30. April 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 17: Stottern, Künstlersozialkasse, Neue Politik & Kultur ist erschienen, Beschleunigte Sinnkrise – Kultur und Kirche im Lockdown,


... Göttinger Skandinavistik erhalten!, Wanderausstellung: Jüdischer Alltag, Petition "Kultur ins Grundgesetz", Ausschreibung: Mentoring für Frauen in Führungspositionen, Text der Woche, Zur Person, Kulturrat sucht studentische/n Mitarbeiter/in

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wer mir zuhört, wird es sicher bemerkt haben, ich bin ein Stotterer. Mit sechs Jahren hatte ich meine Mutter nach einem schweren Autounfall im Krankenhaus gesehen und konnte von diesem Tag an nicht mehr richtig sprechen, ich stotterte. Die ersten vier Schuljahre waren ein Albtraum für mich, weil außer meiner Familie mich niemand verstehen konnte oder wollte. Mit zehn Jahren kam ich dann für ein halbes Jahr in eine Kinderklinik für Sprach- und Sprechstörungen. Dort lernte ich, mit meiner Behinderung umzugehen und durch spezielle Atem- und Sprechübungen einen einigermaßen vernünftigen Sprachfluss zu entwickeln. Seit dieser Zeit rede ich gerne und viel und meine heutige Tätigkeit hätte ich ohne meinen Kampf mit meiner Behinderung nie erreicht.

 

Ich erzähle diese, meine kleine Geschichte, weil wir zurzeit eine spannende Debatte zur Identität führen. Was macht mich als Mensch aus, meine Herkunft, meine Hautfarbe? Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität werden heftig diskutiert. Bin ich gebrandmarkt durch meine Behinderung?

 

Für mich war der Kampf gegen mein Stottern die Chance meines Lebens. Dieser Kampf, den ich in abgeschwächter Form bis heute führe, hat mich geprägt. Aber ich habe den Kampf nicht allein geführt. Neben meiner Familie war es besonders die Gesellschaft, die mich unterstützt hat. Ohne die Möglichkeit des Klinikaufenthaltes hätte ich das Stottern nicht in den Griff bekommen. Und auch in der Schule habe ich Unterstützung erfahren. Ich kam nicht auf eine Sonderschule, sondern konnte den zweiten Bildungsweg an regulären Schulen absolvieren.

 

Eine Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie auch denjenigen Entwicklung ermöglicht, die nicht „perfekt“ sind, und dass sie Menschen Chancen gibt, die nicht ins Raster passen. Dass viele Menschen sich in unserem Land nicht angemessen wahrgenommen und unterstützt fühlen, ist ein Alarmzeichen. Viele fühlen sich als Opfer. Menschen, die sich von der Norm, was das auch immer sein soll, unterscheiden, werden zurückgesetzt, in ihrer Entwicklung behindert. Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Behinderung, soziale Stellung sind hier nur Stichworte für unterschiedliche Gruppen, die es in unserer Gesellschaft schwer haben.

 

Mehr Chancengleichheit und mehr Gleichberechtigung müssen unsere gesellschaftlichen Ziele sein. Dabei muss jedem Einzelnen die Hilfe der Allgemeinheit zuteilwerden, damit er oder sie sich selbst helfen kann.

 

Ich bin bis heute stolz darauf, dass ich als Kind den Kampf um mein Leben aufgenommen habe. Ich bin der Gesellschaft dankbar, dass sie mich dabei unterstützt hat. Aber ich bin nie ein Opfer gewesen.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Twitter: olaf_zimmermann

 

PS. Gute Nachricht haben in diesen Zeiten Seltenheitswert, deshalb hier eine wirklich erfreuliche Information: Wir hatte Arbeitsminister Hubertus Heil gebeten, den Versicherungsschutz bei der Künstlersozialkasse in der Krise zu verbessern und er tut es! Nicht wenige Künstlerinnen und Künstler haben sich in der Not ein zweites Standbein als Selbstständige inmitten der Corona-Pandemie aufgebaut. Das darf man nicht bestrafen und das beachtet jetzt der Vorschlag von Minister Heil. Dieser erlaubt bis Ende 2022 Versicherten, die bis zu 1.300 Euro brutto pro Monat in nicht-künstlerischer, selbstständiger Tätigkeit verdienen, in der Künstlersozialkasse zu bleiben. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Zusammen mit einem stabilen Abgabesatz für die Künstlersozialversicherung für Kulturunternehmen von 4,2 Prozent bis Ende nächsten Jahres, wie ihn der Arbeitsminister weiter ankündigt, wird die Künstlersozialkasse deutlich mehr Corona-krisenfest gemacht.

