Alexander Skipis - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Wir brauchen geöffnete geistige Tankstellen


Die Situation im Buchhandel

In den vergangenen zwölf Monaten waren die Türen der Buchhandlungen in den meisten Bundesländern Deutschlands fast ein Drittel der Zeit über geschlossen. Rund 16 Wochen, in denen sich Menschen Bücher zwar liefern lassen oder sie kontaktlos abholen konnten, die Buchhandlungen als Ort des kulturellen und gesellschaftlichen Austauschs, der Inspiration und Beratung aber nicht erreichbar waren. Das belastet nicht nur die Unternehmen der Buchbranche wirtschaftlich zunehmend – auch unsere Gesellschaft kann nicht mehr länger auf ihre geistigen Tankstellen verzichten. Deshalb brauchen wir jetzt eine Perspektive für eine baldmögliche Wiedereröffnung der Buchhandlungen.

 

Die letzten Monate haben gezeigt, wie groß gerade auch in Krisenzeiten das Bedürfnis der Menschen nach Büchern ist und welche unverzichtbare Rolle die Buchhandlungen als Anbieter geistiger Grundversorgung spielen. Bücher geben Halt und bieten Orientierung, sie helfen Menschen dabei, herausfordernde Zeiten zu durchstehen.

 

Sie sind in der Lage, Denkanstöße zu geben und die Debatten mitzugestalten, die unsere Gesellschaft gerade jetzt für die Zeit während und nach der Pandemie führen muss.

 

Zwar nutzen viele Menschen die Liefer- und Abholmöglichkeiten der Buchhandlungen oder bestellen online. Aber die Umsatzentwicklung zeigt, dass ein großer Teil der Käufe nicht getätigt wird: Im Januar 2021 gingen die Umsätze im stationären Handel um 48,9 Prozent zurück, selbst das Online-Geschäft und weitere Buchverkaufsstellen dazu genommen, fehlen im Vergleich zum Vorjahresmonat 19,7 Prozent des Umsatzes. Für die Buchhandlungen kommt erschwerend hinzu, dass die Umsätze hinter verschlossener Ladentüre teuer erkauft sind: Die Bearbeitung von Bestellungen und die Organisation von Abholservices und Bringdiensten erfordern deutlich mehr Ressourcen als das Ladengeschäft. Eine Branche, in der die Umsatzrenditen sehr gering sind, kann solche Einschränkungen nicht auf Dauer stemmen. In vielen Fällen wird die Situation bald existenzbedrohend, sodass Insolvenzen nicht auszuschließen sind.

Bund und Länder haben die Buchbranche im vergangenen Jahr mit Soforthilfen, Notfallkrediten und Förderungen, etwa im Rahmen des von Kulturstaatsministerin Monika Grütters initiierten Programms NEUSTART KULTUR, unterstützt. Dafür sind wir den Regierungen sehr dankbar. Verlage und Buchhandlungen sind aber auch weiterhin auf die Unterstützung der Politik angewiesen, um die finanziellen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen überstehen zu können.

 

Worauf es aber vor allem ankommt, ist, dass Buchhandlungen so früh wie möglich wieder öffnen dürfen – unter Einhaltung der bewährten Abstands- und Hygieneregeln. Die Buchbranche unterstützt die Maßnahmen der Bundesregierung und der Länder von Anfang an, ein konsequentes Vorgehen ist richtig und notwendig, um das Coronavirus nachhaltig in den Griff zu bekommen. Aber eine Öffnungsstrategie, die die besondere Rolle des Buchhandels berücksichtigt, ist jetzt für die Buchbranche wie für die Gesellschaft gleichermaßen wichtig, um gemeinsam verantwortlich den Ausweg aus der Pandemie und die Zeit nach Corona gestalten zu können.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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