12. August 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 32: BDS ist gegen Kunstfreiheit


Themen im Newsletter:

 

1. BDS ist gegen Kunstfreiheit
2. Schwerpunkt zur documenta fifteen in Politik & Kultur
3. Der gamescom congress 2022
4. Einladung: Kultur in ländlichen Räumen
5. Förderpreis Junge Kulturförderung 2022
6. NEU: Vier x Kulturrat im WEB
7. Text der Woche: „Kampf der Wörter“ von Johann Hinrich Claussen
8. Zurück in die Mitte: Deutscher Kulturrat zieht um
9. Zum Schluss: Neues Infektionsschutzgesetz = Bürokratiemonster?

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Skandal um die Docuementa nimmt kein Ende. Die nächste Ausgabe von Politik & Kultur wird sich deshalb im Schwerpunkt mit dem „Fall Documenta 15“ beschäftigen.

 

Gestern veröffentlichte die Jüdische Allgemeine ein kleines Interview mit mir, dass ich mit Genehmigung der Zeitung hier in einem Auszug wiedergebe:

 

Jüdische Allgemeine: Herr Zimmermann, Sie haben kürzlich mitgeteilt, dass Sie der Deutsch-Israelischen Gesellschaft beigetreten sind. Dabei haben Sie darauf hingewiesen, dass der Kulturbereich per se nicht antisemitisch und israelfeindlich ist. Hat das jemand unterstellt?

 

Wir haben im Moment eine Stimmungslage im Kulturbereich, bei der sich viel im Nebel befindet. Die Klarheit, die es bei den wichtigen Fragen noch vor einigen Jahren gab, gibt es derzeit nicht. Und deshalb müssen wir diese wieder schaffen.

 

Sie haben in diesem Zusammenhang auch betont, es gebe eine Menge aufzuarbeiten. Was meinen Sie damit?

 

Der Antisemitismus-Skandal der documenta hat uns deutlich gemacht, dass wir dringend darüber sprechen müssen, wie der Kulturbereich zu Israel und zur BDS-Bewegung steht. Wir haben jetzt eher eine verquere Debatte über Kolonialismus versus Antisemitismus, bei dem der Kampf gegen den Antisemitismus zunehmend in den Hintergrund gedrängt wird. Das ist eine intellektuelle Schlussstrichdebatte. Ich denke, dass wir da inhaltlich Klarheit schaffen müssen.

 

Zentralratspräsident Josef Schuster meint, die antisemitische Ideologie der BDS-Bewegung werde im deutschen Kulturbetrieb verharmlost. Teilen Sie diese Auffassung?

 

Die teile ich. Im Kulturbetrieb heißt es oft, dass man nicht antisemitisch sei, aber über Israel doch mal das ein oder andere sagen müsse. Es gibt bei nicht wenigen Kulturschaffenden große Sympathien für die BDS-Bewegung. Doch BDS fordert den Boykott von israelischen Künstlerinnen und Künstlern und versucht, diesen auch durchzusetzen. Das zeigt, wie weit diese Bewegung von unserem kunstfreiheitlichen Denken entfernt ist. Eigentlich dürfte niemand im deutschen Kulturbetrieb diese Bewegung unterstützen, zumindest nicht, wenn er oder sie meint, dass die grundgesetzlich verbriefte Kunstfreiheit auch weiterhin eine Rolle spielen soll.

 

Ist also durch den Begriff der Kunstfreiheit nicht alles gedeckt?

 

Eindeutig nicht. Kunstfreiheit war nie fundamental, sie ist immer auch eingeschränkt worden. In jeder zivilisierten Gesellschaft gibt es Grenzen. Es muss immer über Kunstfreiheit verhandelt werden, auch das ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir haben im Grundgesetz ein ganz klares Statement des Gesetzgebers, dass die Kunst frei ist. Aber dort sind auch Einschränkungen beschrieben. Wir müssen stets darauf achten, dass sich der Kunstbereich so offen wie möglich ausleben kann, und da muss es auch Zumutungen geben können. Aber Antisemitismus ist eindeutig eine Grenze. Wer antisemitische Kunst produziert oder ausstellt, kann nicht mit dem Begriff der Kunstfreiheit argumentieren.

 

Der Kulturbereich muss aus dem Debakel der documenta 15 die richtigen Lehren ziehen. Der Kulturbereich muss sein Verhältnis zu der BDS-Bewegung klären. Der Kulturbereich muss sich gegen jede Form des Antisemitismus stellen. Und das alles muss er unter Wahrung der Kunstfreiheit erreichen. Eine wahrlich schwere Aufgabe. Ich hoffe, das wird gelingen.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Schwerpunkt zur documenta fifteen in Politik & Kultur

 

In der Ausgabe 9/22 widmet Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, dem Thema „Der Fall documenta fifteen“ einen ausführlichen Schwerpunkt.

