12. Mai 2023 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

19. KW: Nachhaltigkeit braucht Inklusion


  1. Nachhaltigkeit braucht Inklusion
  2. Einladung: Erinnerung, Identität und Klima – Kulturpolitik als Handwerk
  3. Einladung: Kultur und Kirche postkolonial – Wie geht das?
  4. Dokumentation: Kunstmarkt – (k)ein Thema der öffentlichen Kulturförderung
  5. Dokumentation: Mitteldeutsche Medientage 2023
  6. Buch-Vorankündigung: „Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit“
  7. Text der Woche: „Auf bessere Zeiten hoffen? Der Brexit und die EU-Kulturpolitik“ von Barbara Gessler
  8. Zum Schluss: 75. Unabhängigkeitstag des Staates Israel

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

„Demokratie braucht Inklusion“ – unter diese Überschrift hat der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, seine Amtszeit gestellt und ich würde ergänzen „Nachhaltigkeit braucht Inklusion“.

 

Die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 umfassen alle Bereiche des Lebens, angefangen von der Bekämpfung von Armut (Ziel 1) über den Einsatz gegen Hunger (Ziel 2), über Gesundheit und Wohlergehen (Ziel 3), Zugang zu Bildung (Ziel 4), Erreichen von Geschlechtergleichheit (Ziel 5), Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen (Ziel 6), bezahlbarer und sauberer Energie (Ziel 7), menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum (Ziel 8), Industrie, Innovation und Infrastruktur (Ziel 9), weniger Ungleichheiten (Ziel 10), nachhaltigen Städten und Gemeinden (Ziel 11), nachhaltigem Konsum und Produktion (Ziel 12), Maßnahmen zum Klimaschutz (Ziel 13), dem Leben unter Wasser (Ziel 14) sowie dem Leben an Land (Ziel 15) zum Ziel 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen“. Abgeschlossen wird die UN-Agenda 2030 mit Ziel 17, in dem es um Partnerschaften zur Erreichung der Ziele geht.

 

Die Nachhaltigkeitsziele 16 und 17 sind jene, in denen die in den vorherigen Zielen postulierten Grundsätze operationalisiert werden. Insbesondere Ziel 16 zielt darauf ab, wie eine Gesellschaft beschaffen sein muss, die nachhaltig ist. Es ist eine Gesellschaft, die im Frieden lebt, Gerechtigkeit verwirklicht und starke Institutionen hat. Eine Gesellschaft, die die nachhaltige Entwicklung fördert, mithin den vorherigen 15 Zielen verpflichtet ist. Nachhaltigkeitsziel 16 ist meines Erachtens eines der anspruchsvollsten Ziele der UN-Agenda 2030. Es ist ein Ziel, dass wenig mit Glanz dafür sehr viel mit strategischer Planung und Pflicht zu tun hat.

 

Die wesentliche Aufgabe im Nachhaltigkeitsziel 16 besteht in meinen Augen darin, die zuvor genannten Ziele zusammenzuführen und -denken. Wissenschaft, Politik, Verwaltung, aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen denken und arbeiten sehr oft in Zuständigkeiten oder „Silos“. Die einen sind für Ökologie, die anderen für Bildung, die nächsten für Geschlechtergerechtigkeit und die übernächsten für Kultur zuständig. Dieses „Silodenken“ gilt es mit Blick auf die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu überwinden. Vielmehr müssen die Verbindungen zwischen einzelnen Zielen geschaffen und verdeutlicht werden, dass Nachhaltigkeit umfassend zu verstehen ist. Das erfordert in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein Umdenken, denn nach wir vor assoziieren viele mit Nachhaltigkeit vor allem ökologische Nachhaltigkeit oder im Kulturbereich, die nachhaltige – sprich vor allem dauerhafte – Förderung von Projekten und Institutionen. Ein solcher Nachhaltigkeitsbegriff greift zu kurz. Ich will dies am Beispiel Inklusion verdeutlichen.

