30. Oktober 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 44: Bundeskulturministerium, Lockdown, Offener Brief an Till Brönner, 2. Kulturpolitischer Salon, ...


... Corona-Krise: Was wird für die Kultur getan?, Neuerscheinung: Politik & Kultur, Symposium: Von der Kunst zu leben, Text der Woche, Zur Person, Chemnitz wird Kulturhauptstadt 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einem Jahr werden höchstwahrscheinlich die Verhandlungen über die nächste Bundesregierung noch im vollen Gange sein. Schwarz-Grün, Grün-Rot-Gelb, oder wie auch immer. Die neue Bundesregierung muss die Frage klären, ob jetzt endlich die Zeit für ein echtes Bundeskulturministerium gekommen ist.

 

Vor dann 23 Jahren wurde das Amt der Beauftragten der Bundesregierung im Bundeskanzleramt geschaffen. Der Deutsche Kulturrat hatte eine Stärkung der Bundeskulturpolitik im Bundestagswahlkampf 1998 gefordert. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte dann noch im Wahlkampf Michael Naumann als ersten Bundeskulturbeauftragten in sein Schattenkabinett berufen.

 

Mit der Regierungsbildung wurde dann durch die Schaffung des Amtes des Kulturbeauftragten im Bundeskanzleramt ein großer Schritt zu kulturpolitischer Normalität im vereinigten Nachkriegsdeutschland getan.

 

Am Anfang waren große Widerstände bei den Bundesländern zu überwinden. Rot-Grün startete damals den Neuanfang, die Union überwand ihre anfängliche Zurückhaltung und übernahm den Staffelstab ab 2005. Längst haben auch die meisten Bundesländer ihren Frieden mit der neuen sichtbaren und erfolgreichen Bundeskultur gemacht.

 

Doch noch immer leisten wir uns eine unzeitgemäße Trennung zwischen der Außen- und der Innenkulturpolitik. Die erste im Auswärtigen Amt, die zweite im Bundeskanzleramt. Wir haben zwei Kulturstaatsministerinnen, eine fürs Innere, die andere fürs Äußere. Und dass, obwohl es immer schwerer wird, die beiden Politikbereiche sinnvoll zu trennen.

 

Europa prägt die kulturpolitischen Rahmenbedingungen für Deutschland massiv vor, ist die europäische Kulturpolitik Außen- oder Innenkulturpolitik. Oder die Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit und die längst überfällige Rückgabe von Raubkunst: Außen- oder Innenkulturpolitik?

 

Internationale Handelsabkommen mit ihren weitreichenden Wirkungen auf den gesamte nationalen Kulturbereich: Außen oder Innen? Und die Deutsche Welle, unser Auslandsrundfunk ressortiert nicht im Außenministerium, wie man meinen könnte, sondern im Bundeskanzleramt.

 

Die nächste Bundesregierung wird sich entscheiden müssen, ob nach dann 23 Jahren der nächste Schritt zu einem vollwertigen Kulturministerium auf Bundesebene, ohne Trennung zwischen Innen und Außen, gegangen wird. Die Weichen für diese Entscheidungen werden in den nächsten Monaten in den Parteizentralen gestellt. Im November 2021 wissen wir mehr!

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS Lesen Sie zur spannenden Geschichte der Bundeskulturpolitik unser Buch „Wachgeküsst: 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998 – 2018

 


 

Lockdown: Es geht gar nicht in erster Linie um den Kulturbereich. Wir sind ein Kollateralschaden, um anderes zu erreichen

 

Im November sollen die Kultureinrichtungen im Teil-Lockdown Corona-bedingt erneut schließen. Dann heißt es für einen Monat wieder: Keine Kinos, keine Theater, keine Konzerte, keine Museen und, und, und.

 

Was bedeutet der sogenannte „Lockdown light“ für die Kultur? Der Deutsche Kulturrat sieht die Kulturbranche als Kollateralschaden und warnt vor kultureller Entwöhnung.

 

Lesen oder horen Sie das Interview von Thomas Bille mit Olaf Zimmermann hier nach.

 


 

Offener Brief an Till Brönner vom 29.10.2020

 

Lieber Till Brönner,

 

herzlichen Dank für Ihr deutliches Statement zu den bedrückenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Kulturbereich. Es ist sehr wichtig, dass die unmittelbar Betroffenen sich deutlich zu Wort melden.