 


 

Neue Politik & Kultur ist erschienen

 

Themen der Ausgabe:

 

  • Arbeiterkultur
    Zwischen Tradition und Moderne. Wie arbeiten wir?
  • Corona vs. Kultur
    Update: Wo bleibt das Positive? Wann endlich können die Kulturorte wieder öffnen? Und wann wird ein Normalzustand eintreten?
  • Meinungsfreiheit
    #MehralsmeineMeinung: Börsenverein, Buchhandlungen und Verlage machen sich für vielfältige Gesellschaft stark
  • EU-Kulturagenda
    Mehr Budget, mehr Kultur: Wie geht das Förderprogramm Kreatives Europa 2021-2027 der EU jetzt weiter?
  • Rundfunk
    Einheitliche Plattform: Die Länder wollen ARD, ZDF und Deutschlandradio endlich reformieren

 

Weitere Themen: Innen- und Außenkulturpolitik, Masterplan Kultur Hessen, Geschlechtergerechtigkeit, BeiAnrufKultur: Kunstführungen via Telefon, Tage des Deutschen Kunsthandwerks, Kolonialismusdebatte, DDR-Kunst, Filmwirtschaft in Tunesien, Shai Hoffmann im Porträt u.v.m.

 

  • Politik & Kultur ist die Zeitung des Deutschen Kulturrates. Sie wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler.

 

 

  • Die Mai 2021-Ausgabe von Politik & Kultur mit dem Schwerpunkt „Arbeiterkultur: Zwischen Tradition und Moderne. Wie arbeiten wir?“ steht für die Presse als kostenfreies E-Paper (pdf-Datei) zum Herunterladen bereit.

 


 

Veranstaltungshinweis DLF-Kultur 07. Mai: Beschleunigte Sinnkrise – Kultur und Kirche im Lockdown

 

Das Gespräch findet am 05.05.2021 in St. Matthäus in Berlin leider pandemiebedingt ohne Publikum statt und wird am Freitag, den 7. Mai 2021, von 18:05 bis 19:00 Uhr auf Deutschlandfunk Kultur in der Sendung „Wortwechsel“ ausgestrahlt.

 

Gesprächspartner:
Dr. Vera Allmanritter (Stiftung für Kulturelle Weiterbildung und Kulturberatung)
Dorte Eilers (Kulturjournalistin)
Bischof Dr. Christian Stäblein (EKBO)
Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrat)

 

Moderation:
Hans Dieter Heimendahl (Deutschlandfunk Kultur)

 


 

Göttinger Skandinavistik erhalten!

 

Das Skandinavische Seminar der Universität Göttingen ist akut von der Schließung bedroht. Nachdem in den letzten Jahren allein an der Universität Göttingen bereits die Schließung der Niederlandistik, der Indologie und der Finno-Ugristik beschlossen wurden, ist nun die Skandinavistik als nächstes auf der Abschussliste – ganz im Sinne des europaweiten Einstampfens kleinerer Geisteswissenschaften. Diesen Trend halten die Studierenden dieser bedrohten Fächer für unzumutbar und nicht hinnehmbar, weshalb sie mit einer Petition ein Zeichen setzen wollen, um die Schließung des Göttinger Skandinavischen Seminars und weiterer kleiner Geisteswissenschaften zu verhindern.

