Jürgen Dusel - 1. September 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Inklusion & Kultur

Inklusion muss „Chefsache“ sein


Ein wichtiger Baustein für unsere Demokratie

Das Motto meiner Amtszeit lautet: „Demokratie braucht Inklusion“ – weil ich fest davon überzeugt bin, dass alle Menschen sich in ihrer Unterschiedlichkeit gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben beteiligen, sich einbringen können müssen. Wenn das erreicht ist, hält eine demokratische Gesellschaft das, was sie verspricht. Demokratie und Inklusion sind zwei Seiten derselben Medaille.

 

Spätestens mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2009 hat sich Deutschland dazu verpflichtet, auch die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu stärken und sie als gleichberechtigte Akteure in unserer Gesellschaft anzuerkennen. Die UN-BRK ist geltendes Bundesrecht und es ist nun Aufgabe des Staates, nicht nur Recht zu setzen, sondern Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Rechte auch tatsächlich bei den Menschen ankommen und lebbar sind. Etwa 13 Millionen Menschen leben in Deutschland mit einer Beeinträchtigung, nur etwa drei Prozent von ihnen werden mit ihr geboren, die allermeisten erwerben diese im Laufe ihres Lebens. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird sich diese Tendenz noch verstärken. Dass all diese Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, ist dabei nichts „Nettes“ oder „Fürsorgliches“, sondern vielmehr die Umsetzung von fundamentalen Grundrechten.

 

Artikel 30 der UN-BRK regelt das Recht auf Teilhabe an Kunst und Kultur. Menschen mit Behinderungen haben damit ein verbrieftes Recht auf ein Umfeld, in dem sie ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial entfalten und gleichberechtigt an kulturellem Leben teilhaben können.

 

Gerade Kunst und Kultur können einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft leisten, davon bin ich fest überzeugt. Denn in ihrem Facettenreichtum lebt gerade die Kunst von der Vielfalt und der Verschiedenheit der Schaffenden.

 

Oft haben gerade Menschen, die mit einer Behinderung leben, ausgeprägte künstlerische Fähigkeiten. Sie haben auf viele Dinge – auch aufgrund ihrer Erfahrungen – einen anderen Blick, als Menschen, die ohne eine Einschränkung leben. Wir alle brauchen und profitieren von der Perspektive von Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderungen! Deshalb setze auch ich mich für eine inklusive Kulturpolitik ein. Ich bin sehr froh, dass ich in meiner Amtszeit – trotz Pandemie – einiges bewegen durfte, um dem Ziel einer inklusiven Gesellschaft auch im Bereich von Kunst und Kultur näher zu kommen. So konnten wir durch Ausstellungen, Lesungen, durch Zusammenarbeit mit externen Partnerinnen und Partnern – beispielsweise mit der Deutschen Kinemathek im Rahmen und mit Unterstützung der Filmfestspiele Berlin – Themen setzen. In dem Format „Salon im Kleisthaus“ sind Kunstschaffende mit Behinderungen sehr sichtbar geworden und auch die gemeinsam mit dem Deutschen Kulturrat kürzlich durchgeführte Veranstaltung „Kultur braucht Inklusion – Inklusion braucht Kultur“ hat einen unglaublich wichtigen Impuls gesetzt. So muss es weitergehen.

 

Denn klar ist auch, dass noch viel zu tun bleibt, um das Ziel einer inklusiven Gesellschaft gerade auch im Bereich von Kunst und Kultur zu erreichen. Es ist immer noch so, dass Menschen mit Behinderungen ungleich mehr Hürden ausgesetzt sind, als Künstlerinnen und Künstler Fuß zu fassen oder an Kunst- und Kulturveranstaltungen überhaupt erst teilhaben zu können. Das ist ungerecht. Wir brauchen deshalb eine Willkommenskultur für Menschen mit Behinderungen. Inklusion muss „Chefsache“ sein und darf nicht delegiert werden! Die barrierefreie Zugänglichkeit beispielsweise zu Museen, Galerien oder Theatern ist ein Qualitätsmerkmal für eine moderne Kulturlandschaft, inklusive Vermittlungskonzepte und der „unbehinderte“ Zugang zur künstlerischen Ausbildung müssen Standard in Deutschland werden.

Und es ist letztlich eine Frage unserer Professionalität, ob wir das schaffen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.


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