 

Fast allen Ihren Ausführungen kann ich mich anschließen. Der jetzt beschlossene neuerliche Lockdown für den Kulturbereich ist sehr schmerzhaft und für sehr viele Kulturschaffende existenzbedrohend. Wir ringen deshalb mit der Politik darum, zumindest eine einigermaßen angemessene finanzielle Entschädigung sicher zu stellen. Und wir konnten in den letzten Monaten auch wichtige Unterstützungsmaßnahmen für den Kulturbereich anregen, wie u. a. das eine Milliarde Euro große spezielle Kulturinfrastrukturprogramm „Neustart Kultur“.

 

Auch deshalb haben mich Ihre Äußerungen über die fehlende Interessenvertretung im Kulturbereich sehr irritiert. Sie sagen in Ihrem Statement: „Wir in der Veranstaltungs- und Kulturbranche sind noch immer zu leise, weil wir keine ernstzunehmende Gewerkschaft haben.“

 

Der Kulturbereich hat gute Interessenvertretungen, allein den acht Sektionen des Deutschen Kulturrates gehören 261 Bundeskulturverbände an, das sind Berufsverbände, Gewerkschaften, Verbände der Kultureinrichtungen und Kulturwirtschaftsverbände, die mit großem Engagement die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Aber natürlich könnten die Berufsverbände und Gewerkschaften sicher noch mehr Gehör in der Politik und in der Öffentlichkeit erhalten, wenn mehr bekannte Künstlerinnen und Künstler sich in diesen Verbänden engagieren und Verantwortung übernehmen würden.

 

Lieber Herr Brönner,

 

am Ende Ihres Statements sagen Sie: „Aufwachen und zeigen, dass wir verstanden haben.“ Ich freue mich in diesem Sinne auf Ihre zukünftigen Aktivitäten in einem der Kulturverbände oder vielleicht wollen Sie sogar einen neuen Verband gründen. Wie auch immer, gemeinsam sind wir noch stärker.

 

Herzliche Grüße

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 


 

Welche Folgen haben die Corona-Maßnahmen für die Schauspielerinnen und Schauspieler, für die Musiker und Sängerinnen?

 

Beim 2. Kulturpolitischen Salon am 25. Oktober im Deutschen Theater diskutierten über diese und andere Fragen:

 

Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters Berlin und Präsident des Deutschen Bühnenvereins
Jörg Königsdorf, Chefdramaturg der Deutschen Oper Berlin
Anne Lenk, Regisseurin
Moderation: Hans Dieter Heimendahl

 

Der Kulturpolitische Salon ist ein Diskussionsforum in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bühnenverein, dem Deutschen Kulturrat, dem Deutschen Theater Berlin und Deutschlandfunk Kultur.

 

Horen Sie das Gespräch hier nach.

 


 

Aktualisiert! Corona-Krise: Was wird für die Kultur getan?

 

Hier finden Sie Informationen zu den Maßnahmen des Bundes für Solo-Selbständige und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.

 

Bitte beachten Sie, dass der Bewerbungsschluss für viele Maßnahmen zur Unterstützung pandemiebedingter Investitionen aus dem Programm Neustart Kultur am 31.10.2020 endet.

 

 

Hier finden Sie Informationen zu den Maßnahmen der einzelnen Bundesländer im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

 

Hier finden Sie zusätzlich eine tabellarische Übersicht der Länderhilfen (Stand 12.10.2020).

 


 

Neuerscheinung: Politik & Kultur November 2020

 

Themen der Ausgabe:

 

  • Der freundliche Nachbar
    Bürgerschaftliches Engagement vor Ort – und überall
  • Kulturfinanzierung
    Die Erosion der kommunalen Kultur beginnt: Bund und Länder müssen sie jetzt gemeinsam aufhalten
  • Neustart Kultur
    Corona vs. Kultur: Wie unterstützen die Kulturförderfonds Kulturschaffende im Rahmen des BKM-Zukunftsprogramms?
  • Kulturgut & Naturerbe
    Politischer Weckruf jetzt: Gesetze zum Denkmal- und Kulturgutschutz bedrohen das paläontologische Naturerbe
  • Sudan
    Kunst als Förderin des Wandels im Sudan: Wie ist es aktuell um die Kulturszene des Landes im Umbruch bestellt?

