Christian Entsfellner - 29. Oktober 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

100 Jahre Radio

Amateurfunk – dezentral und unabhängig


Drei Fragen an Christian Entsfellner vom Deutschen Amateur-Radio-Club

33.000 aktive Funkamateure engagieren sich im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC). Wie sich der Amateurfunk in Deutschland entwickelt hat und welche besondere Bedeutung ihm zukommt, erklärt der Vorsitzende des DARC, Christian Entsfellner.

 

Was macht der Deutsche Amateur-Radio-Club? Wer steht dahinter?

Im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC) haben sich über 33.000 aktive Funkamateure in Deutschland zusammengeschlossen, um den Amateurfunk auszuüben und zu fördern. Damit sind ca. 50 Prozent der deutschen Funkamateure in dem gemeinnützigen Verband organisiert und sprechen mit einer Stimme. Neben der Bündelung von Interessen, Aus- und Weiterbildungsangeboten, der Organisation von Funkwettbewerben, Antennen-Versicherungsleistungen, der Herausgabe einer monatlichen Clubzeitschrift und dem weltweiten Versand von Funkbestätigungskarten ist die wichtigste Tätigkeit sicherlich die Interessenvertretung gegenüber Politik und Verwaltung. Da in der heutigen mobilen Welt der Bedarf an drahtloser Kommunikation stetig zunimmt, ist es wichtig, die bestehenden Frequenzen für den Amateurfunkdienst zu erhalten oder gar neues nutzbares Spektrum hinzuzugewinnen.

 

Wie hat sich der Amateurfunk in Deutschland im Laufe der Geschichte entwickelt?

Besonders der Aspekt der technisch experimentellen Studien hat schon immer eine enorme Innovationskraft und technische Expertise der Funkamateure hervorgebracht. In den Anfangstagen des Radios gab es nur vereinzelte Rundfunksender und die Menschen saßen gespannt vor dem neuen – selbst gebauten – Gerät, um den Stimmen aus dem Äther zu lauschen. Die ersten privaten Sende-lizenzen wurden schon 1909 in den USA und Großbritannien ausgegeben. In den Folgedekaden feierte man viele Erfolge: 1921 entdeckten Funkamateure die Fernwirkung von Kurzwellen, 1923 die erste Transatlantikverbindung zwischen Nizza in Frankreich und Hartfort in den USA, 1935 wird die Einseitenband-Modulation in der Amateurfunkliteratur erstmals beschrieben. Die technischen Innovationen ließen sich an dieser Stelle lückenlos bis in die Neuzeit fortsetzen. Und das nicht nur terrestrisch, sondern auch weit über unseren Köpfen im Weltall: 1961 wurde der erste Amateurfunksatellit „OSCAR 1“ ins Weltall gebracht. OSCAR ist übrigens eine Abkürzung und bedeutet „Orbiting Satellite Carrying Amateur Radio“. Seit 2018 steht den Funkamateuren sogar ein geostationärer Satellit zur Verfügung, mit dem rund um die Uhr Funkamateure auf der halben Welt erreicht werden können. Überdies hat die Digitalisierung in den vergangenen Jahren vieles verändert. Mit den Betriebsarten „PSK31“ oder „FT8“ haben Funkamateure Verfahren zur digitalen Verständigung auf Kurzwelle entwickelt. Darüber hinaus ermöglicht die Software FreeDV sogar digitale Sprachübertragung über Kurzwelle. Die dazu nötige Sprachcodierung „Codec2“ entstammt natürlich ebenfalls der Feder eines Funkamateurs. Mit digitalen Betriebsarten wird auf Kurzwelle heute also weltweiter Funkbetrieb abgewickelt. Im UKW-Bereich sieht es ähnlich aus, hier sind über 600 digitale Relais in drei Digitalstandards aktiv und ermöglichen fast flächendeckenden Funkbetrieb.

 

Welche Bedeutung kommt Amateurfunk heute zu? Welche neuen Tendenzen zeichnen sich ab?

Neben dem gesellschaftlichen, völkerverbindenden Aspekt kommt dem Amateurfunk bis heute auch in der Krisenkommunikation bzw. beim Ausfall der kommerziellen infrastrukturellen Funktechnik eine zentrale Rolle zu. Ihre dezentrale und unabhängige Technik ist allzeit einsatzbereit. Funkamateure haben dabei die Funktechnik ohnehin stetig weiterentwickelt: Nach dem Morsen und Funksprechen haben weitere Betriebsarten Einzug in den Amateurfunk gehalten. Funkfernschreiben, Bildübertragung, breitbandige Datenübertragung, Funkverbindungen über Satelliten und Erde-Mond-Erde-Funkkontakte sind selbstverständliche Mittel der Kommunikation. Seit ein paar Jahren ist zudem ein eigenes Hochgeschwindigkeitsdatennetz der Funkamateure im Betrieb. Das sogenannte „Hamnet“ funktioniert ähnlich wie das Internet, ist aber ein für Funkamateure abgeschlossenes Netzwerk und basiert allein auf Link-strecken im Amateurfunk-Frequenzbereich. Das Abrufen von Webseiten, der Austausch von E-Mails und vieles mehr sind hier genauso möglich. Auch realisieren Funkamateure Funkkontakte zwischen Schulen und der Internationalen Raumstation ISS bzw. der Neumayer III-Station in der Antarktis. Funkamateure beweisen, dass das Medium Funk allgegenwärtig und gesellschaftsfähig ist. Jeder kommuniziert ständig drahtlos. Wir wissen damit umzugehen und tragen besonders in der heutigen Zeit dazu bei, dass die Gesellschaft diese grundlegende Technik in der modernen Kommunikationswelt korrekt anwendet und versteht.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.


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