Julia Biermann - 4. September 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Buchmarkt

Von Deutschland in die Welt


Einblicke in das Geschäft mit Rechten und Lizenzen

Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ steht nicht nur seit über 160 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Die Erkenntnisse des Försters und Naturschützers aus der Eifel wurden inzwischen in mehr als 35 Sprachen übersetzt und in über 40 Länder verkauft. „Darm mit Charme“, Giulia Enders’ 2014 erschienenes Sachbuch über den menschlichen Darm, liegt mittlerweile in über 40 Sprachen vor. Auch wenn diese Bücher Ausnahmeerscheinungen sind – ihr Erfolg belegt einen Trend: „Sachbücher made in Germany“ erfreuen sich im Ausland wachsender Beliebtheit.

 

7.856 Lizenzen haben deutsche Verlage 2017 ins Ausland verkauft, 849 davon sind Sachbücher. Laut der aktuellen Lizenzumfrage, die der Börsenverein des Deutschen Buchhandels jährlich unter seinen Mitgliedsverlagen durchführt, verzeichnete das deutsche Sachbuch 2017 damit ein Plus von 36,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Den größten Appetit legten dabei chinesische Verlage an den Tag: Sie kauften 2017 doppelt so viele Sachbuch-Lizenzen ein wie im Jahr davor.

 

Auch wenn die Nachfrage nach deutschen Sachbüchern steigt, die wichtigste Warengruppe für den Lizenzverkauf bleibt das Kinder- und Jugendbuch mit 3.037 Vereinbarungen. Alles in allem steuert das Kinder- und Jugendbuch 38,7 Prozent aller Lizenzverkäufe bei (2016: 39,4 Prozent, 2013: 36,5 Prozent). Auf die Belletristik entfielen im vergangenen Jahr 16,5 Prozent aller Verträge (2016: 15,8 Prozent, 2013: 17,7 Prozent). Unter dem Strich sind hier 1.294 Vereinbarungen geschlossen worden (2016: 1.157). Mit welchen Ländern betreiben deutsche Verlage besonders regen Handel? Auch hier gibt die Lizenzumfrage des Börsenvereins Auskunft: Die Top 5-
Absatzmärkte für deutsche Titel sind neben Spitzenreiter China (1.150 Lizenzvereinbarungen), die Türkei (522), Spanien (444), die Tschechische Republik (375) und Frankreich (359). Zusammengenommen sind die europäischen Länder mit 68,2 Prozent aller Verträge die wichtigsten Abnehmer. Mit asiatischen Ländern wurden 25,9 Prozent aller Abschlüsse gemacht.

 

Ob sich ein Titel ins Ausland verkaufen lässt oder nicht, hängt von vielen Variablen ab: vom Titel, Verlagsprogramm, der Bekanntheit der Autorin oder des Autors und den Interessen des Publikums im Zielland. Wichtigste Voraussetzung ist deshalb die genaue Kenntnis der Zielmärkte und der internationalen Verlagsprofile. Hier unterstützt die Frankfurter Buchmesse: Sie richtet, mit Finanzierung des Auswärtigen Amtes oder beauftragt vom Bundeswirtschaftsministerium, jedes Jahr deutsche Gemeinschaftsstände auf rund 20 ausländischen Buchmessen aus. Neben den großen Lizenzmessen in London und Bologna haben Verlage die Möglichkeit, sich auch weniger bekannte oder exotische Märkte zu erschließen – im Herbst dieses Jahres z. B. werden deutsche Gemeinschaftsstände noch auf Buchmessen in Indonesien, Bulgarien oder Mexiko geplant. „Das persönliche Netzwerk, das auf diese Weise entsteht, ist von größter Bedeutung“, sagt Bärbel Becker, Leiterin des Bereichs Internationale Projekte bei der Frankfurter Buchmesse. „Auf den Auslandsmessen erreicht man auch Verlage, die nicht nach Frankfurt oder London kommen.“

 

„Unsere Aufgabe besteht darin, maßgeschneiderte Angebote zu machen“, sagt Myriam Alfano, zuständig für Auslandslizenzen im Erwachsenenbuch bei den S. Fischer Verlagen. „Wer unpassende Titel anbietet oder vorgibt, dass sie zu dem Verlag passen, verspielt das Vertrauen und die Reputation. Dann hört einem keiner mehr zu.“

 

