16. September 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 37: Heute vierte(!) Eröffung das Humboldt Forums


Themen im Newsletter:

  1. Heute vierte(!) Eröffung das Humboldt Forums
  2. Antisemitismusskandal: Die documenta braucht neue Strukturen
  3. Hörempfehlung Sonntag 11 + 20 Uhr auf rrb24: Energiekrise – Kalter Winter für die Kultur?
  4. Neues Hygienezertifikat für Kulturveranstalter und Kultureinrichtungen
  5. Zukunft(s)land: Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen
  6. Einladung zur Verleihung des Deutschen Kulturpolitikpreises an Bénédicte Savoy
  7. Ab Sonntag: CETA-Aktionstage
  8. Politik & Kultur 9/22
  9. Text der Woche: „¡Hola! Spanien ist Gastland der Buchmesse“ von Klaus-Dieter Lehmann

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

heute werden die politisch Mächtigen noch einmal im Schloss Hof halten und mit einer vierten Eröffnung das Humboldt Forum in Berlin vollständig eröffnet. Sicher ist, dass auch nach der heutigen, dann vollständigen Öffnung des Hauses, die Diskussionen um die Struktur und die inhaltliche Ausrichtung des Humboldt Forums nicht abreißen wird. So schreibt zum Beispiel Jörg Häntzschel heute in der Süddeutschen Zeitung einen bitteren Kommentar über das Fragwürdige Konzept des Humboldt Forums.

 

„Jetzt steht es hier, was nun?“, fragte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung der ethnologischen Sammlungen über das rekonstruierte Preußenschloss schon vor einem Jahr. Es ist, so sagte es der Bundespräsident auch vor einem Jahr, „provozierend unfertig“. Am Schluss seiner damaligen Rede sagte er, dass es jetzt an uns allen liege, das Humboldt Forum mit Sinn und Debatte zu füllen. So ist es.

 

Aber, leider wird die organisierte Zivilgesellschaft in das Großprojekt Humboldt Forum nicht eingebunden. Das ist bis heute einer der tieferen Gründe für die unübersehbaren inhaltlichen Probleme des Hauses.

 

Der Deutsche Kulturrat wird trotzdem noch in diesem Jahr eine umfangreiche Positionierung zum Humboldt Forum vorlegen. Wir werden unser Augenmerk auf die strukturellen Probleme des Forums lenken und hoffen damit einen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der unterschiedlichen Akteure im Humboldt Forums zu leisten.

 

Uns ist das Humboldt Forum nicht egal, deshalb werden wir weiterhin für seine Verbesserung streiten. Die vierte Eröffnung muss ja nicht die letzte sein, vielleicht braucht es eine 5, 6, …?

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Antisemitismusskandal: Die documenta braucht neue Strukturen

 

Nach erneuten Antisemitismus-Diskussionen rund um die documenta habe ich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk eine Neuorganisation der Kassler Kunstaustellung gefordert. Das Kuratorenteam „Ruangrupa“ hat die documenta vor die Wand gefahren. Es kann nicht sein, dass niemand die Verantwortung für die Ausstellung übernimmt.

 

Kurze Ausschnitte aus dem Gespräch:

 

Ein Schatten über der Documenta Tobias Armbrüster (DLF) im Gespräch mit Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat „Informationen am Morgen“, 14.9.2022, 8:10 Uhr

 

Armbrüster: Herr Zimmermann, braucht Kunst mehr Kontrolle?

 

Zimmermann: Nein, Kunst braucht nicht mehr Kontrolle und Kunst ist auch frei. Aber wenn Kunst keine staatliche Kontrolle haben will – und das wollen wir unter keinen Umständen, dann müssen die für eine Kunstausstellung Verantwortlichen selbst schauen, unter welchen Bedingungen eine solche Ausstellung stattfindet, und das ist ja das große Dilemma bei der documenta. Das heißt, die verantwortlichen Kuratorinnen und Kuratoren, die Künstlergruppe ruangrupa, verweigert sich ja selbst der, wenn man so will, Selbstorganisation oder Selbstkontrolle.

 

 

Armbrüster: Jetzt wirft das Künstlerkollektiv, Sie haben es selber gesagt, der deutschen Kulturpolitik selbst wieder Rassismus vor. Können Sie das verstehen?

