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Positionen

„Öffentlichen Konsultation zur Überprüfung der Regeln zum Urheberrecht“: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates


Berlin, den 31.01.2014. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, vereinigt in seinen Reihen Verbände der Künstler, der Kultureinrichtungen, der Kulturvereine und der Kulturwirtschaft aller künstlerischen Sparten. Er vertritt damit sowohl Rechteinhaber als auch Nutzer künstlerischer Werke.

 

Der Zugang zu Kunst und Kultur wie auch die Sicherung der Vielfalt künstlerischer Ausdrucks- und Verbreitungsformen müssen aus Sicht des Deutschen Kulturrates im Sinne des „UNESCO-Übereinkommens über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ Leitlinie der Kulturpolitik sein.

 

Der Deutsche Kulturrat hat im September 2012 die aus seiner Sicht erforderlichen Anpassungen des Urheberrechts in seinem Positionspapier „Zur Zukunft des Urheberrechts – Positionspapier des Deutschen Kulturrates“ beschrieben. Für das Jahr 2014 plant der Deutsche Kulturrat, ein Positionspapier zu Schrankenregelungen im Urheberrecht vorzulegen.

 

Im Folgenden nimmt der Deutsche Kulturrat zu ausgewählten Fragen der „Öffentlichen Konsultation zur Überprüfung der Regeln zum Urheberrecht“ Stellung:

 

II. Rights and the functioning of the Single Market

 

A. Why is it not possible to access many online content services from anywhere in Europe?

Angesichts der weitreichenden Harmonisierung des Urheberrechts in der EU bestehen zumindest im Onlinebereich kaum noch nennenswerte Unterschiede, die sich als Handelshemmnis auswirken könnten. Die Ursachen für eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Onlinediensten in manchen EU-Staaten sowie eine fehlende grenzüberschreitende Verfügbarkeit sind also nicht in der Territorialität des Urheberrechts zu suchen.

 

Die echten Schwierigkeiten liegen nach Auskunft vieler DSPs (Digital Service Provider) stattdessen in den unterschiedlichen steuerlichen, regulatorischen und vertriebstechnischen Eigenheiten der Märkte. Wenn Schwierigkeiten bei der Lizenzierung auftreten, ergeben sich diese vor allem durch eine Fragmentierung der Rechte in inhaltlicher Hinsicht (unterschiedliche Repertoires, Urheber- vs. Leistungsschutzrechte, kollektiv wahrgenommene Rechte vs. individuell, d.h. durch Verlage wahrgenommene Rechte). Auch hier können die Ursachen nicht beim Thema Territorialität gesucht werden.

 

Frage 5: Are there reasons why, even in cases where you hold all the necessary rights for all the territories in question, you would still find it necessary or justified to impose territorial restrictions on a service provider (in order, for instance, to ensure that access to certain content is not possible in certain European countries)?

Die Territorialität des Urheberrechts ist für die kulturelle Vielfalt in Europa von großer Bedeutung. National unbeschränkte Urheberrechte würden das Kulturschaffen für regional unterschiedliche Nachfrage erschweren und die regional beschränkte Verwertung verhindern.

 

Eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips mit dem Ergebnis, dass Lizenzen nicht mehr für das Territorium einzelner Mitgliedstaaten erteilt werden könnten, hätte ein race to the bottom zur Folge mit dem Ergebnis, dass sich die Nutzer dann im Territorium mit der niedrigsten Vergütung um eine Lizenz bemühen würden, um diese europaweit nutzen zu können. Als natürliche Reaktion des Marktes stünde zu erwarten, dass sich die Vergütungshöhe in Europa angleicht mit dem Ergebnis, dass es keine Niedrigpreise für wirtschaftlich schwächere Märkte (z.B. neue Mitgliedstaaten) mehr geben kann. Dies würde die Entstehung neuer Dienste in diesen Ländern erschweren.

 

Das ändert nichts daran, dass Nutzungsrechte seitens der Rechteinhaber multiterritorial vergeben werden können. Gerade im Musikbereich entsteht eine leistungsfähige Infrastruktur für die grenzüberschreitende Lizenzierung von Urheberrechten, die der grenzüberschreitenden Verfügbarkeit von Musikdiensten Vorschub leisten wird. Die Politik sollte sich der Förderung solcher Lizenzierungsmodelle annehmen.

