Cigdem Aker - 5. September 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Buchmarkt

Mut zur Veränderung


Über Innovationen im deutschen Buchmarkt

Vor über 500 Jahren löste der Druck mit beweglichen Lettern – die Erfindung des Mainzers Johannes Gutenberg – eine Medienrevolution aus. In weniger als 100 Jahren verbreitete sich der Buchdruck in ganz Europa und zeigte seine disruptive Kraft nicht nur während der Reformation. Er legte mit der breiteren Verfügbarkeit von Büchern und dem darin enthaltenen Wissen auch das Fundament für Fortschritt und Aufklärung. In diese Zeit fällt auch die Herausbildung moderner Werte wie Vernunft, Bildung, Toleranz und Emanzipation, die immer noch zu den wesentlichen Grundsätzen unserer Gesellschaft zählen. Wenig überraschend wird die Druckerpresse daher regelmäßig unter den zehn wichtigsten Innovationen genannt, die unsere Welt verändert haben.

 

Auch in den folgenden Jahrhunderten hielten immer wieder innovative Ideen und Ansätze in der Buchbranche Einzug: Lexika, die im 18. Jahrhundert als neue Gattung zu populären Nachschlagewerken avancierten; das Taschenbuch, das als neues Format nach dem Zweiten Weltkrieg zusätzliche Lesergruppen erschloss oder die E-Ink-Technologie, dank der augenschonendes und stromsparendes Lesen auf E-Book-Readern möglich wurde.

 

Die Beispiele zeigen, dass es dabei nicht immer um radikale Transformation geht, sondern ebenso kleine Veränderungen und Verbesserungen, auch inkrementelle Innovationen genannt, dazu beitragen, dass sich der Buchmarkt stetig weiterentwickelt. Doch vor dem Hintergrund der wachsenden Digitalisierung und immer kürzeren Produktlebenszyklen ist es notwendig, kontinuierlich in Produkt- und Prozess­innovationen zu investieren. Neue Gerätearten wie das Smartphone oder Strea­ming als neue Technologie haben sich innerhalb kürzester Zeit auf der ganzen Welt etabliert und verändern damit die Mediennutzung, also auch die Art und Weise, wie geschrieben, publiziert und gelesen wird. Für die Buchbranche liegt in dieser Entwicklung gleichermaßen Chance wie Herausforderung, der man am besten mit eigenen innovativen Lösungen begegnet. Der tiptoi-Stift von Ravensburger ermöglicht es, gedruckte Bücher mit Audioinhalten zum spielerischen Lernen anzureichern. Readfy, eine App, mit der E-Books durch Werbefinanzierung kostenlos gelesen werden können oder neobooks, eine Plattform, auf der Autoren Manuskripte hochladen, um von Lektoren und Lesern entdeckt zu werden, sind nur einige aktuelle Beispiele für Innovationen auf dem deutschen Buchmarkt.

 

Mit dem Ziel, neue Ideen und die Innovationskultur zu fördern, hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gemeinsam mit seinen Wirtschaftstöchtern in den letzten Jahren verschiedene Initiativen für den deutschen Buchmarkt ins Leben gerufen. Das derzeit größte Projekt ist der Accelerator CONTENTshift: Er unterstützt jährlich fünf Start-ups aus der Buch- und Medienbranche in einem dreimonatigen Programm mit Coachings, Workshops und Mentoren in ihrer Weiterentwicklung. Eine Jury bestehend aus Brancheninvestoren kürt seit 2016 aus diesen fünf Finalisten das Content-Start-up des Jahres. Zu den Gewinnern zählten in der Vergangenheit Papego, eine App, mit der sich gedruckte Bücher in digitaler Form mobil weiterlesen lassen und WriteReader, ein dänisches Start-up, mit dem Kinder ihre eigenen Bücher veröffentlichen können und auf diese Art beim Lesen- und Schreibenlernen gefördert werden. Von CONTENTshift profitieren nicht nur die Gründer, auch die Brancheninvestoren schätzen die Zusammenarbeit mit den Start-ups und den Austausch untereinander. Die Idee – eine Brücke zu schlagen zwischen Branchenexpertise und Gründergeist – verfolgt auch die seit 2014 stattfindende Eisbrecher-Tour des „startup club“ im Börsenverein. Bei Netzwerkabenden, die regelmäßig an wechselnden Orten in Deutschland stattfinden, stellen Start-up-Gründer ihre Geschäftsideen in kurzen Pitches vor. Im Anschluss können die Gäste aus Verlagen und Buchhandlungen Fragen stellen und mit den Gründern ins Gespräch kommen.

 

Aber auch die etablierten Unternehmen der Branche zeigen sich innovationsfreudig: Mit „Books on Demand“ setzt beispielsweise der Zwischenbuchhändler Libri auf neue Drucktechnologien, Skoobe, eine Art Spotify für Bücher, ist aus einem Joint Venture der beiden größten deutschen Publikumsverlagsgruppen Random House und Georg von Holtzbrinck entstanden und die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, eine Tochtergesellschaft des Börsenvereins, hat mit VLB-TIX eine Plattform entwickelt, über die Novitäten digital vermarktet und eingekauft werden können.

 

Egal ob Start-up oder etablierter Akteur, um innovativ zu sein, muss man offen sein für Veränderung und den Mut haben, Neues auszuprobieren – auch bei einem Kulturgut, das vor mehr als 500 Jahren erfunden wurde.

 

Weitere Informationen über die Innovationsangebote des Börsenvereins finden Sie unter www.contentshift.de.

 

Der Beitrag ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.


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