Annekatrin Klepsch - 4. Oktober 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Aus der Gegenwart in die Zukunft


Wie ist es um die Kulturstadt Dresden nach Corona bestellt?

Die sächsische Landeshauptstadt Dresden ist dank eines vielfältigen kulturellen Erbes mit Blick auf die kulturelle Infrastruktur sehr gut aufgestellt. Neben den kulturellen Leuchttürmen in der Trägerschaft des Landes Sachsen – den Staatlichen Kunstsammlungen, der Sächsischen Staatsoper und den drei Hochschulen für Kunst, Musik und Tanz – ist die Stadt Dresden selbst Rechtsträgerin namhafter großer Kulturinstitutionen wie der Dresdner Philharmonie, der Staatsoperette, des tjg.theater junge generation, der Musikfestspiele, des Kreuzchors sowie der Museen der Stadt Dresden und des Verkehrsmuseums und fördert eine lebendige Freie Szene an Vereinen und Initiativen. Die Coronapandemie und das damit verbundene mehrfache monatelange Veranstaltungsverbot haben – wie wohl in allen Städten – Auswirkungen auf den Kulturbereich in mehrfacher Hinsicht gehabt.

 

Neben der existenziellen Frage des wirtschaftlichen Überlebens, die sich vorrangig für die Freie Szene und die private Veranstaltungswirtschaft stellte, folgte aus dem zeitweiligen Herunterfahren des öffentlichen Lebens und der versuchten Verlagerung kultureller Angebote in den digitalen Raum eine andere Form der künstlerischen Reflexion und Selbstbefragung. Die fiskalische Bedrohung und finanzielle Notlagen konnten durch konsequentes Sparen, Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen von Land und Bund wohl weitestgehend überwunden werden. Die kritische Betrachtung der diversen Programme soll an dieser Stelle jedoch keine Rolle spielen.

 

Entscheidend wird in den nächsten Monaten sein, dass das Publikum zurückkehrt und die vorhandenen Platzkapazitäten ausgeschöpft werden können. Neben der physischen existenziellen Bedrohung wurde jedoch die Kunst als Tätigkeit, das Selbstverständnis künstlerischen Schaffens auf psychischer Ebene auf eine harte Probe gestellt, weil die direkte Begegnung mit dem Publikum und die Interaktion im analogen Raum für unbestimmte Zeit unterbrochen war. Gleichwohl hat diese schwierige existenzielle Situation im ideellen Sinn auch Kreativität freigesetzt, sowohl hinsichtlich des Entwickelns Corona-konformer Formate für Künstlerinnen und Künstler sowie Publikum als auch methodischer und kommunikativer Ansätze in Bezug auf die Ansprache eines Publikums. Die bereits vor Corona begonnenen Bemühungen in Fragen des „Audience Developement“ und der kulturellen Teilhabe, der Nachhaltigkeit, der Diversität und der Internationalisierung wurden durch die besondere Situation noch verstärkt und beschleunigt. Die in den vergangenen Monaten geführten Diskussionen in den einzelnen Häusern, die Erfahrungen mit digital vorbereiteten und durchgeführten Projekten und Veranstaltungen, die Beschäftigung mit der Frage der eigenen gesellschaftlichen Relevanz als Kulturinstitution und mit dem eigenen Publikum bzw. dessen Abwesenheit sind Elemente, die in die Zukunft reichen und von denen die kulturelle Infrastruktur der Stadt Dresden nicht zuletzt langfristig profitiert. Zahlreiche Projekte beschäftigten sich intensiv mit der Stadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern und entwickelten neue Angebote einer breiten kulturellen Teilhabe.

 

Auch Fragen der Kommunikation, Kooperation und Mitarbeiterführung wurden im Zuge der Erfahrungen des Lockdowns neu justiert. Die digitale Kommunikation per Videokonferenz mit Mitarbeitenden, mit Kooperationspartnern und mit dem Publikum als sozial akzeptierte und selbstverständliche kulturelle Praxis ist eine Erfahrung der letzten Monate, welche die künstlerische Programmierung der Häuser und die Kommunikationsstrukturen innen wie nach außen wohl dauerhaft verändern wird. Für einen Teil der Beschäftigten in den Kulturinstitutionen und Teile des Publikums findet damit nicht zuletzt eine kulturelle und soziale Transformation statt, die jedoch letztendlich dem veränderten Kommunikationsverhalten jüngerer Generationen der Digital Natives gerecht wird.