 

Zimmermann: Nein, muss ich Ihnen ganz offen sagen. Das Künstlerkollektiv ist eingeladen worden. Das Künstlerkollektiv hat in einer Freiheit gearbeitet, wie, glaube ich, selten Kuratorinnen und Kuratoren in einer Ausstellung arbeiten können. Das Künstlerkollektiv hat diese documenta vor die Wand gefahren. Das muss man, finde ich, auch mal sehr deutlich sagen. Und das Künstlerkollektiv hat besonders den Anspruch nicht erfüllt, einen Dialog zu führen. Das ist ja das, mit dem dieses Künstlerkollektiv angetreten ist, und gesagt hat: Wir wollen miteinander diskutieren. Sondern die machen genau das Gegenteil. Sie machen die Tür zu und jetzt am Schluss holen sie den Holzhammer raus und sagen, jede Kritik an uns ist Rassismus. Ich sehe das überhaupt nicht so.

 

 

Armbrüster: Herr Zimmermann, bei dieser documenta ist jetzt das große Thema – wir haben es beschrieben – Antisemitismus, Israel-Feindlichkeit, Juden-Feindlichkeit. Das sind die großen Vorwürfe. Wie groß ist die Gefahr, dass es bei künftigen documentas ebenfalls wieder solche Debatten geben könnte, die dann auch wieder die documenta in einem schlechten Licht dastehen lassen, dann möglicherweise nicht Antisemitismus, vielleicht geht es beim nächsten Mal um Rassismus oder vielleicht um Gender-Gerechtigkeit, viele Reizbegriffe, viele Reizworte, die immer wieder zu Kontroversen führen?

 

Zimmermann: Erst mal, glaube ich, ist es die Aufgabe der documenta, auch Auseinandersetzungen zu führen, auch zu provozieren. Das hat sie auch immer gemacht, das wird sie auch in der Zukunft machen. Bei dem Thema Antisemitismus – ich glaube, das muss man auch klar sehen und das hätte auch der Künstlergruppe klar sein müssen – haben wir in Deutschland (und zwar richtigerweise) eine besondere Sensibilität, weil wir sind nun mal hier in Deutschland, und zwar in dem Land, in dem der Holocaust stattgefunden hat. Darauf muss auch in einer besonderen Art und Weise reagiert werden. Dass das nicht passiert ist, ist das große Problem, und wir müssen schauen, dass die zukünftigen documenten nicht unter einem, ich sage mal, Vorbehalt stehen, und natürlich müssen die Künstlerinnen und Künstler auch in den zukünftigen documenten frei denken können. Aber es gibt in Deutschland und ich finde auch richtigerweise gibt es in Deutschland Grenzen und Antisemitismus und auch Israel-Feindlichkeit gehört zu den Grenzen, die wir, finde ich, in Deutschland nicht dulden können.

 

 


 

3. Hörempfehlung Sonntag 11 + 20 Uhr auf rrb24: Energiekrise – Kalter Winter für die Kultur?

 

Energieknappheit, klamme öffentliche Kassen, das Dauerthema Corona: Was kommt auf Kulturakteure und Kulturveranstalter in diesem Winter zu? Und mit welchen Ideen stemmen sie sich dagegen? Darüber sprach Harald Asel mit seinen Gästen am Montag, den 12. September 2022 im Friedrichstadt-Palast Berlin.

 

Manche können sie schon gar nicht mehr hören, die täglichen Appelle zum Energiesparen. Doch was für private Haushalte ärgerlich ist, wird für Kulturinstitutionen zur Existenzfrage. Bei akuten Versorgungsengpässen werden sie nicht vorrangig behandelt. Muss das Publikum den Brennstoff am Ende selber mitbringen?

 

Die steigenden Energiekosten bringen auch die Träger der Kultureinrichtungen an ihre Grenzen. Kultur zählt bekanntlich zu den freiwilligen Leistungen, die sich eine Kommune auch leisten können muss. Mit welchen Erfahrungen aus der Coronazeit lässt sich gegensteuern?

