10. September 2015 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Pressemitteilung

Raue Kulturdebatte im Bundestag: Zwischen Substanz und Hybris


Kulturhaushaltsdebatte 2016 im Deutschen Bundestag

Berlin, den 10.09.2015. Gestern verteidigte Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB in der Generaldebatte zum Haushalt der Bundeskanzlerin ihren Haushaltsentwurf 2016. Diese Bundestagsdebatte wurde von Kultur- und Haushaltspolitikern auch zur grundlegenden Auseinandersetzung mit der Kulturpolitik von Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB genutzt.

 

Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB (CDU) nutzte die Debatte, um zu unterstreichen, dass die aktuelle Flüchtlingssituation auch eine kulturpolitische Frage ist, weil, so Grütters, kulturelle Teilhabe eine der Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe ist. Sie verknüpfte dieses Thema mit dem Humboldt-Forum, das ein Zeichen für ein weltoffenes Deutschland und gleichberechtigtes Verständnis der Weltkulturen werden soll. Weiter kündigte Grütters einen Tarifausgleich bei den über Projekte geförderten Zuwendungsempfängern des BKM und einen Aufwuchs bei den Personalmitteln der Deutschen Welle an.

 

Sigrid Hupach, MdB (Die Linke) knüpfte an die geforderte kulturelle Teilhabe an und forderte mehr Mittel für kulturelle Bildung und Soziokultur ein. Sie lobte die Erhöhung der Personalmittel bei den von BKM geförderten Einrichtungen und erinnerte das Auswärtige Amt daran, die prekäre Bezahlung freier Mitarbeiter in den Goethe-Instituten zu verändern. Als unzureichend bezeichnete Hupach die vorgesehenen Finanzmittel zur Digitalisierung des Filmerbes sowie zur Archivierung der Originale. Ebenso trat sie für eine Erhöhung des Deutschen Filmförderfonds ein. Weiter bemängelte Hupach, dass zu viele kulturpolitische Vorhaben angekündigt und zu wenige mit Leben gefüllt werden.

 

Burkhard Blienert, MdB (SPD) sprach ebenfalls von der Bedeutung der kulturellen Teilhabe insbesondere für Flüchtlinge und sah hier besondere Aufgaben für die kulturelle Bildung. Ebenso lobte er die vorgesehenen Tarifsteigerungen bei BKM-geförderten Einrichtungen. Blienert nahm eine Forderung des Deutschen Kulturrates auf, dass die öffentliche Hand aber auch bei Honoraren für freiberufliche Künstler mit gutem Beispiel für angemessene Vergütungen vorangehen muss. Darüber hinaus mahnte er eine Nachfolgeregelung zur am 31.12. dieses Jahres auslaufenden Regelung zur Rahmenfrist beim ALG I bei kurz befristet Beschäftigten an. Die Novelle des Filmförderungsgesetzes sah er als Chance, den künstlerischen Output im deutschen Film zu stärken.

 

Anja Hajduk, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) ging mit Kulturstaatsministerin Grütters hart ins Gericht. Sie konzentrierte sich in ihrer Rede auf das geplante Museum der Moderne und warf Grütters ein falsches Rollenverständnis und politische Hybris vor. Dabei bezog sie sich auf die Festlegung des Standorts des Museums der Moderne durch Kulturstaatsministerin Grütters, die Gestaltung des Wettbewerbs sowie die Planung, das Museum in private public partnership zu bauen.

 

Rüdiger Kruse, MdB (CDU) erinnerte angesichts der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge daran, dass Deutschland eine lange Tradition als Auswanderungsland hat und dass nun in Deutschland Projekte und Initiativen zur kulturellen Integration unterstützt werden müssen. Hier sieht er besonders die Länder und Kommunen gefordert. Kruse unterstrich aber auch, dass kulturelle Teilhabe auch in breiten Schichten der restlichen Bevölkerung noch nicht selbstverständlich ist und hier noch weitere Anstrengungen erforderlich sind. Den Verantwortlichen in Kultureinrichtungen schrieb er ins Stammbuch, dass ihre Angebote anstößiger werden müssen. Konkret forderte er „Skandalausstellungen“ ein, die auch die Politik betreffen. Dabei sieht er die Kulturpolitiker in der Rolle von „Handwerkern“, die die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.

 

Ulle Schauws, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) nahm das Bild des Handwerkers auf, beklagte aber, dass in der Kulturpolitik des Bundes zwar viele Pläne, aber keine handwerklich guten Konzepte oder nachhaltige Strukturlösungen gemacht werden. Als „Paradebeispiel“ nannte sie die Diskussion um das Kulturgutschutzgesetz wie auch das Humboldt-Forum, von dem laut Schauws euphorisierte Superlative aber wenig Substanzielles vorhanden ist. Auch bei TTIP vermisste Schauws die aktuelle Stimme von Kulturstaatsministerin Grütters.

 

Eva Högl, MdB (SPD) mahnte einen übergeordneten Blick auf Kulturpolitik an, der auch die außenpolitische Situation in den Blick nimmt. Mit Blick auf die nun anstehenden Haushaltsberatungen formulierte sie die Erwartung an die Kulturberichterstatter im Haushaltsausschuss, dass sie, wie in den letzten Jahren, „noch eine Schippe“ beim Kulturetat drauflegen. Mit Blick auf das von Anja Hajduk angesprochene Museum der Moderne sieht sie die Würfel, was den Bau angeht, noch nicht gefallen. Gerade das Humboldt-Forum beweist ihres Erachtens, dass der Bund im Rahmen des Kosten- und Zeitplans bauen kann und dieses sollte in die Entscheidung einbezogen werden. Mit Blick auf das Kulturgutschutzgesetz mahnte sie bei den Kritikern mehr Sachlichkeit an.

 

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Die Kulturdebatten im Deutschen Bundestag werden zusehens rauer. War man in den letzten Legislaturperioden eine alle Fraktionen inklusive der Opposition umfassende positive Stimmung gewöhnt, wird nun deutliche Kritik artikuliert. Besonders die Standtortfrage beim neuen Museum der Moderne in Berlin, die Diskussion um das Kulturgutschutzgesetz und die Sprachlosigkeit der Kulturstaatsministerin beim TTIP wurden von der Opposition deutlich kritisiert. Diese Kritik ist überfällig, nicht weil es an der Arbeit der Kulturstaatsministerin besonders viel zu kritisieren gäbe, sondern weil die Bundeskulturpolitik ein immer selbstverständlicheres Politikfeld wird. Konstruktiver Streit ist Teil der Demokratie und eine Voraussetzung für die Entwicklung der besten kulturpolitischen Konzepte. Es ist gut, dass sich diese Erkenntnis im Deutschen Bundestag immer mehr durchsetzt.“


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