 

Die Mehrzahl der Menschen, die eine Behinderung haben, erwerben diese im Laufe ihres Lebens. Fast 90 Prozent der schwerbehinderten Erwerbstätigen haben ihre Behinderung im Laufe ihres Berufslebens erfahren. Dennoch konzentriert sich die Diskussion um die Inklusion von Menschen mit Behinderung vor allem auf jene Gruppe, die von Geburt an behindert sind. Das soll nicht heißen, diese Gruppe zu vernachlässigen – im Gegenteil, es gilt hier die Teilhabe an Bildung so zu ermöglichen, dass möglichst eine Berufsausbildung und -tätigkeit sich an die Schullaufbahn angeschlossen werden kann. Es bedeutet aber ebenso, sich viel stärker mit jener großen Gruppe auseinanderzusetzen, die ihre Behinderung im Laufe ihres Lebens erwirbt. Sie müssen weiter im Arbeitsmarkt bleiben oder neu integriert werden. Bestehende Hilfsmaßnahmen gilt es stärker bekanntzumachen und sie ggfs. auszuweiten.

 

Gerade im Kulturbereich besteht noch viel Nachholbedarf. Menschen mit Behinderungen wurden in den letzten Jahren zwar zunehmend als Publikum entdeckt, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sie aber noch nicht so präsent, wie es von einer inklusiven Gesellschaft zu erwarten ist. Durchgängig angekommen ist das Thema noch nicht und vor allem mangelt es an der beruflichen Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Bundesagentur für Arbeit berichtet regelmäßig anhand der gesetzlichen Vorgaben über die berufliche Integration von Schwerbehinderten. Der Anteil der Erwerbstätigen mit Schwerbehinderung an der Gesamtbevölkerung beträgt 4,5 Prozent. Die Initiative kulturelle Integration hat in einer Befragung von vom Bund geförderten Kulturinstitutionen zur Diversität, die im Jahr 2021 erschienen ist, unter anderem auch danach gefragt, wie viele Mitarbeitende mit Beeinträchtigungen in diesen Einrichtungen arbeiten. Im Durchschnitt beschäftigten die vom Bund geförderten Kulturinstitutionen vier Prozent Mitarbeitende mit Behinderungen.

 

Damit erreichen sie fast den oben genannten Durchschnittswert der schwerbehinderten Berufstätigen. Die Werte unterscheiden sich allerdings je nach Größe der Kulturinstitutionen beträchtlich. Während Kulturinstitutionen mit einem kleineren Mitarbeiterstab oftmals keine Behinderten beschäftigten, liegt der Wert bei den größeren Kultureinrichtungen mit mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit sechs bis zehn Prozent über dem Durchschnittswert, was sehr positiv ist. Von den befragten Kulturinstitutionen haben 27 Prozent einen Behindertenbeauftragten. Darüber hinaus haben 47 Prozent angegeben, dass sie eine ungleiche Verteilung mit Blick auf die Diversität von Menschen mit Behinderungen in der Mitarbeiterschaft sehen. Hier besteht offenbar ein Bewusstsein dafür, dass noch Luft nach oben ist.

 

Eine nachhaltige Gesellschaft wird der Inklusion von Menschen mit Behinderungen mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.

Mehr zu diesem Thema finden Sie im Ende Juni erscheinenden Sammelband „Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit

 

Ihr

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Einladung: Erinnerung, Identität und Klima – Kulturpolitik als Handwerk

 

Mittwoch, 17. Mai 2023 | 19.30 Uhr | Katholische Akademie in Berlin, Hannoversche Str. 5, 10115 Berlin

 

Erinnerung, Identität und Klima bewegen die Gemüter und bestimmen – oft in fragwürdigen Zuspitzungen – die öffentliche Diskussion. Was hat die Kulturpolitik damit zu tun? Liest man Olaf Zimmermann „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft, Berlin 2023“ darf man sagen: sehr viel! Kulturpolitik ist – so Olaf Zimmermann – hauptsächlich Handwerk, das sich durch Nüchternheit und Realitätssinn auszeichnet und vor allem in jenen Politikfeldern gefordert ist, die einen langen Atem benötigen. Wie steht es um die gegenwärtigen kulturpolitischen Herausforderungen, besonders auf den Feldern von Erinnerung, Identität und Klima? Und das wurde bislang wenig gefragt: im Zusammenhang von Kultur- und Naturgeschichte?

