Zugang für alle ermöglichen
Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Der Artikel 27 zur Freiheit des Kulturlebens der UN-Menschenrechtskonvention besagt, dass jeder das Recht hat, „am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben“.
Das klingt fast so, als sei es direkt aus einem Leitfaden für die Arbeit öffentlicher Bibliotheken abgeschrieben. Genau das macht die Funktion öffentlicher Bibliotheken aus: allen Teilen der Bevölkerung möglichst barrierefreie Teilhabe zu ermöglichen – an Wissen, Informationen und aktuellen Diskursen, an den Früchten der Aufklärung und den in Wort, Bild und Ton verfassten Geschichten unserer Zeit sowie die Nutzung entsprechender – auch digitaler – Zugänge und Technologien.
Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) ist die größte öffentliche Bibliothek Deutschlands und fühlt sich dieser Aufgabe zutiefst verpflichtet. Kern unserer Arbeit ist das Teilen von Wissen, Bildung und Kultur, der entsprechenden Medien, der Technologien und des Raums für die Aneignung. So unterstützt die Bibliothek die individuelle, emanzipatorische Entwicklung der Einzelnen genauso wie die Sicherung und Weiterentwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens.
Kein anderer öffentlicher, von der Stadt getragener Ort wird so stark frequentiert wie Bibliotheken. Allein die ZLB hat mittlerweile jährlich 1,5 Millionen Besuche, Berlins öffentliche Bibliotheken gemeinsam mehr als 9 Millionen. Diese enorme Frequenz belegt die aktive Nutzung unseres Angebots und zeigt die Erfolge unserer Anstrengungen, als Ort möglichst „niedrigschwellig“ und barrierefrei zugänglich zu sein. Zugleich sind wir sehr wachsam und aktiv für neue Herausforderungen und weitere Verbesserungen in unserer Zugänglichkeit, denn Barrieren können sehr vielfältig sein, z. B.:
- finanzieller Natur: Dagegen stehen die extrem günstigen Konditionen des Verbunds der öffentlichen Bibliotheken Berlins mit einem Entgelt von 10 Euro pro Jahr für den Bibliotheksausweis.
- baulicher Natur bzw. des räumlichen Ambientes: Bibliotheken müssen baulich und von der Ausstattung so gestaltet sein, dass sich die Bürger eingeladen, einbezogen, willkommen und wohlfühlen. Das ist eine permanente Herausforderung für uns – gerade angesichts vieler Jahre Sparpolitik in Kommunen mit deutlichen Erscheinungen der Vernachlässigung und des Verschleiß an Bibliotheksgebäuden. Die ZLB arbeitet laufend an der Gestaltung und Weiterentwicklung eines aufenthaltsfreundlichen Ambientes.
- sprachlicher Natur: Sich als Besucher angenommen zu fühlen und zurechtzufinden, wenn man der deutschen Sprache nur bedingt mächtig ist, bedeutet eine große Herausforderung für unser Personal. Entsprechend laufende Kompetenzerweiterung und die zunehmende Diversität unseres Personals sind – neben unseren klassischen Angeboten zur Schreib- und Leseförderung – die richtigen Wege, diese Barriere zu verkleinern.
- technologischer Natur: Mangelnde Kompetenzen im Umgang mit digitalen Endgeräten verhindern für einen Teil unserer Bevölkerung die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft und befördern die »digitale Spaltung«. Wir bieten Zugang zur Technologie sowie die Beratung zum Umgang damit. Die ZLB verleiht auch Tablets und E-Book-Reader an unsere Nutzer, sodass diese zu Hause den Umgang damit vertiefen können.
Unser Publikum ist ein Abbild unserer vielfältigen Stadtgesellschaft. Angesichts der enormen Reichweite kann die ZLB ein den Werten von Aufklärung und liberaler Demokratie verpflichteter Resonanzraum für kommunale Themen und Diskurse sein.
Die im Artikel 27 angemahnte Teilhabe bedeutet für uns als Bibliothek auch, unseren öffentlichen Raum der Stadtgesellschaft zur Mitgestaltung zu öffnen. Weit über die traditionelle Funktion hinaus, bieten wir der Bevölkerung permanent öffentlich nutzbaren und integrativen Raum zum Teilen von Wissen sowie die (Mit-)Gestaltung unserer Programmarbeit in unseren Räumen. So hat die ZLB z. B. der Baynatna, einer aus der Arbeit von und mit Geflüchteten entstandenen arabisch-deutschen Bibliotheksinitiative Räume in unserer Institution gegeben, die selbständig von der Initiative gestaltet und bespielt werden.
Art der Teilhabe durch Mitgestaltung bedeutet sowohl riesige Herausforderungen für die Bibliotheken als auch enorme Chancen; richtig ausgeschöpft liegt in der so genutzten bibliothekarischen Infrastruktur ein enormes Potenzial für die gesellschaftliche und städtische Entwicklung. Eine bessere Verwirklichung des Teilhabeanspruchs aus Artikel 27 der UN-Menschenrechtskonvention als durch solche Bibliotheksarbeit ist kaum vorstellbar.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2018.
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