 

  • Hier geht es zur Petition der Studenten.
  • Hier geht es zur Schwerpunktausgabe von Politik & Kultur (2/2016) „Orchideenfächer – Unverzichtbare Exoten oder entbehrliches Wissen?“

 


 

Heute Bewerbungsschluss: Wanderausstellung – Jüdischer Alltag in Deutschland

 

Mit der Auslobung des Fotowettbewerbs „Zusammenhalt in Vielfalt – Jüdischer Alltag in Deutschland“ war von vornherein geplant, die zehn Gewinnerfotos als Ausstellung auf Reise durch die Bundesrepublik zu schicken.

 

Interessierte Institutionen und Organisationen in allen Regionen Deutschlands können sich hierfür bei der Initiative kulturelle Integration formlos bis zum 30. April 2021 unter integration@kulturrat.de bewerben.

 

Die zehn prämierten Fotos sowie weitere Informationen zu der Wanderausstellung finden Sie hier.

 

Sollten Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an Maren Ruhfus (m.ruhfus@kulturrat.de) und Kristin Braband (k.braband@kulturrat.de) wenden.

 


 

Petition „Kultur ins Grundgesetz“ läuft, mitzeichnen

 

Engagierte Kulturfreunde haben eine Petition „Kultur ins Grundgesetz“ gestartet. Die Zeichnungsfrist endet am 13.06.2021. Wenn das Ziel erreicht wird, 50.000 Unterschriften innerhalb der Zeichnungsfrist zusammenzutragen, erhalten die Initiatoren die Gelegenheit, ihr Anliegen dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages vorzutragen. Es fehlen noch 28.000 Unterschriften.

 

Sie schreiben: „Wenn Ihr uns unterstützen wollt, informiert Familie, Freunde, Kollegen und Interessierte über unsere Initiative und helft mit Eurer Unterschrift, unser Vorhaben auf einen guten Weg zu bringen.“

 

Hier kann die Petition gezeichnet werden. Ich habe es getan.

 

„Ein Staatsziel Kultur gehört ins Grundgesetz, weil dadurch das Ziel definiert wird, das ein Staat in der konkreten Umsetzung durch Gesetze, Verordnungen und Förderungen erreichen will. Das ist gerade kein Placebo, sondern Politik.“

 

Der Deutsche Kulturrat fordert schon lange ein Staatsziel Kultur in das Grundgesetz aufgenommen werden soll. Der Art. 20 GG soll um einen Abschnitt b mit dem Wortlaut „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ ergänzt werden.

 


 

Ausschreibung: Mentoring für Frauen in Führungspositionen

 

Der Deutsche Kulturrat (Projektbüro Frauen in Kultur & Medien) schreibt erneut das Mentoring-Programm für Frauen in Führungspositionen aus. Es ist bereits die fünfte Runde des 1:1 Mentoring. Das Programm richtet sich an hochqualifizierte Frauen, die eine Führungsposition im Kultur- und Medienbereich anstreben und auf mindestens zehn Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Insgesamt stehen 26 Mentorinnen und Mentoren aus den Bereichen: Verlag, Kino, Oper, Design, Kommunikation, Theater, Musik, Bildende Kunst, Museum, Journalismus, Stiftung, Bibliothekswesen, Kultur- und Personalmanagement, Verwaltung sowie kulturelle Bildung zur Verfügung.

 

  • Bewerbungsschluss ist der 31. Mai 2021.
  • Im September starten die Tandems dieser fünften Runde.
  • Das 1:1 Mentoring-Programm läuft über sechs Monate.
  • Die Ausschreibung finden Sie hier auf der Website des Deutschen Kulturrats.

 


 

Text der Woche: Susanne Keuchel „Woke – Ein Balance-Akt zwischen moralischen und demokratischen Prinzipien?“

 

Angesichts der aktuellen Tendenz, den Individualismus auf den Prüfstand zu stellen und neue Formen digitaler Kommunikation, ist es jedoch dringend an der Zeit, für solche moralischen Diskurse gemeinsame Regeln für eine demokratische, analog-digitale Streitkultur zu entwickeln. Das bedeutet Debattenkultur auf Augenhöhe und einen sicheren Raum für jeden Bürger, in eine Debattenkultur einzutreten, ohne um seine berufliche oder private Existenz zu fürchten.