 

Es  diskutieren auf dem Podium:

  • Prof. Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien a.D
  • Prof. Dr. Patricia Rahemipour, Direktorin Institut für Museumsforschung
  • Dr. Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a.D.
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
  • Anmeldung per Telefon unter (030) 28 30 95-0 oder per E-mail hier
  • Weitere Informationen hier
  • Für alle, die nicht persönlich zur Veranstaltung kommen können, ist ein
  • Livestream auf YouTube eingerichtet: hier

Mehr zum Buch:

 

  • Olaf Zimmermann, Mein kulturpolitisches Pflichtenheft, 978-3-947308-38-5, 216 Seiten
  • Bestellen Sie „Mein kulturpolitisches Pflichtenheft“ für 19,80 Euro hier
  • Natürlich können Sie das Buch auch über jede Buchhandlung beziehen

 

 


 

 3. Einladung: Kultur und Kirche postkolonial – Wie geht das?

 

Donnerstag, den 25.05.2023 19:00 Uhr | St. Matthäus-Kirche, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin

Sie sind herzlich eingeladen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig.

 

Was bedeutet es, Kultur und Kirche postkolonial zu denken? Was muss sich im jeweiligen Selbstverständnis ändern, wenn Kolonial- und Missionsgeschichte konsequent aufgearbeitet werden?

 

Mit:

  • Dr. Andrea Scholz, Referentin für transkulturelle Zusammenarbeit und Kuratorin, Ethnologisches Museum
  • Nadja Ofuatey-Alazard, Dekoloniale
  • Maike Wächter, Referentin Gemeindedienst Berliner Missionswerk EKBO
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

Das „Kultur.Forum St. Matthäus“ ist das kulturpolitische Forum von Stiftung St. Matthäus, Deutschem Kulturrat, Kulturbüro der EKD, Initiative kulturelle Integration und Deutschlandfunk Kultur. Die Veranstaltungsreihe findet zweimal jährlich statt und diskutiert kulturpolitische Entwicklungen im Dialog mit den Religionen.

 

Das Gespräch wird auch aufgezeichnet und bundesweit auf Deutschlandfunk Kultur in der Sendung „Diskurs“ (So, 04. Juni, um 01.05 Uhr) ausgestrahlt.

 


 

4. Dokumentation: Kunstmarkt – (k)ein Thema der öffentlichen Kulturförderung

Rede zur Eröffnung der art KARLSRUHE am 04. Mai 2023

 

Es gibt in meinen Augen keinen Kulturbereich in Deutschland, der so individuell, so marktgetrieben, so kleinteilig organisiert und in seiner Funktionsweise so unbekannt ist wie der Kunstmarkt.

 

Auch die Politik nimmt diesen Markt immer nur am Rande wahr. Es ist ein Markt, der nicht um öffentliche Subventionierung buhlt, schon allein das macht ihn im Reigen der Kulturmärkte zum Außenseiter.

 

Lesen Sie hier meine kleine Rede „Kunstmarkt – (k)ein Thema der öffentlichen Kulturförderung“ zur Eröffnung der art KARLSRUHE am 04. Mai nach.

 


 

5. Dokumentation: Mitteldeutsche Medientage 04. Mai 2023

 

„Es geht darum den Kulturbereich insgesamt krisenfester zu machen“, sagte ich bei den Mitteldeutschen Medientagen. Und forderte weiter, dass Kultur auch bei den massenkompatiblen Programmen eine größere Rolle spielt, z. B. mit Kulturnachrichten in der Tagesschau oder vorher statt der Börse vor Acht.

