Barbara Schleihagen - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Analog geschlossen, digital offen


Deutsche Bibliotheken

Das Türschild „analog geschlossen, digital offen“ auf der Webseite des Verbundes der Öffentlichen Bibliotheken Berlins bringt die aktuelle Situation nicht nur der Berliner, sondern fast aller öffentlichen Bibliotheken auf den Punkt. Mit dem verschärften Lockdown wurden in fast allen Bundesländern öffentliche Bibliotheksgebäude für den Publikumsverkehr erneut geschlossen – wissenschaftliche Bibliotheken dürfen fast überall den Leihbetrieb fortführen, mancherorts beschränkt auf Prüfungsvorbereitungen. Ausnahmen bilden Hamburg und Bremen, wo die Bibliotheken mit eingeschränkten Öffnungszeiten sowie begrenzter Personenanzahl und Aufenthaltsdauer zugänglich sind. Die der Risikogruppe zugehörigen Mitarbeitenden wurden weitgehend aus dem Kundenservice abgezogen.

 

Die digitalen Angebote – E-Books, E-Audios, Lern- und Bildungskurse, Zeitungen, Zeitschriften, Datenbanken, Musik- oder Filmstreaming – wurden im letzten Jahr in vielen Bibliotheken auf- und weiter ausgebaut und stehen Bibliothekskunden jederzeit zur Verfügung. Mit einem kostenlosen Probe-Online-Ausweis können digitale Angebote befristet getestet werden. Im Jahr 2020 legte die „Onleihe“ mit rund 46 Millionen Ausleihen in öffentlichen Bibliotheken um 23,9 Prozent zu und die Nutzerzahlen wuchsen um 19,8 Prozent. Veranstaltungen finden online statt: Recherchetrainings für Schulklassen, Bilderbuchkinos, Debattentraining, Spiele- und Bastelnachmittage, Workshops zur Medien- und Datenkompetenz oder Schreibwerkstatten. Einige Bibliotheken entwickelten sich auch digital zu „Dritten Orte“ mit Treffs für Senioren, Gesprächsgruppen für das Deutschlernen oder Buchklubs.

 

In Zeiten von Homeschooling und Homeoffice bleiben die analogen Bibliotheksbestände wichtig: Dort, wo die kontaktfreie Abholung vorbestellter Bücher und anderer Medien – „Click & Collect“ – angeboten wird, wird es rege genutzt. Die Rückgänge der Ausleihzahlen liegen für 2020 jedoch zwischen 20 und 40 Prozent.

 

Bibliotheken haben ihre vielfältigen Angebote je nach Infektionsgeschehen planbar und flexibel an die lokalen Vorgaben angepasst. Dazu wurden Stufenmodelle erarbeitet, die schrittweise von der analogen Schließung mit digitalen Angeboten über den kontaktlosen Bestell- und Abholservice, der begrenzbaren Ausleihe und Rückgabe vor Ort, der Öffnung von Arbeits- und Sitzplätzen bis zum Angebot analoger Veranstaltungen mit Hygienekonzepten und digitaler Kundenregistrierung reichen. Für ihren personalintensiven Dienstleistungsbetrieb benötigen sie jedoch planbare Öffnungsperspektiven und ausreichend Vorlaufzeit, um Besuchern jederzeit einen sicheren Aufenthalt zu ermöglichen.

 

Für eine Reihe von Bibliotheken erfolgten seitens der Träger bereits Etatkürzungen in Höhe von 20 bis 50 Prozent. Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) begrüßt die finanzielle Förderung der Bundesregierung durch NEUSTART KULTUR, die viele Bibliotheken in die Lage versetzt, digitale Angebote auf- und auszubauen. Um dies flächendeckend zu ermöglichen, muss jedoch nochmals nachgelegt werden. Bibliotheken werden damit als Einrichtungen resilienter und können unabhängig von physischer Öffnung ein noch vielfältigeres digitales Kultur- und Bildungsangebot machen. Der dbv fordert, dieses Angebot mit einer gesetzlichen Regelung auch für den Verleih von e-Medien abzusichern.

 

Dennoch sollen alle Menschen ihre Bibliothek so bald wie möglich auch wieder als unterstützenden gesellschaftlichen Begegnungsort ihres Alltags nutzen können. Durch ihre vielfältige Programm- und Veranstaltungsarbeit ist sie essenziell für das kulturelle Leben in vielen Kommunen. Ihre wachsende Bedeutung als Treffpunkt zeigt sich in höheren Besucherzahlen und steigender Aufenthaltsdauer. Daher muss ihre schrittweise Öffnung als außerschulische kulturelle Bildungseinrichtung an die von Schulen und Kitas gekoppelt sein. Sobald es die Gefährdungslage zulässt, muss auf dem Türschild wieder „analog und digital offen“ stehen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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