21. Januar 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 3: Goethe und das Impfen, Israel: Schwerpunkt in der P&K, Sonderfonds für Kulturveranstaltungen, ...


... Neustarthilfe 2022, Wachgeküsst, Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

„Dennoch aber“, sagte Johann Wolfgang von Goethe, „bin ich dafür, daß man von dem strengen Gebot der Impfung auch ferner nicht abgehe…“ (Johann Peter Eckermann, Gespräche mit Goethe, 19. Februar 1831)

Dr. Ulrike Lorenz, Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar, hat mich kürzlich auf Goethe und das Impfen aufmerksam gemacht.

 

Wenn schon sonst nichts hilft, hören die Impfgegner vielleicht auf den großen deutschen Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe, der trotz einiger Rückschläge bei der Pocken(Blattern)-Impfung das Impfen deutlich empfohlen hat. Mich hat die Situation damals sehr an unsere Gemengelage mit der Omikron-Variante erinnert.

 

Nachlesen kann man Goethes Haltung zum Impfen in „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ von Johann Peter Eckermann:

 

„Sonnabend, den 19. Februar 1831. Bei Goethe zu Tisch mit Hofrat Vogel. […] Nach den Gesprächen über eine so eigentümliche Lokalität kamen ärztliche Dinge an die Reihe, und Vogel erzählte, als das Neueste des Tages, von den natürlichen Blattern, die, trotz aller Impfung, mit einem Male wieder in Eisenach hervorgebrochen seien und in kurzer Zeit bereits viele Menschen hingerafft hätten.

 

Die Natur, sagte Vogel, spielt einem doch immer einmal wieder einen Streich, und man muß sehr aufpassen, wenn eine Theorie gegen sie ausreichen soll. Man hielt die Schutzblattern so sicher und so untrüglich, daß man ihre Einimpfung zum Gesetz machte. Nun aber dieser Vorfall in Eisenach, wo die Geimpften von den natürlichen dennoch befallen worden, macht die Unfehlbarkeit der Schutzblattern verdächtig und schwächt die Motive für das Ansehen des Gesetzes.

 

Dennoch aber, sagte Goethe, bin ich dafür, daß man von dem strengen Gebot der Impfung auch ferner nicht abgehe, indem solche kleine Ausnahmen gegen die unübersehbaren Wohltaten des Gesetzes gar nicht in Betracht kommen.

 

Ich bin auch der Meinung, sagte Vogel, und möchte sogar behaupten, daß in allen solchen Fällen, wo die Schutzblattern vor den natürlichen nicht gesichert, die Impfung mangelhaft gewesen ist. Soll nämlich die Impfung schützen, so muß sie so stark sein, daß Fieber entsteht; ein bloßer Hautreiz ohne Fieber schützt nicht. Ich habe daher heute in der Session den Vorschlag getan, eine verstärkte Impfung der Schutzblattern allen im Lande damit Beauftragten zur Pflicht zu machen.

 

Ich hoffe, daß Ihr Vorschlag durchgegangen ist, sagte Goethe, sowie ich immer dafür bin, strenge auf ein Gesetz zu halten, zumal in einer Zeit wie die jetzige, wo man aus Schwäche und übertriebener Liberalität überall mehr nachgibt als billig.“

 

Rückblickend auf seine Kindheit beschreibt Goethe in „Dichtung und Wahrheit“:

 

„Die Einimpfung derselben [Pocken] ward bei uns noch immer für sehr problematisch angesehen, und ob sie gleich populare Schriftsteller schon faßlich und eindringlich empfohlen; so zauderten doch die deutschen Ärzte mit einer Operation, welche der Natur vorzugreifen schien. Spekulierende Engländer kamen daher aufs feste Land und impften, gegen ein ansehnliches Honorar, die Kinder solcher Personen, die sie wohlhabend und frei von Vorurteil fanden. Die Mehrzahl jedoch war noch immer dem alten Unheil ausgesetzt; die Krankheit wütete durch die Familien, tötete und entstellte viele Kinder, und wenige Eltern wagten es, nach einem Mittel zu greifen, dessen wahrscheinliche Hülfe doch schon durch den Erfolg mannigfaltig bestätigt war.”