 

Angesichts der umfangreichen finanziellen Hilfen von Bund und Ländern wird seitens der Kulturakteure und der Kulturpolitik seit Monaten durchaus sorgenvoll in die Zukunft geblickt. Dass die Milliarden Euro an Krediten, die für die aufgelegten Rettungspakete und Überbrückungshilfen aufgenommen wurden, zurückgezahlt werden müssen, ist im Bewusstsein.

 

In der Stadt Dresden wurde bereits im April 2020 während des ersten Lockdowns eine Haushaltssperre für alle städtischen Ämter und Einrichtungen angeordnet, die für den Rest des Jahres alle nicht zuvor vertraglich gebundenen Ausgaben auf den Prüfstand gestellt hat. Parallel fanden die Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2021/22 der Landeshauptstadt Dresden statt, zunächst verwaltungsintern und in der zweiten Jahreshälfte in den Gremien des Stadtrates. Mit einer zentralen Budgetvorgabe des Finanzbereiches mussten alle Geschäftsbereiche ihre Haushalte mit einem Minus von 12 Prozent planen, was sich aufgrund der durch zentral bewirtschaftete Personalkosten und feste Ausgaben wie Miete und Betriebskosten zugespitzt in den Sachkostenetats der städtischen Kultureinrichtungen mit bis zu minus 50 Prozent abbildete.

 

Der Kulturbereich war hier von Beginn an in der Defensive, und es musste verwaltungsintern sowie gegenüber dem Stadtrat als Haushaltssouverän die Beweislastumkehr des begründeten Bedarfs einer kontinuierlichen Sachkostenausstattung geleistet werden. Dieser Haushaltsdialog war erfreulicherweise nicht erfolglos, sodass die Kürzung für die städtischen Einrichtungen zum Teil gänzlich aufgehoben, wie im Fall der Bibliotheken, Musikfestspiele, und Musikschulen, oder zumindest abgeflacht wurde. Weitere große städtische Einrichtungen im Bereich Bühne und Orchester mussten jedoch ihre Planungen an ein verringertes Sachkostenbudget anpassen, was stellenweise durch den „Produktionsstau“ an Neuinszenierungen möglich ist. Zugleich belasten jedoch die Kosten für die regelmäßige Testung aller Ensemblemitglieder vor Proben und Aufführungen die Haushalte der Kulturinstitutionen.

 

Hinsichtlich der Förderung der freien Träger im Bereich Stadtteilkultur und kulturelle Bildung sowie künstlerischer Projekte in allen Genres hat der Dresdner Stadtrat mit dem Beschluss des Haushaltes den Entwurf der Verwaltung korrigiert und das Budget der Kommunalen Kulturförderung auf das Niveau von 2020 zurückgeführt. Ein wichtiges Signal der Kommunalpolitik an die Kulturträger und Kunstszene und schließlich existenznotwendig, um auch durch die Corona-Folgejahre 2021 und 2022 zu kommen. Für die zukünftigen Haushaltsverhandlungen der Folgejahre wird es notwendig sein, aus der Kulturverwaltung heraus erneut in Richtung der Haushalts- und Finanzpolitik deutlich zu machen, dass kulturelle Infrastruktur Verlässlichkeit und eine auskömmliche Finanzierung benötigt.

 

Mit Blick auf die Bundestagswahlen 2021 und eine nächste Bundesregierung wurde im Sommer wie in einem Brennglas aufgezeigt, wo die Herausforderungen für die Bundesrepublik Deutschland und damit auch für öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen in den nächsten Jahren liegen. Angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen erhalten Kulturorte eine neue Relevanz für notwendige intellektuelle Reflexion und gesellschaftliche Debatten. Im Interesse des Klimaschutzes muss es gelingen, auch die Produktion und Rezeption von Kunst und Kultur unter Aspekten von Nachhaltigkeit zu stellen und geeignete Strategien für die Verringerung des Verbrauchs materieller Ressourcen zu implementieren. Mit dem Beitritt zum Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit und Projekt „Culture for Future“ des Amtes für Kultur und Denkmalschutz zur Entwicklung individueller Nachhaltigkeitsstrategien für fünf große Kulturinstitutionen geht die Landeshauptstadt Dresden wesentliche Schritte aus der Gegenwart in die Zukunft.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/themen/corona-vs-kultur/aus-der-gegenwart-in-die-zukunft/