 

Gleichzeitig legt sich eine trübe Stimmung wie Mehltau über das Land. Wenn auch an der Weihnachtsbeleuchtung gespart wird, braucht es erst recht kulturelle Impulse, um eine Gesellschaft zusammenzuhalten. Und Menschen, die daran professionell arbeiten können. Welche Ideen gibt es?

 

Mit:

 

  • Uwe Lübking, zuständig für Arbeitsmarktpolitik | Kultur | Bildung | Sport bei Deutscher Städte- und Gemeindebund
  • Laura Neugebauer, Vorsitzende im Ausschuss für Kultur und Europa im Berliner Abgeordnetenhaus
  • Berndt Schmidt, Intendant und Geschäftsführer des Friedrichstadtpalastes
  • Menekse Wenzler, stellvertretende Direktorin und Verwaltungsdirektorin der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

Moderation Harald Asel.

 

  • Die Diskussion wird am Sonntag, den 18. September 2022, ab 11:00 Uhr sowie ab 20:00 Uhr in einer Länge von knapp einer Stunde in der Reihe „Das Forum“ bei rbb24 ausgestrahlt.

 

Eine Veranstaltung des Deutschen Kulturrates und des Friedrichstadt-Palast Berlin, zusammen mit rbb24 Inforadio.

 

 

Mehr zum Thema:

 

Positionen und Pressemitteilungen des Deutschen Kulturrates zum Thema:

 

 

Von der Kultur für die Kultur:

 

 

  • Weitere tagesaktuelle Informationen finden Sie hier!

 


 

4. Neues Hygienezertifikat für Kulturveranstalter und Kultureinrichtungen: „Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung der Branche“

 

Seit gestern können Kulturveranstalter und Betreiber von Kultureinrichtungen ein neu geschaffenes Zertifikat über die Hygiene in ihren Räumlichkeiten beantragen. Die Antragstellenden durchlaufen ein Zertifizierungsverfahren, in dessen Rahmen die Einhaltung fundamentaler Hygiene- und Lüftungsmaßnahmen von einem Expertenteam überprüft wird. Mit dem neuen Zertifikat wird bestätigt, dass die Hygienevorgaben eingehalten sind und das Risiko aerosolbasierter Infektionen wie beispielsweise mit COVID-19 in den geprüften Räumen allenfalls minimal ist.

 

Das Zertifikat richtet sich in erster Linie an Kulturveranstaltungsorte mit sitzendem Publikum wie Theater, Konzert- und Opernhäuser sowie Kinos. Mit einer Urkunde und einem Logo können erfolgreich zertifizierte Einrichtungen vor Ort und in ihrer Online-Kommunikation über die erfolgreiche Prüfung informieren. Vergeben wird das Zertifikat von der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft, einem der ältesten Berufsverbände Deutschlands (DTHG).

 

 


 
5. Zukunft(s)land: Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen

 

Ländliche Räume tragen auf ganz unterschiedliche Weisen einen Großteil zum vielfältigen Kulturangebot in Deutschland bei. Wie aber dürfen wir uns die Zukunft ländlicher Räume im kulturellen Kontext vorstellen? Wie können wir kulturelle Infrastrukturen in ländlichen Räume stärken, sichtbar machen und vorhandene Potentiale nutzen und ausbauen?

 

Mit Blick auf diese Fragen veranstalteten der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Deutsche Kulturrat am 14. und 15. September die zweitägige Konferenz „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“.

 

  • Teile der Konferenz können am 9. Oktober im Kulturpolitischen Forum von WDR3 nachgehört werden. Weitere Informationen folgen in Kürze.

 


 

6. Einladung zur Verleihung des Deutschen Kulturpolitikpreises an Bénédicte Savoy

 

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, ehrt Prof. Dr. Bénédicte Savoy mit dem Deutschen Kulturpolitikpreis.

 

Als Bezieherinnen und Bezieher des kulturpolitischen Wochenreportes sind Sie herzlich zur Verleihung des Deutschen Kulturpolitikpreises des Deutschen Kulturrates an Prof. Dr. Bénédicte Savoy am Mittwoch, den 21.09.2022 um 18.00 Uhr in den Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin, Unter den Linden 8, 10117 Berlin eingeladen.