Neben den Neuerscheinungen sind auch Titel der Backlist von Interesse, wenn sie zu den Wünschen des ausländischen Verlags passen. Ein Verkauf auf Exposé-Basis komme eher selten zustande, weiß Myriam Alfano. Zwar sei manchmal ein Thema so heiß, dass ausländische Verlage das Buch sofort haben wollen und zeitgleich mit dem deutschen Verlag publizieren. Doch in der Regel warten Verlage zunächst ab, wie sich der Titel auf dem Heimatmarkt durchsetzt. Zum Teil werden die Lizenzen erst Jahre nach dem Erscheinen verkauft, z. B. die englische Übersetzung von Clemens Meyers „Im Stein“. Literaturpreise und Nominierungen steigern dabei die Bekanntheit der Autorin oder des Autors im Ausland und können ausschlaggebend für den Verkauf einer Lizenz sein. Bei Peter Wohlleben war die Bestsellerplatzierung in Deutschland ausschlaggebend. „Das Interesse war geweckt. Mit den ersten erfolgreichen Veröffentlichungen in den Niederlanden, Norwegen (Platz 1), und den USA kam der Zug ins Rollen“, sagt Lars Schultze-Kossack, Geschäftsführer der Literarischen Agentur Kossack, die den Autor vertritt. In Frankreich übertreffe „Das geheime Leben der Bäume“ bald die deutschen Zahlen, die englische Ausgabe sei auf dem Weg zu über 500.000 verkauften Exemplaren, der Erfolg in Polen sechsstellig.

 

Angeboten werden die Titel Verlagen, Lektorinnen und Lektoren dabei auf direktem Wege. Bei Neuerscheinungen rund um aktuelle, kontroverse Themen oder von begehrten Autorinnen und Autoren geht der Weg häufig über Literaturscouts, die im Auftrag von ausländischen Verlagen einen Markt sondieren. Denn: „Scouts sind die Spürnasen in diesem schnellen Geschäft. Sie sollen die vielversprechenden Titel sichern, bevor ein anderer Verlag zugreift“, so Myriam Alfano. Gefragte Themen sind z. B. Freundschaften – Stichwort Elena Ferrante – und Familiengeschichten, im populären Sachbuch Physik für alle oder Nature Writing, sagt die Rechtemanagerin. Wo die sprachlichen und kulturellen Barrieren zu groß sind, arbeiten Verlage mit Subagenturen vor Ort. In Asien ist es beispielsweise kaum möglich, direkt mit den Verlagen zu verhandeln.

 

Auch wenn das Rechtegeschäft im digitalen Zeitalter 24/7 läuft, bleibt das persönliche Gespräch auf den Rechte- und Lizenzmessen in Frankfurt und London unersetzbar. Wichtige Partner werden auch zwischen den Messen besucht. Der „Maschinenraum“ der Frankfurter Buchmesse, das „Literary Agents & Scouts Centre“ (LitAg), erstreckt sich auf einer Hallenebene und platzt aus allen Nähten: 528 Tische werden 2018 belegt, die teilnehmenden Literaturagenturen kommen aus 33 Ländern. Hier stecken Literaturagenten, Scouts und Programmmacher im 30-Minuten-Takt die Köpfe zusammen. Auf diese Weise treffen Rechtehändler ihre Geschäftspartner aus der ganzen Welt – in einer einzigen Woche und an einem Ort. „Früher war die Frankfurter Buchmesse besonders wichtig, um Verträge abzuschließen“, sagt Jenny Kühne, Managerin für Rechte und Lizenzen bei der Frankfurter Buchmesse. „Auch heute werden Verträge vor Ort unterzeichnet und zum Teil Auktionen durchgeführt, aber das Netzwerken steht mehr im Vordergrund. Man pflegt die Kontakte, geht die Rechtekataloge durch und spricht über Trends und Präferenzen. Im persönlichen Gespräch kann man am besten ausloten, was die Kunden suchen.“

 

Eine wichtige Unterstützung des Rechtehandels bieten Online-Plattformen wie IPR License: Hier haben Rechte­inhaber nicht nur die Möglichkeit, ihre Titel zu präsentieren, sie finden darüber hinaus eine Reihe technischer Neuerungen, die sie in ihrer täglichen Arbeit unterstützen und diese erleichtern.

 

Zurück zum Trend: Der Erfolg deutscher Sachbücher hängt vielfach mit dem persönlichen Stil der Autorinnen und Autoren zusammen. „Ob Giulia Enders oder Peter Wohlleben, beide Autoren sind Experten auf ihrem Gebiet und unterhalten auf hohem Niveau“, beobachtet Lars Schultze-Kossack. Sympathische Fachleute, die nicht belehren, kommen über ihre authentische Art gut beim Publikum an – nicht nur in Deutschland.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.


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