 

Fragen, mit denen wir uns im genannten Schwerpunkt befassen werden, sind unter anderem: Wie konnte es überhaupt zum Fall documenta fifteen kommen? Macht die Postkolonialismusdebatte für Antisemitismus blind? Wie befasst sich der Kulturbereich mit der documenta fifteen – und wie positionieren sich einzelne Kulturakteure dazu? Ist der Kulturbereich antisemitisch? u.v.m.

 

Die Ausgabe wird bereits am 26. August vorab für die Leserinnen und Leser meines kulturpolitischen Wochenreportes in Netz abrufbar sein.

 


 

3. Der gamescom congress 2022

 

In der Bildung, der Industrie, im Gesundheitswesen oder im gesellschaftlichen Zusammenleben – von Games und Spiele-Technologien profitieren alle wirtschaftlichen und kulturellen Bereiche. Der gamescom congress zeigt, dass in Spielen weit mehr als Entertainment steckt.

 

Mit einem breiten Themenspektrum und Top-Speakern aus dem In- und Ausland ist der gamescom congress weit über die Games-Branche hinaus gefragt. Der gamescom congress findet am 25. August 2022 im Rahmen der gamescom statt – vor Ort in Köln und hier im Netz.

 

Programmtipp:

 

25. August • 14:00 – 15:00

 

Nach der Pandemie und vor dem Metaverse: Was braucht Kultur- und Kreativwirtschaft von der Politik?

 

Unter anderem mit:

 

  • Florian Drücke (Bundesverband Musikindustrie e.V.)
  • Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrat)

Moderation: Cassandra Nwosu

 

 

Leseempfehlung zum Thema:

 

Handbuch Gameskultur

  • Warum sind Games Kultur?
  • Können Computerspiele sogar Kunst sein?
  • Was haben Computerspiele mit Bildender Kunst, Theater, Musik, Literatur, Film zu tun?
  • Sind Games immer gewalthaltig?
  • Darf man Erinnerungskultur spielen?
  • Was haben Spiele mit Sport zu tun?
  • Und macht die Gamesbranche wirklich so viel Umsatz wie Hollywood?

 

Das Buch ist leider bereits vergriffen, kann hier aber als E-Book kostenfrei (pdf) geladen werden.

 


 

4. Einladung: „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“

 

Ländliche Räume tragen auf ganz unterschiedliche Weisen einen Großteil zum vielfältigen Kulturangebot in Deutschland bei. Wie aber dürfen wir uns die Zukunft ländlicher Räume im kulturellen Kontext vorstellen? Wie können wir kulturelle Infrastrukturen in ländlichen Räume stärken, sichtbar machen und vorhandene Potentiale nutzen und ausbauen?

 

Mit Blick auf diese Fragen veranstalten der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Deutsche Kulturrat die Mitte September stattfindende, zweitägige Konferenz „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“.

 

Datum: 14. & 15.09.2022
Ort: An den Speichern 10, 48157 | Münster-Coerde

 

Die 2-tägige, teilhybride Konferenz beleuchtet den Status Quo und die Entwicklungs­potenziale kultureller Strukturen ländlicher Räume. Ziel ist es, den aktuellen Diskurs zu kulturellen Infrastrukturen in Stadt und Land mit Fokus auf Letzterem abzubilden und ausgehend vom Beispiel Westfalen-Lippe den Blick auf die Bundesebene zu werfen.

 

Im Fokus steht die praktische Ausrichtung der Konferenz, die sich in erster Linie an Künstler und Künstlerinnen, Kulturschaffende, Kultureinrichtungen und Kulturverwaltungen richtet. Das Programm besteht aus Impulsen, und Podien sowie – an Tag 2 – aus Workshops und einer abschließenden Exkursion zum Center for Literature auf Burg Hülshoff.

 

 


 

5. Förderpreis Junge Kulturförderung 2022 unterstützt engagierten Nachwuchs in Kulturfördervereinen

 

Vom 8. August bis zum 17. Oktober 2022 können sich junge Kulturfördernde mit Ideen oder schon laufenden Projekten bewerben, die die Vereinsstrukturen nachhaltig stärken. Beispiele hierfür sind: Kampagnen zur Mitgliedergewinnung, Fundraising-Maßnahmen, die Digitalisierung des Vereinslebens oder die Weiterentwicklung des jungen Engagements, auch durch Neugründung junger Initiativen. Voraussetzung ist, dass die eingereichten Projekte von einem Team aus mindestens drei Personen im Alter von 18 bis 40 Jahren desselben Kulturfördervereins erdacht und in der Umsetzungsphase betreut werden.