 

Zum Thema sehr schön zu lesen, ist auch die kleine Abhandlung von Hermann Cohn „Goethe über den Impfzwang“ aus dem Jahr 1900.

Wie man sieht, auch vor fast zweihundert Jahren, war das Impfen ebenso ein großes Thema wie heute und der große Goethe war eindeutig kein Querdenker.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

Nächste Woche erscheint die neue Politik & Kultur mit dem Schwerpunkt ISRAEL

 

Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler. Sie erscheint zehnmal jährlich, informiert zu kulturpolitischen Fragestellungen und widmet zusätzlich in jeder Ausgabe einem Thema einen Schwerpunkt.

 

Politik & Kultur ist in Bahnhofsbuchhandlungen, auf Flughäfen, im Online-Shop sowie im Abonnement erhältlich. Hier können Sie das Politik & Kultur-Jahresabonnement bestellen.

 

Die Ausgaben erscheinen jeweils am 01. Februar, 01. März, 01. April, 01. Mai, 01. Juni, 01. Juli, 01. September, 01. Oktober, 01. November und 01. Dezember.

 

Die erste Ausgabe von Politik & Kultur erschien vor 20 Jahren am 01.02.2002.

 

Informationen zur Politik & Kultur finden Sie hier. Hier können auch alle Politik & Kultur-Ausgaben können als E-Paper (pdf-Datei) kostenfrei geladen werden.

 


 

Sonderfonds für Kulturveranstaltungen

 

Damit trotz der widrigen Umstände Kulturveranstaltungen durchgeführt werden können, hat der Bund einen Sonderfonds Kulturveranstaltungen in einer Größenordnung von 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Der Deutsche Kulturrat vertritt den Kulturbereich im Lenkungsausschuss des Fonds.

 

Der Sonderfonds besteht aus zwei Modulen:

 

Eine Wirtschaftlichkeitshilfe gewährleistet, dass Veranstaltungen auch dann durchgeführt werden können, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes weniger Besucherinnen und Besucher zugelassen sind und somit weniger Tickets verkauft werden können. Deshalb gibt es einen Zuschuss auf die Einnahmen aus Ticketverkäufen, um die Finanzierungslücke solcher Veranstaltungen zu schließen.

 

Eine Ausfallabsicherung soll Veranstaltern zudem Planungssicherheit für größere Kulturveranstaltungen geben. Deshalb übernimmt der Sonderfonds für förderfähige Veranstaltungen im Falle coronabedingter Absagen, Teilabsagen oder Verschiebungen den größten Teil der Ausfallkosten.

 

Hier erhalten Sie aktuelle Informationen zur Beantragung der Sonderfondsmittel:

 

1. Allgemeine Fragen
2. Registrierung und Antragstellung (relevant für beide Module)
3. Wirtschaftlichkeitshilfe für Veranstaltungen bis zu 2.000 Teilnehmenden
4. Ausfallabsicherung für Veranstaltungen mit mehr als 2.000 möglichen Teilnehmenden
5. Welche Kosten sind im Rahmen des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen förderfähig?

 

Nähere Informationen finden Sie auf der Seite des Sonderfonds Kulturveranstaltungen.

 

Noch weitere Fragen?
Service-Hotline 0800 6648430
service@sonderfonds-kulturveranstaltungen.de

 


 

Einladung zur Informationsveranstaltung: Weiterentwicklung des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen

 

Das Regelwerk des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen entwickelt sich fortlaufend weiter. Unter anderem wird aktuell mit der freiwilligen Absage/Verschiebung und der Übernahme von Verschiebungskosten ein Rahmen geschaffen, in dem Veranstalter und Veranstalterinnen mit größtmöglicher Flexibilität auf die aktuellen pandemischen Entwicklungen reagieren können.

 

  • Einladung zur Online-Informations-Veranstaltung: 26. Januar 2022 von 10:00–11:30 Uhr

 

In der Veranstaltung präsentieren Vertreterinnen und Vertreter der Länder und des Bundes die Aktualisierungen des Programms und beantworten Fragen der Teilnehmenden – insbesondere mit Blick auf die neuesten Entwicklungen.