 

Nach der Begrüßung durch den Generaldirektor der Staatsbibliothek zu Berlin Prof. Dr. Achim Bonte und den Präsidenten des Deutschen Kulturrates Prof. Christian Höppner wird der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Prof. Dr. Christoph Markschies die Laudatio halten.

 

Medienpartner bei der Verleihung des Deutschen Kulturpolitikpreises sind die ARD-Kulturradios. Kooperationspartner bei der Verleihung ist die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz.

 

 


 

7. Ab Sonntag: CETA-Aktionstage

 

Machen Sie mit bei den bundesweiten dezentralen CETA-Aktionstagen in der Woche vom 19. – 24. September 2022!

 

Das Handels- und  Investitionsschutzabkommen CETA steht wieder auf der politischen Agenda: Die Ampelparteien haben angekündigt, CETA nach der Sommerpause durch den Bundestag zu bringen. Die weltweiten ökologischen und sozialen Krisen verschärfen sich – nicht zuletzt wegen einer rücksichtslosen Außenwirtschafts- und Investitionspolitik. Ausgerechnet jetzt soll CETA durch den Bundestag gepeitscht werden. Das nehmen wir nicht hin.

 

Unser Ziel ist klar: Wir wollen die Ratifizierung von CETA stoppen!

 

Zum ganzen Aufruf

 

 


 

8. Politik & Kultur 9/22

 

Themen der Ausgabe 9/22:

 

  • Der Fall documenta fifteen
    Macht die Postkolonialismusdebatte für Antisemitismus blind?
  • Energiekrise
    Der Kulturbereich steht vor dem dritten Ausnahmewinter: Welche Auswirkungen sind bereits abzusehen? Braucht es Notfallpläne für die Kultur?
  • Kleine Fächer
    In Gefahr?: Wie ist es um kleine Fächer an deutschen Hochschulen bestellt? Wo wird der Rotstift angesetzt? Welche Probleme gibt es?
  • Osteuropa
    Im Widerstand: Belarussische Künstler zeigen politische Kunst in Leipzig, ukrainische Schriftsteller arbeiten am Literaturarchiv Marbach.
  • Medien
    Starke und unabhängige Gremien als staatsferne Kontrolleure: Finanzierung und Unabhängigkeit der Rundfunkräte verbessern.

 

Ausblick: Politik & Kultur 10/22

 

In der Oktober-Ausgabe widmet Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, dem Thema „Archäologie“ einen ausführlichen Schwerpunkt. Fragen, mit denen wir uns im genannten Schwerpunkt befassen werden, sind unter anderem: Was kennzeichnet Archäologie heute? Welche Rolle spielt Archäologie aktuell in Deutschland? Wie wird man Archäologe bzw. Archäologin? Welche Bedeutung hat Archäologie in der Kulturpolitik? u.v.m.

 

  • Tagesaktuelle Informationen, Interviews, Rezensionen und vieles mehr zur Kulturpolitik finden Sie auch auf politikkultur.de.

 


 

9. Text der Woche: „¡Hola! Spanien ist Gastland der Buchmesse“ von Klaus-Dieter Lehmann

 

Nach 31 Jahren wird Spanien 2022 erneut Gastland der Frankfurter Buchmesse. Das deutsche Lesepublikum hat vom Land Spanien eine sehr selektive, um nicht zu sagen exotische Vorstellung. Sie bezieht sich zunächst auf das Urlaubsland mit den schönen Stränden und bei der Literatur auf die Klassiker wie Miguel de Cervantes, Carlos Ruiz Zafón, Javier Marías, Federico García Lorca. Dabei gibt es so viel neue Autorinnen und Autoren zu entdecken. Die Frankfurter Buchmesse bietet eine große Chance, Klischeevorstellungen und Missverständnisse auszuräumen und durch Übersetzungen die Literaturen und ihre Gesellschaften gegenseitig zu erfahren. In Vorbereitung auf den Gastauftritt sind bereits mehr als 300 Titel ins Deutsche übersetzt worden, in diesem Jahr werden es weitere 100 Titel sein.

 

Klaus-Dieter Lehmann ist Kulturmittler. Er war Präsident des Goethe-Instituts und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Generaldirektor der Deutschen Bibliothek.

 


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