 

Eine fachkundige Jury aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Fachgebiete der Kultur- und Engagementförderung sowie der Wirtschaftsberatung wählt das Gewinnerprojekt aus. Die Jury-Mitglieder:

 

  • Katrin Gildner, Gründerin, Onlineplattform erzähl davon
  • Prof. Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates und Präsident des Deutschen Kulturrates
  • Markus von Jan, Programmkoordinator „Nachwuchs gewinnen & binden“, Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt
  • Hana Kadrija, Junger Think Tank im DAKU
  • Yannick Lifka, Manager Growth Strategy, Capgemini Invent
  • Ulrike Petzold, Geschäftsführende Vorständin, DAKU Dachverband der Kulturfördervereine
  • Anna Schlottbohm, Referentin Digitales Engagement, Westfälischer Heimatbund

 

Weitere Informationen.

 


 

6. NEU: Vier x Kulturrat im WEB

 

Seit mehr als 25 Jahren ist kulturrat.de die Hauptseite des Deutschen Kulturrates. Alle Stellungnahmen, Pressemitteilungen und weitere Informationen über die Arbeitsweise des Kulturrates und seiner Gremien sind hier zu finden.

 

Aus der Zeitung ins Netz: Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, gibt es jetzt auch online unter: politikkultur.de.

Ab sofort sind dort tagesaktuelle Informationen, Interviews, Artikel, Porträts, Rezensionen und vieles mehr zur Kulturpolitik in Deutschland, Europa und der Welt verfügbar.

 

Die erste Ausgabe von Politik & Kultur ist 2002 erschienen. Pünktlich zum 20-jährigen Jubiläum der Zeitung des Deutschen Kulturrates erscheint nun politikkultur.de.

 

Unter kulturelle–integration.de stellt sich die Initiative kulturelle Integration vor. Auf der Webseite sind die 15 Thesen zu „Zusammenhalt in Vielfalt“ sowie Informationen zu den 28 Mitgliedern der Initiative aus Zivilgesellschaft, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Medien, Sozialpartnern, Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu finden.

 

Darüber hinaus informiert die Website über Jahrestagungen und Kooperationsveranstaltungen der Initiative und stellt spannende „Projekte der Woche“ und engagierte „Menschen des Monats“ vor.

 

Anlässlich der Fachtagung „Frauen in Führung“ launchte der Deutsche Kulturrat die neue Webseite frauen-in-kultur-und-medien.de. Auf dieser Webseite werden Aktivitäten rund um den Diskurs zur Gleichstellung in Kultur und Medien zusammenzutragen, unterschiedliche Akteurinnen, nationale und regionale Initiativen sichtbar gemacht und Studien vorgestellt.

 


 

7. Text der Woche: „Kampf der Wörter. Sprachliche Neubesinnung – auch für das Grundgesetz“ von Johann Hinrich Claussen

 

Die Auseinandersetzung mit Rassismus ist immer auch ein Kampf der Worte, nicht selten ein Ringen um Wörter. Ich finde es wichtig, dies nicht allein als einen Kulturkonflikt zu verstehen, was sich zwar nicht ganz vermeiden lässt, aber zu oft in sterile Unversöhnlichkeiten führt. Interessanter erscheint es mir, die Suche nach einer nichtrassistischen Sprache auch als eine kreative Aufgabe anzunehmen. Ihr wird man am ehesten mit Neugierde, Spielfreude, Sensibilität, Gesprächsbereitschaft und Toleranz gerecht.

 

Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland.

 

 


 

8. Zurück in die Mitte: Deutscher Kulturrat zieht um

 

Ende August/Anfang September zieht das Team des Deutschen Kulturrates – nach einer kurzen Übergangszeit am Ostkreuz – zurück nach Berlin-Mitte:

 

in die

Chausseestraße 10
10115 Berlin.

 

Unser neues Büro liegt direkt gegenüber den berühmten Dorotheenstädtischen Friedhof. Er ist 17.000 Quadratmetern groß und steht vollständig unter Denkmalschutz. Zahlreiche bedeutende und prominente Persönlichkeiten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Unter ihnen: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottlieb Fichte, Heinrich Mann, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Helene Weigel, Egon Bahr, Thomas Brasch, Paul Dessau, Steffy und Hanns Eisler, John Heartfield, Ernst Litfaß, Herbert Marcuse und Johannes Rau.

 

Der Bahnhof Friedrichstraße und der Berliner Hauptbahnhof liegen in unmittelbarer Umgebung.

 


 

9. Zum Schluss: Neues Infektionsschutzgesetz = Bürokratiemonster?

 

Bundesminister für Gesundheit Prof. Karl Lauterbach und Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann haben Eckpunkte für das neue Infektionsschutzgesetz vorgelegt. Darin soll festgelegt werden, dass die Länder weitergehende Regelungen auch für den Kulturbereich erlassen können. Dazu gehört auch die Verpflichtung zum Tragen von Masken in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Eine zwingende Ausnahme soll im Infektionsschutzgesetz für Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, sowie in Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in gastronomischen Einrichtungen vorzusehen sein: Keine Maskenpflicht für alle die über einen Testnachweis verfügen oder genesen sind (Genesenennachweis; es gilt eine 90 Tage-Frist) oder die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt. Wer soll das denn kontrollieren? Wir werden uns gegen ein solches Bürokratiemonster wehren.


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