 

Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

ZUR PERSON …

 

Börsenverein bekommt neuen Hauptgeschäftsführer
Peter Kraus vom Cleff wird zum 1. Januar 2022 neuer Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Peter Kraus vom Cleff war zuvor Kaufmännischer Geschäftsführer des Rowohl Verlags. Er folgt auf Alexander Skipis, dessen Vertrag nach über 15-jähriger Tätigkeit endet. Skipis geht in den Ruhestand.

 

Interimsspitze für Berliner Volksbühne
Die Berliner Volksbühne wird für eine Übergangszeit von einem Frauen-Duo geführt. Die Dramaturgin Sabine Zielke sowie Gabriele Gornowicz, Geschäftsführerin bis 2014, übernehmen die Leitung. In der kommenden Spielzeit wird der Dramatiker und Regisseur René Pollesch neuer Intendant der Volksbühne.

 

Neuer Intendant der Kölner Oper
Der Niederländer Hein Mulders soll neuer Intendant der Kölner Oper werden. Wie die Stadt Köln mitteilte, habe sich eine Findungskommission für ihn ausgesprochen. Der Vertragsbeginn in Köln ist zu Beginn der Spielzeit 2022/23 vorgesehen.

 

Anne Frank Zentrum in Berlin bekommt neue Chefin
Die Historikerin Veronika Nahm übernimmt zum 1. Juni die Leitung des Anne Frank Zentrums in Berlin. Bisher hat sie dort den Bereich der Berliner Ausstellung und Pädagogik geleitet.

 

Erster Antisemitismusbeauftragter in Hamburg
Hamburg bekommt erstmals einen Antisemitismusbeauftragten: Das Ehrenamt übernimmt der Landesvorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Stefan Hensel. Seine Amtszeit beginnt am 1. Juli.

 

Neuer Direktor des Museums Morsbroich
Der Kunstwissenschaftler Jörg van den Berg übernimmt zum 1. August die Leitung des Museums Morsbroich in Leverkusen. Nach vierjähriger Tätigkeit als Ausstellungsmacher für den Worpsweder Museumsverbund verlässt van den Berg damit das Museumsdorf bei Bremen.

 

Neuer Geschäftsführer des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft
Rodger Masou übernimmt am 1. Mai die Geschäftsführung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. Zuvor war Masou über 12 Jahre lang im Festspielhaus Baden-Baden tätig. Die bisherige Geschäftsführerin Franziska Nentwig übernimmt ab Sommer 2021 die Leitung der Wartburg in Eisenach.

 

Leipziger Buchmesse gibt Shortlist bekannt
Die Jury hat entschieden, welche 15 Titel ins Rennen um den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 gehen. Insgesamt sind 17 Autorinnen und Autoren nominiert. Trotz Pandemie soll die Leipziger Buchmesse in einer digitalen Ausgabe im Mai stattfinden. Dann werden die Gewinner in den drei Kategorien Belletristik, Sachbuch und Übersetzung gekürt. Autorinnen und Autoren der Shortlist sind unter anderem Friederike Mayröcker, Judith Hermann, Helga Schubert, Iris Hanika und Christian Kracht.

 

Neue Leitung der Donaueschinger Musiktage
Die Musikwissenschaftlerin Lydia Rilling wird neue Künstlerische Leiterin der Donaueschinger Musiktage. Die Donaueschinger Musiktage gelten als das weltweit älteste und bedeutendste Festival für Neue Musik

 


 

Deutscher Kulturrat sucht studentische/n Mitarbeiter/in

 

Die Geschäftsstelle des Deutschen Kulturrates sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n studentische/n Mitarbeiter/in (m/w/d).
Tätigkeit:

 

  • Selbständige Recherche, Aufbereitung und Erstellung von Bild- und Textmaterialien,
  • Unterstützung der wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen in ihrer Arbeit,
  • Zuarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung von Gremiensitzungen und Veranstaltungen,
  • Unterstützung im Bereich Online-Kommunikation und bei der Pflege des CMS,
  • Text-Lektorat für diverse Veröffentlichungen des Deutschen Kulturrates,
  • Unterstützung des Office Managements.

 

Hier geht es zur Stellenanzeige.

 


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