hohen Vertreterin/s der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik“, als Leitfigur des Europäischen Auswärtigen Dienstes und somit außenpolitische VertreterIn der EU fortentwickelt werden.

 

10. Welche Maßnahmen zur Einbeziehung nationaler und europäischer zivilgesellschaftlicher Organisationen in die Beratungs- und Entscheidungsprozesse der europäischen Kulturpolitik werden Sie ergreifen?

 

Wir wollen nationale und europäische Akteure stärker in die Beratungsprozesse bezüglich der europäischen Kulturpolitik einbinden. Neben den bereits bestehenden Partizipationsmöglichkeiten wie den öffentlichen Konsultationen der EU-Kommission, sollten Zusammenkünfte von Interessenvertretern mit den Mitgliedstaaten und den EUInstitutionen organisiert werden, angelehnt an den Stakeholder-Ausschuss des Europäischen Kulturerbejahres 2018. Dies hat einen regen Austausch zwischen europäischen und nationalen Experten sowie Institutionen über das Kulturerbe ermöglicht und die interinstitutionelle sowie sektorübergreifende Zusammenarbeit gefördert.


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