 

Weitere Themen:

 

Zukunft der Kultur- und Kreativwirtschaft, Kunstschaffende in Schulen, Innovationsfähigkeit der Kultur, Digitalpakt 2.0, Verwertungsgesellschaften, Monika Maron & S. Fischer Verlage, Gameskultur, Game „Sea of Solitude“, Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Ulrich Khuon & Harald Siebler im Porträt, Kulturvermittlung & Opposition in der DDR u.v.m.

 

 


 

Von der Kunst zu leben – Die wirtschaftliche und soziale Situation Bildender Künstlerinnen und Künstler

 

Symposion am 13. November 2020 von 14.00 bis 18:30 Uhr live aus der Akademie der Künste

 

Die druckfrische Expertise mit den Ergebnissen der diesjährigen BBK-Umfrage belegt einmal mehr: Für sehr viele Künstler*innen war die Lage schon vor Corona prekär – die Pandemie hat sie massiv verschärft. Grundübel ist die oftmals fehlende, fast immer zu geringe Vergütung künstlerischer Leistungen.

 

Auch wenn im Lockdown vielen bewusst wurde, was einer Gesellschaft ohne Zugang zu Kunst und Kultur fehlt, sind es gerade auch Künstlerinnen und Künstler, deren berufliche Existenz besonders von Kürzungen und Ausfällen bedroht ist.

 

Das BBK-Symposion „Von der Kunst zu leben“ geht den Fakten auf den Grund und sucht Lösungsansätze für die Zukunft:

 

  • Wie kann es besser gelingen, künstlerisches Einkommen zu generieren, künstlerische Leistungen angemessen zu vergüten?
  • Welche Instrumente können Künstler*innen wirksam sozial absichern und
    Altersarmut verhindern?
  • Was sind der Gesellschaft Kunst und Kultur wert?

 

Impulse von Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung), Eckhard Priller (Autor der Expertise „Von der Kunst zu leben“), Claudia Cornelsen (Autorin von „Was würdest du tun? Wie uns das bedingungslose Grundeinkommen verändert“)

 

Mit ihnen diskutieren Rainer Eisch (Künstler), Bianca Müllner (Künstlerin und Vorsitzende des BBK Hamburg), Dagmar Schmidt (Künstlerin und Vorsitzende des BBK-Bundesverbands), Martina Schuegraf (Medienwissenschaftlerin), Olaf Zimmermann (Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats)

 


 

Text der Woche: Susanne Keuchel „Digitalpakt 2.0 – Skizze für den Aufbau analog-digitaler Bildungslandschaften“

 

Die Corona-Pandemie zeigte die Dringlichkeit digitaler Transformation von Bildungsprozessen. Der Digitalpakt Schule mit einer Fördersumme von 5 Milliarden Euro sollte ein Schritt in diese Richtung sein. Der Mittelabruf innerhalb der 16 Bundesländer verlief bisher eher schleppend. Eine Ursache wurde in der Notwendigkeit der Einreichung eines Medienkonzepts der Schulen als Grundvoraussetzung für eine Mittelbeantragung gesehen. Aber vielleicht war es vielmehr der technokratische Ansatz der Digitalisierung von Bildung innerhalb des Programms, der mit dafür verantwortlich gewesen ist, dass die digitale Transformation von Schule bisher nicht gelungen ist.

 

Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

Zur Person

 

Kai Röhrbein ist neuer Vorsitzender des Verbands Deutscher Lokalzeitungen

 

Der Geschäftsführer der Walsroder Zeitung, Kai Röhrbein, ist Anfang September vom Vorstand und Aufsichtsrat des Verbands Deutscher Lokalzeitungen (VDL) zum neuen Vorsitzenden beider Gremien gewählt worden. Er folgt auf Robert Dunkmann, Ostfriesische Nachrichten, der sich nicht mehr zur Wahl stellte. Zur stellvertretenden Vorsitzenden wurde erneut Inken Boyens gewählt, Verlegerin der Dithmarscher Landeszeitung aus Heide. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt die Interessen von rund 80 kleineren und mittleren Tageszeitungen mit insgesamt rund fünf Millionen Leserinnen und Lesern.