 

 

Die Infosession wird aufgezeichnet und im Nachhinein auf dem YouTube-Kanal von Kreativ Kultur Berlin zur Verfügung gestellt.

 


 

Solo-selbständige Kulturschaffende können Neustarthilfe 2022 beantragen

 

Seit dem 18. Januar können Solo-Selbständige aller Kunstbereiche sowie kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten, die einen pandemiebedingten Umsatzausfall haben, die Neustarthilfe 2022 beantragen.

 

Die Neustarthilfe 2022 gilt für die Monate Januar bis März 2022. Die maximale Förderung beträgt 4.500 Euro. Voraussetzung ist, dass coronabedingte Umsatzausfälle zu verzeichnen sind. Die Neustarthilfe wird als Vorschuss in monatlichen Raten von 1.500 Euro gezahlt und nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

 

Die Neustarthilfe 2022 richtet sich an die Betroffenen, die coronabedingte Umsatzeinbußen verzeichnen, aufgrund geringer Fixkosten aber kaum von der Überbrückungshilfe IV profitieren. Wie bisher können neben Solo-Selbständigen (mit oder ohne Personengesellschaften) auch kurz befristet Beschäftigte in den Darstellenden Künsten, unständig Beschäftigte aller Branchen sowie Kapitalgesellschaften und Genossenschaften antragsberechtigt sein.

 

Weitere Informationen sind hier zu finden.

 

Positiv ist weiter, dass die Rückzahlungsfrist für im Jahr 2020 zu viel erhaltene Hilfen aus dem ersten Corona-Hilfsprogramm auf den 31.12.2022 ausgeweitet wurde. Das ist insbesondere für jene Unternehmen und Solo-Selbständige aus dem Kultur- und Medienbereich wesentlich, die aktuell weitere Einbußen aus den bestehenden Beschränkungen bzw. coronabedingte Umsatzausfälle hinnehmen müssen.

 

 


 

Wachgeküsst: 20 Jahre neue Kulturpolitik des Bundes 1998 – 2018

 

Das Buch „Wachgeküsst. 20 Jahre neuen Kulturpolitik des Bundes 1998-2018“ bietet einen Überblick über die wichtigsten Themen der Bundeskulturpolitik der letzten zwanzig Jahre.

 

Urheberrecht, Kulturgutschutz, Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, Provinienzforschung, Filmförderung, Religion, Medien, Stiftungsreform, Künstlersozialversicherung, Kulturwirtschaft, Computerspiele, Erinnerungspolitik, Reformation, Digitalisierung, Kulturfinanzierung, Inklusion, Vielfalt und Diversität, das komplizierte Verhältnis zwischen Bund und Ländern in Kulturfragen, Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, …

 

Wer wissen will, was die neue Bundeskulturpolitik von 1998 – 2018 ausmacht und sich darüber informieren will, wie der Weg für eine sichtbare Bundeskulturpolitik bereitet wurde und was noch zu tun ist, für den ist das Buch unverzichtbar.

 

 


 

Text der Woche: Nils Minkmar „Von der nationalstaatlichen zur paneuropäischen Kultur“

 

Er lächelt die Welt an, auch wenn er friert, viel zu früh auf den Champs-Élysées herumsteht und wegen einem Übermaß an kosmetischen Behandlungen kaum wiederzuerkennen ist. Dennoch hat Jack Lang immer gute Laune. Auch, weil er noch erkannt wird an diesem Tag im Oktober 2021, an dem die Verhüllung des Arc de Triomphe durch Christo und Jeanne-Claude in einer Pressekonferenz erläutert wird. Man begrüßt ihn, bedankt sich und strahlt ihn an und Jack Lang strahlt zurück. Die erste große Aktion von Christo und Jeanne-Claude, die Verhüllung der Pont Neuf 1985, wäre ohne ihn nicht möglich gewesen.

 

Nils Minkmar war Redakteur bei „Willemsens Woche“ und schreibt für verschiedene deutsche Feuilletons, aktuell für die Süddeutsche.

 

Lesen Sie den Text hier!


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/presse/kulturpolitischer-wochenreport/03-kw-2022/