Pamela Schobeß - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Es geht um Nähe


Die Clubszene in Berlin

Unsere Clubs sind seit einem Jahr pandemiebedingt im Dauer-Lockdown. Nur die Sommermonate brachten einigen ein bisschen Licht: Außenflächen konnten bespielt werden. Kleine Bühnen für einige Künstlerinnen und Künstler, die sich so wieder vor einem Publikum präsentieren konnten. Aber Abstandsregeln und Distanz töten Clubkultur. Clubkultur hat eine hohe soziale und gesellschaftliche Relevanz. Neben der Musik geht es um Nähe. Das hohe Infektionsrisiko in Innenräumen hat schon früh den Verdacht nahegelegt: Die Clubs werden in dieser Pandemie die Letzten sein, die wieder öffnen können. Eine Perspektivlosigkeit, von der nicht nur die Clubbetreibenden, DJs und Bands sowie unsere Mitarbeitenden betroffen sind, sondern eben auch unsere Communities. Über digitale Angebote versuchen wir weiterhin, Musikerinnen und Musikern Bühnen und unserem Publikum ein Kulturprogramm zu bieten. Wir streamen DJ-Sets und Konzerte – aber Clubkultur ist „erleben“. Das analoge Live-Erlebnis ist durch nichts Digitales zu ersetzen. Hinter den Clubs stehen Menschen, die mit viel Leidenschaft ihre Programme kuratieren, sorgfältig Künstlerinnen und Künstler auswählen, bewusst Nachwuchs fördern, neuen Musikstilen eine Plattform bieten und so die Entwicklung von experimentellen musikalischen Strömungen erst möglich machen. Anders als viele andere Bühnen sind unsere Clubs nicht staatlich subventioniert. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten, um unsere Programme möglich zu machen. Viele von uns hatten schon vor der Pandemie keine Rücklagen, da jeder Euro zurück in die Musik fließt. Ohne Spenden aus unseren Communities hätten die meisten Clubs die ersten Monate der Pandemie wirtschaftlich nicht überstanden.

 

Zuschussprogramme und Förderungen halten uns aktuell über Wasser.

Verlieren wir unsere Orte, bricht eine fragile Infrastruktur zusammen. Die bekannten und erfolgreichen Musikerinnen und Musiker fallen nicht als Stars vom Himmel. Sie brauchen unsere Bühnen, um sich auszuprobieren und ihren Weg zu finden. So viele Mitarbeitende und Soloselbständige sind von unseren Orten abhängig. Und nicht nur junge Menschen brauchen unsere Nächte, um sich frei zu fühlen.

 

Im Augenblick stehen wir in den Startlöchern: Wir hoffen auf den Sommer und die Open-Air-Saison. Dass auch wir Hygienekonzepte können, haben wir im letzten Jahr bewiesen. Aber am Ende brauchen wir Möglichkeiten, auf Distanz zu verzichten und Nähe wieder zuzulassen. Neben den fortscheitenden Impfungen können uns Schnelltests helfen, eine Art „safe bubble“ herzustellen. Sobald Schnelltests in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen, muss auch Clubkultur wieder in all ihren Facetten möglich sein. Ein Licht am Ende des Tunnels.

 

Wir werden aber auch dann noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen sein. Auch wir müssen unsere Programme ähnlich wie Theater oder Opernhäuser planen. Touren mit Bands benötigen eine Vorbereitungszeit von sechs bis neun Monaten. Im Gegensatz zu Theatern und Opernhäusern bieten wir außerdem an jedem Abend ein neues Programm mit ständig wechselnden Acts.

 

Es wird dauern, bis wir wieder zu einer Art Normalität zurückgekommen sein werden. Und vielen wird das finanziell nicht eigenständig gelingen, da die Umsatzrenditen bei kleinen Clubs und Livespielstätten zu niedrig sind. Wenn wir weiter Bühnen für den Nachwuchs haben, musikalische Nischen bedienen und Experimentierräume bieten wollen, benötigen wir dabei finanzielle Unterstützung.

 

Von 100 Prozent auf null vor einem Jahr war schmerzhaft, aber mehr oder weniger einfach. Von null auf 100 Prozent wird seine Zeit brauchen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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