 

Anne Weber erhält den Deutschen Buchpreis 2020

 

Mit dem Deutschen Buchpreis zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels den deutschsprachigen Roman des Jahres aus. In diesem Jahr erhält Anne Weber die Auszeichnung für ihren Roman »Annette, ein Heldinnenepos«, der die Geschichte einer Widerstandskämpferin erzählt. »Die Kraft von Anne Webers Erzählung kann sich mit der Kraft ihrer Heldin messen«, lautete die Begründung der Jury. Es sei »atemberaubend, wie frisch hier die alte Form des Epos klingt«. Die Preisträgerin wurde in mehreren Auswahlstufen ermittelt. Seit Ausschreibungsbeginn haben die sieben Jurymitglieder 206 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2019 und dem 15. September 2020 erschienen sind. Die Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Preises fand aufgrund der Corona-Pandemie ohne Publikum als Livesendung aus dem Frankfurter Römer statt.

 

Deutscher Jugendliteraturpreis 2020 verliehen

 

Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat am 16. Oktober die Gewinnerinnen und Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises 2020 bekannt gegeben. Nominiert waren 29 Werke, die sich an Kinder ab zwei Jahren und an Jugendliche wenden. Der Preis wurde, wie auch in den vergangenen Jahren, in mehreren Sparten vergeben. Eine Kritikerjury hat über die Preisträgerinnen und Preisträger entschieden. Zu den Gewinnern zählen: Mac Barnett und Jon Klassen (Bilderbuch), Will Gmehlings (Kinderbuch), Dita Zipfel (Jugendbuch) und David Böhm (Sachbuch). Den Preis der Jugendjury erhielt Sarah Crossan für »Wer ist Edward Moon?«. Außerdem wurden zwei Sonderpreise verliehen, an die Autorin Cornelia Funke für ihr Gesamtwerk sowie an Rieke Patwardhan als Neues Talent.

 

Patrick Schmeing wird Direktor des Leipziger Mendelssohn-Hauses

 

Patrick Schmeing verlässt die Bundeskunsthalle in Bonn zum 1. April 2021, um als neuer Geschäftsführender Vorstand und Direktor die Leitung der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung und des Mendelssohn-Hauses in Leipzig zu übernehmen. Schmeing, der im Mendelssohn-Haus auf Jürgen Ernst folgt, der zum 31. März in den Ruhestand geht, ist seit dem 1. Januar 2018 Kaufmännischer Geschäftsführer der Bundeskunsthalle. Zuvor war er für das Gürzenich-Orchester Köln, das Gewandhaus und Gewandhausorchester Leipzig sowie die Bertelsmann Stiftung tätig. Seine Nachfolge in der Position des Kaufmännischen Geschäftsführers der Bundeskunsthalle soll zeitnah ausgeschrieben werden.

 


 

Chemnitz wird Kulturhauptstadt 2025 – Deutscher Kulturrat gratuliert

 

Der Deutsche Kulturrat gratuliert Chemnitz zur Empfehlung der europäischen Jury für den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2025“ in Deutschland. Im Wettbewerbsverfahren hat sich die sächsische Stadt gegen die in der Vorauswahl erfolgreichen Konkurrenten Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg durchgesetzt. Neben den genannten Städten hatten sich auch Dresden, Gera und Zittau beworben.

 

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Die Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger und besonders die Kulturschaffenden haben sich nicht unterkriegen lassen – auch nicht nach den schrecklichen Ereignissen des Sommers 2018, als der rechte Pöbel durch die Stadt zog. Sie haben mit vielen Aktionen belegt, dass sie eine vielfältige, lebendige Stadt sind, die sich mit ihren Brüchen auseinandersetzt. Chemnitz steht für Aufbrüche, so auch das Motto ihrer Bewerbung. Die Chemnitzer Bewerbung stach heraus, weil sie zeigt, dass Veränderungen nicht nur mit Verlusten, sondern mit Neuem, mit einer Zukunft verbunden sind. Das ist ein Geist, der auf Europa übertragbar ist. Herzlichen Glückwunsch, Chemnitz!“


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