 

Im Bereich des Films ist die territorial beschränkte Einräumung von Rechten als zur Finanzierung audiovisueller Produktionen eine sinnvolle und – etwa zum Zweck der Vorfinanzierung neuer Produktionen durch territorial segmentierte Pre-Sales – sogar notwendige und unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Vielfalt erhaltenswerte Marktvoraussetzung. Auch für eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwertung und Refinanzierung von Filmwerken ist die Möglichkeit zur Vergabe exklusiver territorial begrenzter Lizenzen entscheidende Voraussetzung. Gleiches gilt für internationale Koproduktionen, in deren Rahmen die Partner sowohl zum Zwecke der Finanzierung des Films als auch in Bezug auf die Aufteilung der Erlöse aus der Verwertung des Films bestimmte Territorien und die darauf bezogenen Rechte untereinander aufteilen.

 

In der Buchbranche stellt das Territorialitätsprinzip im Urheberrecht ebenfalls kein Problem dar. Der Verlag erwirbt vom Autor grundsätzlich weltweite exklusive Rechte in allen Sprachen, Lizenzen an ausländische Verlage werden auch wiederum in der Regel weltweit für eine Sprache erteilt. Speziell im Bereich der Bildungsmedien gibt es keine Nachfrage für mehrere Länder umfassende Lizenzen.

 

Weiter ist zu betonen, dass ein beschränktes Angebot von urheberrechtlich geschützten Inhalten innerhalb der EU weniger auf das Territorialitätsprinzip zurückzuführen ist, sondern vor allem daran liegt, dass keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, um entsprechende Vergütungen zu zahlen. Speziell Bibliotheken und andere Kultur- und Bildungseinrichtungen müssen mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden, um Lizenzen erwerben zu können.

 

B. Is there a need for more clarity as regards the scope of what needs to be authorised (or not) in digital transmissions?

Ansatzpunkte für die Überwindung der Zersplitterung der Rechte wären: Eine Stärkung der Rechteaggregatoren und die Förderung der Kooperationen von Rechteinhabern (z.B. gemeinsame Lizensierungsplattformen).

 

Bei der örtlichen Anknüpfung stellt sich die Frage des Herkunftslandprinzips gegenüber dem Bestimmungslandprinzip. Die aktuelle Rechtsprechung stellt in Auslegung des Bestimmungslandprinzips auf die Zielrichtung des Dienstes ab. Eine Anknüpfung an das Herkunftslandprinzip des Dienstes hätte weitreichende negative Folgen für den Standort Deutschland, weil damit zu erwarten wäre, dass alle Dienste in Länder mit niedrigen Tarifen und schlechter Abdeckung durch Kontrollen abwandern würden.

 

Frage 8: Is the scope of the „making available“ right in cross-border situations – i.e. when the content is disseminated across border – sufficiently clear?

Es sollte klargestellt werden, dass es sich um ein zweistufiges Nutzungsrecht handelt, bestehend aus der Bereithaltung und der Übermittlung des Werkes an den Nutzer, wobei es auf den Abruf nicht ankommt. Man benötigt das Recht deshalb für sämtliche Länder, in denen das Werk bestimmungsgemäß abgerufen werden kann.

 

Frage 11: Should the provision of a hyperlink leading to a work or other subject matter protected under copyright, either in general or under specific circumstances, be subject to the authorisation of the rightholder?

Die reine Angabe von Fundstellen im Internet per einfachem Hyperlink stellt kein Problem dar, wenn durch das Setzen des Links nicht Werke zugänglich gemacht werden, die bei Besuch der Originalseite Zugangsbeschränkungen unterliegen. Wenn jedoch – wie beim Framing – fremde urheberrechtlich geschützte Inhalte so dargestellt werden als wenn es eigene wären, die sich auf der eigenen Website befänden, sollte eine Einwilligung des Rechteinhabers in jedem Fall nötig sein. Es ist nicht einzusehen, dass derjenige, der sein Werk ins Netz stellt, technische Schutzmaßnahmen ergreifen muss, um eine solche Art der Linksetzung zu verhindern.

 

Wünschenswert wäre auch eine Lösung für Links, die zu offensichtlich illegal angebotenen digitalen Kreativgütern führen, die sich dann auf einem anderen Server befinden. Hier lehnen die Betreiber der so genannten Linksammlungen ihre Verantwortung mit dem Hinweis ab, dass sie selbst gar keinen Inhalt anbieten.

 

Frage 12: Should the viewing of a web-page where this implies the temporary reproduction of a work or other subject matter protected under copyright on the screen and in the cache memory of the user’s computer, either in general or under specific circumstances, be subject to the authorisation of the rightholder?

