Klaus Hebborn - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Eine Perspektive für die Kultur in den Städten


Deutscher Städtetag fordert den Erhalt der kulturellen Infrastruktur

Das kulturelle Leben in den Städten ist nach vorsichtigen Öffnungen in den Sommermonaten erneut nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Es ist nicht absehbar, wann sich das Kulturleben wieder in vollem Umfang entfalten kann. Bis in den März sind erneut die meisten kulturellen Einrichtungen geschlossen und Veranstaltungen untersagt worden. Da die Infektionsschutzregelungen rechtlich auf einen Zeitraum von vier Wochen begrenzt sind, ergibt sich für die Einrichtungen eine große Planungsunsicherheit. Manche Kultureinrichtungen haben daher bereits alle Veranstaltungen oder Aufführungen bis Ende April abgesagt.

Vor allem freie Kulturschaffende und Einrichtungen sind in ihrer Existenz gefährdet. Viele Kultureinrichtungen und Spielstätten haben ausgefeilte Hygienekonzepte entwickelt, technische Ausrüstung angeschafft und Schutzvorkehrungen getroffen. Zu diesen Investitionen kommen weiterlaufende Ausgaben für Miete und Betriebskosten bei gleichzeitig wegbrechenden Einnahmen. Finanzielle Polster – soweit überhaupt vorhanden – sind vielfach aufgebraucht. Aber auch die öffentlich getragenen Kulturinstitutionen wie Theater und Gastspieltheater, Museen, Bibliotheken oder Volkshochschulen und Musikschulen sind von erheblichen Einnahmeausfällen bei gleichzeitig steigenden Kosten betroffen. Die Auswirkungen werden umso gravierender, je länger die Beschränkungen andauern.

 

Bund, Länder und Kommunen sind daher aufgerufen, mit Soforthilfen und Unterstützungsmaßnahmen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Kulturbereich abzumildern und die kulturelle Infrastruktur zu schützen. Der Deutsche Städtetag tritt daher nachdrücklich für den Erhalt der kulturellen Infrastruktur und die Unterstützung Kulturschaffender ein.

 

Unterstützung der Kultur längerfristig erforderlich

 

Die bisherigen Maßnahmen des Bundes und der Länder bieten zusammen mit vielfältiger kommunaler Unterstützung vor Ort wichtige Hilfestellungen für Kulturschaffende und Einrichtungen. Das Konjunkturpaket des Bundes zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Pandemie hat die Kommunen finanziell gestärkt. Mit dem Sonderprogramm NEUSTART KULTUR des Bundes für den Kulturbereich, für das bundesseitig jüngst eine zweite Milliarde bereitgestellt wurde, werden vor allem freie Kultureinrichtungen als wichtiger Bestandteil der kulturellen Infrastruktur vor Ort stabilisiert. Mit den Überbrückungshilfen leistet der Bund auch eine besondere Unterstützung für Soloselbständige. Dieser Ansatz ist nachdrücklich zu begrüßen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob diese neuen Hilfestrukturen geeignet sind, die bisherigen Defizite in der Unterstützung insbesondere von freien Kulturschaffenden auszugleichen. Angesichts des Fortdauerns der Pandemie zeichnet sich ab, dass kurzfristige Unterstützungsmaßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, eine zeitlich begrenzte Krise zu flankieren, allein nicht mehr ausreichend sind. Es ist von einem längerfristigen Prozess über mehrere Stufen auszugehen, der in geeigneter Weise über verlässliche staatliche Hilfen für öffentlich getragene kulturelle Einrichtungen wie für die freie Kultur begleitet werden sollte.

 

Auch die öffentlich getragene Kultur finanziell absichern

 

Die Städte und Gemeinden haben nicht nur Einnahmeausfälle und Mehrausgaben für ihre eigenen Kultureinrichtungen zu tragen, sie unterstützen darüber hinaus die freie und private kulturelle Szene subsidiär dort, wo andere Hilfsprogramme nicht greifen. Es werden Fördermittel fortgezahlt, Raummieten erlassen oder gestundet, Ausfallhonorare gezahlt oder neue Leistungen entwickelt und gefördert. Kommunale Kultureinrichtungen sind überdies Arbeitgeber für Künstlerinnen und Künstler, öffentliche Kulturförderung kommt somit mittelbar auch der freien Kultur zugute. Voraussichtlich werden sich die Folgen der Pandemie in ihrem ganzen Ausmaß erst in den kommunalen Haushalten der nächsten Jahre zeigen. Konsolidierungsmaßnahmen drohen, die Kultur als vermeintlich „freiwillige Leistung“ gerät dabei zum wiederholten Male in Gefahr, in Konkurrenz zu Pflichtleistungen zu treten. Die Kommunen bekennen sich gemeinsam mit Bund und Ländern zu ihrer Verantwortung für den Erhalt und die Weiterentwicklung der kulturellen Infrastruktur vor Ort. Sie brauchen aber als Träger des größten Anteils der Kulturausgaben in Deutschland weitere finanzielle Unterstützung. Bei der Ausgestaltung von NEUSTART KULTUR sollte daher eine Einbeziehung kommunaler Kultureinrichtungen vorgesehen werden.

 

Stufenplan für die Öffnung des Kulturbetriebs

 

Neben der finanziellen Unterstützung ist die wichtigste Maßnahme, Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden schrittweise die Wiederaufnahme ihres künstlerischen und wirtschaftlichen Betriebs zu ermöglichen.

 

Planungssicherheit kann es in der gegenwärtigen Lage nicht geben, notwendig ist aber zumindest ein gestuftes und an die jeweiligen Inzidenzwerte angepasstes Planungsszenario für die Kultur.

 

Die Kultur-Ministerkonferenz hat dazu erste Überlegungen angestellt und auch der Stufenplan des Deutschen Kulturrates ist ein guter Ansatz für die Erarbeitung entsprechender Konzepte. Es ist bedauerlich, dass ein solches Konzept, das schon Anfang des Jahres vorgelegt werden sollte, noch immer aussteht. Es muss schnellstmöglich erstellt werden.

 

Die bisherige Pandemie hat gezeigt, dass die Menschen bereit und in der Lage sind, Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte und persönliche Belastungen zu tragen. Entscheidend dabei ist, dass Entscheidungen gut begründet sind und ein Weg aus der Krise aufgezeigt wird. Dies gilt in gleicher Weise für den Kulturbereich: Kultur braucht eine Perspektive, und zwar jetzt!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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