Iris Brandt - 4. September 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Buchmarkt

Aufmerksamkeit ist der Schlüssel zum Erfolg


Rechtehandel: Verlagsperspektive

Buchmessen-Samstag, 18 Uhr. Eine intensive Woche liegt hinter mir: Weit über 50 halbstündige Termine mit Buchmenschen aus aller Welt, Geschichten über Erfolge und Misserfolge, Berichte über aktuelle Entwicklungen einzelner Märkte und vor allem Gespräche über Bücher. Hier bahne ich Auslandslizenzen an, indem ich Auskunft über Autoren, Buchinhalte, Auszeichnungen, Verkaufszahlen, Presseecho, Marketing gebe. Ich schätze das Potenzial für fremde Märkte ein, vergleiche mit Konkurrenztiteln und überzeuge Verlage aus aller Herren Länder von unseren Büchern.

 

Als Rights & Contracts Director bin ich für zwei Bereiche zuständig. Mein Team und ich kümmern uns erstens um Einkaufsverträge, die nach Absprache mit dem Lektorat mit Urhebern – beispielsweise Autoren und Übersetzern – erstellt, verhandelt und geschlossen werden. Sie stellen die Grundlage für alle Aktivitäten des Verlags dar. Zum Zweiten betreuen wir den großen Bereich der Lizenzierung von uns anvertrauten Rechten. Hier geht es im Wesentlichen darum, Buchinhalte in andere Nutzungsformen zu bringen. Dies reicht von Kleinlizenzen, z. B. Abdruckgenehmigungen für Anthologien, über Hörbuch- und Rundfunkauswertungen bis hin zu Buchklubausgaben oder Dramatisierungen. Alles, was über unsere eigenen Ausgaben hinaus aus einem Buchinhalt gemacht werden kann, ist unser Metier.

 

Ein zentraler Bereich des Lizenzgeschäfts sind Übersetzungen. Sie tragen immerhin 30 Prozent zum Gesamtlizenzumsatz und acht bis zehn Prozent zum Gesamtumsatz bei und sind auch für unsere Autoren attraktiv. Sie erweitern den Kreis der Leserschaft über die eigenen Sprachgrenzen hinaus und sorgen für internationale Präsenz, die sich nicht selten in Einladungen zu Buchpräsentationen, Festivals und Presseterminen niederschlägt oder sogar in Nominierungen für Preise.

 

Für unser Programm deutschsprachiger Autoren, das vom literarischen Roman über anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur bis hin zu Krimis und Sachbüchern reicht, gibt es weltweit zahlreiche mögliche Lizenznehmer. Mit ihnen in Kontakt zu kommen ist unser Job und wir nutzen dafür verschiedenste Mittel und Wege. Klassische Instrumente, derer wir uns bedienen, sind Kataloge, Newsletter, Webseite. Wir kommunizieren dabei sowohl direkt mit Verlagen als auch indirekt über ein großes Netzwerk von exklusiven Agenten, Scouts und Multiplikatoren, wie Übersetzern oder Goethe-Instituten. Unsere Arbeitssprache ist meist Englisch. Spannend wird es übrigens, wenn ein oder gar mehrere Angebote für ein Werk eingehen. Dann wird verhandelt, gegebenenfalls eine Auktion angestoßen und in Absprache mit dem Autor oder seiner Agentur abgewogen und entschieden, der Vertrag ausgehandelt, ausgestellt und für die Dauer seiner Gültigkeit von uns betreut.

 

Die Herausforderungen sind enorm: Die Märkte werden enger, Etats für übersetzte Bücher kleiner, weniger internationale Kollegen lesen deutsch und weltweit konkurrieren viele Verlage um die begehrten Programmplätze für übersetzte Bücher. Ein Schlüssel für den Erfolg unserer Arbeit ist Aufmerksamkeit. Um diese zu erreichen, sind Kreativität, Flexibilität und umfassendes Wissen essenziell. Die Vorteile eines verlagseigenen Bereiches „Rechte & Lizenzen“ liegen deshalb auf der Hand: frühzeitiger und unkomplizierter Zugang zu Informationen, Zugriff auf das „Verlagsgedächtnis“, vernetztes Arbeiten mit Kollegen, kurze Entscheidungswege – um nur einige zu nennen.

 

Es sind in der Hauptsache aktuelle Bücher, die gerade erscheinen und Furore machen, die bei unseren internationalen Partnern Aufmerksamkeit erregen. Aber auch die Edelsteine, die beeindrucken, aber eher leise daherkommen, und ältere Titel, die bisher unverdientermaßen übersehen wurden, liegen uns am Herzen. Wir freuen uns über jedes Buch, das den Sprung in eine fremde Sprache schafft, denn jedes trägt zu kultureller Vielfalt bei.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.


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