Grundsätzlich sollte die bloße Ansicht einer Website auch in Zukunft nicht Gegenstand einer Lizensierung sein. Zu prüfen ist allerdings, ob in geeigneter Weise klargestellt werden kann, dass die vorübergehende Vervielfältigung, zu der es bei der Ansicht kommt, jedenfalls dann nicht gesetzlich erlaubt ist, wenn es sich bei der Plattform, die aufgerufen wurde, um ein rechtswidriges Angebot handelt.

 

Frage 14: What would be the consequences of providing a legal framework enabling the resale of previously purchased digital content? Please specify per market (type of content) concerned.

Der Verkauf und die Weitergabe „gebrauchter“ digitaler Inhalte (E-Books etc.) muss grundsätzlich vom Rechteinhaber unterbunden werden können. Denn digitale Dateien unterliegen keinem Qualitätsverlust durch Benutung. Vielmehr handelt es sich um Klone der Originale. Die Ermöglichung eines „Gebrauchtmarktes“ für digitale Dateien würde zu einem erheblichen Eingriff in den Primärmarkt der Werke führen. Die Klone würden (bei gleicher Qualität) preiswerter angeboten werden. Die Urheber würden hierfür keine Vergütung erhalten.

 

Ungeklärt ist bislang jedoch die Frage, wie eine Ausleihe digitaler Werke durch Bibliotheken ermöglicht werden soll und kann.

 

C. Registration of works and other subject matter – is it a good idea?

Eine Registrierungspflicht der Rechteinhaber widerspricht bestehendem internationalem Recht. Hierauf weist die EU-Kommission zutreffend hin. Sinnvoll können dagegen in bestimmten Bereichen Registrierungspflichten auf Seiten der Nutzer sein. Dies ist beispielsweise im Bereich der verwaisten Werke auf EU-Ebene (Datenbank bei dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) und bei vergriffenen Werken auf nationaler Ebene in Deutschland (Register für vergriffene Werke beim Deutschen Patent- und Markenamt) vorgesehen.

 

D. How to improve the use and interoperability of identifiers

Der Einsatz von technischen Standards (z.B. ISAN) ist sehr sinnvoll. Die Branchenverbände arbeiten an diesen Standards. Zentral ist aber nicht nur deren Erarbeitung, sondern vor allem deren Verwendung durch die Nutzer. Hier wäre es durchaus zu begrüßen, wenn der Einsatz von derartigen Kennzeichen auf EU-Ebene in geeigneter Weise unterstützt werden könnte.

 

E. Term of protection – is it approriate?

Es besteht kein Anlass an den urheberrechtlichen Schutzfristen für Werke etwas zu ändern. Mit Blick auf Tonträger wurde vor einigen Jahren europaweit die Schutzfrist auf 70 Jahre nach Erscheinen der Aufnahme verlängert. Diese positive Veränderung ist besonders für jene Musiker von Bedeutung, die keine vertraglichen Ansprüche aus Lizenzbeteiligungen haben und nun über die gesetzlichen Vergütungsansprüche eine Vergütung erhalten, wichtig zur Sicherung ihres Lebensunterhalts. Für unbefriedigend erachtet der Deutsche Kulturrat, dass die Verlängerung der Schutzfrist nur für Tonträger gilt. Dadurch entsteht eine Ungleichbehandlung zwischen Tonträgern und audiovisuellen Werken, die durch nichts gerechtfertigt ist. Es ist absurd, dass beispielsweise die an einem Film beteiligten Schauspieler nicht mehr geschützt sind, wohl aber noch die Musiker des Soundtracks desselben Films. Häufig ist auch dasselbe Konzert sowohl als Tonträger als auch auf DVD erhältlich, man denke nur an die Konzertmitschnitte Herbert von Karajans. Dies zeigt, dass eine einheitliche Schutzfrist von 70 Jahren nach der Aufnahme unabhängig vom Trägermedium, also unter Einbeziehung audiovisueller Aufzeichnungen, sachgerecht ist.

 

Unbefriedigend ist auch die Diskriminierung der ausübenden Künstler gegenüber den Tonträgerherstellern beim Schutzfristbeginn. Durch Art. 11 Abs. 2 der Info-Soc Richtlinie wurde Art. 3 Abs. 2 der Schutzdauerrichtlinie für die Tonträgerhersteller dahingehend geändert, dass der Schutzfristbeginn bei Darbietungen, die zunächst – beispielsweise durch den Rundfunk – öffentlich wiedergegeben wurden, aber Jahre später erstmalig als CD erscheinen, das Datum des späteren Erscheinens ist. Demgegenüber ist für die ausübenden Künstler Art. 3 Abs. 1 der Schutzdauerrichtlinie weiterhin maßgeblich, der bei öffentlicher Wiedergabe und Erscheinen auf den früheren Zeitpunkt abstellt. Eine Darbietung, die 1960 als Livesendung gesendet wurde und dann 49 Jahre im Archiv schlummerte und erst 2009 als Tonträger erschien, begründete für die ausübenden Künstler Leistungsschutzrechte ab 1960, während die Tonträgerherstellerrechte 2009 beginnen. Diese Diskriminierung der kreativen ausübenden Künstler ist nicht hinnehmbar, Art. 11 Abs. 2 der Info-Soc Richtlinie sollte vielmehr auch auf ausübende Künstler erstreckt werden.