 

Sehen Sie das gesamte Gespräch hier mit:

  • Jana Brandt
  • Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff
  • Natalie Müller-Elmau
  • Dr. Christiane Schenderlein
  • Olaf Zimmermann
  • Moderation: Silke Burmester

 


 

6. Buch-Vorankündigung: „Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit“

 

Gemeinsam mit Hubert Weiger, dem Ehrenvorsitzendes des BUND, lege ich Ende Juni den Sammelband „Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit“ vor. Die Redaktion dieses Bandes liegt in den bewährten Händen meiner Stellvertreterin Gabriele Schulz.

 

Im September 2015 wurde von den Vereinten Nationen die UN-Agenda 2030 Nachhaltige Entwicklung (UN-Agenda 2030) verabschiedet. Die UN-Agenda 2030 steht in der Folge verschiedener Abkommen, in denen es vor allem um die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen, den Klimaschutz und anderes mehr geht. Die UN-Agenda 2030 zeichnet aus, dass es sich um ein Weltprogramm für nachhaltige Entwicklung handelt. Alle Staaten dieser Erde werden adressiert und sind gefordert. Die verschiedenen staatlichen Ebenen, die Unternehmen und Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft in ihrer vielschichtigen Ausprägung und nicht zuletzt jeder einzelne ist aufgerufen, einen Beitrag zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 zu leisten.

 

In dem Sammelband, der Ende Juni erscheint, wird sich mit einer doppelten Fragestellung befasst. Es geht einerseits um den kulturellen Wandel, der erforderlich ist, um die UN-Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen und andererseits wird der Frage nachgegangen, welchen Beitrag der Kultur- und der Naturbereich gemeinsam leisten muss, um zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 beizutragen.

 

  • Inwiefern können der Kultur- und der Naturbereich den notwendigen kulturellen Wandel für Nachhaltigkeit beschleunigen?
  • Was können der Kultur- und der Naturbereich konkret leisten, damit Nachhaltigkeitsziele verwirklicht werden?
  • Welche Bündnisse sind erforderlich, um gemeinsam am Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu arbeite

 

Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit

Wie der Kultur- und der Naturbereich gemeinsam die UN-Nachhaltigkeitsziele voranbringen können

Herausgeber Olaf Zimmermann und Hubert Weiger
ISBN-13-978-3-947308-40-8
Erscheinungsdatum: 30.06.2023
Seiten: ca. 350

Weitere Informationen erfolgen in Kürze.

 


 

7. Text der Woche: „Auf bessere Zeiten hoffen? Der Brexit und die EU-Kulturpolitik“ von Barbara Gessler

 

Als Ende Februar mit dem »Windsor Agreement« eine Lösung der mit dem Brexit entstandenen Fragen um Nordirland gefunden wurde, keimte wohl auch in der britischen Kulturszene wieder ein Fünkchen Hoffnung auf bessere Zeiten für die kulturellen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien auf. Während die im Vereinigten Königreich ansässigen Kulturschaffenden vor der Abstimmung 2016 vielleicht aufgrund der Hoffnung, es werde schon gut gehen, mit einigen Ausnahmen nur wenig zugunsten eines Verbleibs in der EU mobil machten, ist die Katerstimmung in den folgenden Jahren spürbar größer geworden. Zu den konkreten Folgen des Austritts gehörte z. B. auch, dass das Land nicht mehr bei den europäischen Förderprogrammen wie dem Studierendenprogramm Erasmus oder dem Forschungsprogramm Horizon mitmachen konnte.

 

Barbara Gessler ist Referatsleiterin „Kapazitätsaufbau im Hochschulbereich“ in der Exekutivagentur EACEA. Zuvor war sie Referatsleiterin Creative Europe bei der Europäischen Kommission

 

  • Lesen Sie den gesamten Beitrag hier

 


 

8. Zum Schluss: 75. Unabhängigkeitstag des Staates Israel

 

75. Unabhängigkeitstag des Staates Israel. Der Präsident des Deutschen Kulturrates Prof. Christian Höppner zu Gast beim Israelischen Botschafter S.E. Botschafter Ron Prosor.


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