 

III. Limitations and exceptions in the Single Market

 

Schrankenregelungen haben im Urheberrecht eine lange Tradition. Durch sie werden unter anderem Nutzungen für Wissenschaft und Unterricht, für behinderte Menschen oder für Schulfunksendungen privilegiert. Sie sind sinnvoll, wo die Rechtsinhaber aus – in der Regel – praktischen Gründen das Ausschließlichkeitsrecht nicht individuell lizenzieren können und dadurch Nutzungen, die im Interesse der Allgemeinheit an sich gewünscht sind, nicht erfolgen können. Sie sind als Eingriff in das Eigentumsrecht zumeist nur dann zulässig, wenn die Rechteinhaber für die unter die Schrankenregelung fallenden Nutzungen eine angemessene Vergütung erhalten. Als Beispiel für eine Schrankenregelung, die allen Beteiligten dient, sei die seit über 40 Jahren bewährte Privatkopieschranke genannt: weil gegenüber den privaten Nutzern (Verbrauchern) ein Kopierverbot nicht durchgesetzt werden kann, wird die Privatkopie von dem urheberrechtlichen Verbotsrecht „ausgenommen“, doch die Rechteinhaber erhalten – über die Geräte- und Betreibervergütung – eine Vergütung für den Eingriff in die ausschließlichen Rechte. Diese pragmatische Lösung wurde von den meisten Europäischen Ländern übernommen. Die Probleme, die ohne eine solche vergütungspflichtige Schranke entstehen zeigen sich deutlich in Großbritannien: den Rechteinhabern gelingt es weder gegenüber den privaten Nutzern das Vervielfältigungsrecht durchzusetzen, noch erhalten sie – wie in Deutschland – eine Vergütung für das massenhafte Kopieren ihrer Werke im privaten Umfeld. Die Vorteile eines ausdifferenzierten Schrankensystems gegenüber Fair Use Lösungen liegen auf der Hand: das System der vergütungspflichtigen Schranken kann nicht nur das Interesse der Rechteinhaber an angemessener Vergütung für die Nutzung ihrer Werke und das Interesse der Allgemeinheit an Teilhabe an kulturellem Schaffen in einen Ausgleich bringen. Es erlaubt zudem, privilegierte Nutzer und Nutzungen eng zu definieren, um die in der Schranke liegende Abweichung vom Gedanken der Ausschließlichkeitsrechte so gering wie möglich zu halten. Unter Fair-Use gibt es dagegen nur entweder das Ausschließlichkeitsrecht mit Lizenzmöglichkeiten oder gar keine Vergütung. Der Deutsche Kulturrat spricht sich daher klar gegen das Konzept von Fair Use aus.

 

Frage 22: Should some/all of the exceptions be made mandatory and, if so, is there a need for a higher level of harmonisation of such exceptions?
Europaweit verbindlich eingeführt werden sollte die Privatkopieschranke – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass (weiterhin) zwingend eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber vorgesehen wird. Nur so kann für Länder, wie z.B. Großbritannien, sichergestellt werden, dass sowohl die privaten Verbraucher entkriminalisiert als auch die Rechteinhaber für die de facto nicht zu verhindernde Eingriffe in ihre Rechte angemessen vergütet werden. Es empfiehlt sich, auf das bewährte System der Geräte- und Speichermedienvergütung zurückzugreifen, dies aber so auszugestalten, dass eine willkürliche Kürzung der Vergütungen – wie unlängst in Spanien geschehen – nicht möglich ist.

 

Frage 27: In the event that limitations and exceptions established at national level were to have cross-border effect, how should the question of “fair compensation” be addressed, when such compensation is part of the exception? (e.g. who pays whom, where?)

Soweit Schrankenregelungen auch grenzüberschreitende Nutzungen abdecken, sollte die Vergütung stets von der Verwertungsgesellschaft eingezogen werden, die ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat hat, wie der Begünstigte der Schrankenregelung. Die Weiterleitung der Vergütung an Rechtsinhaber, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen oder niedergelassen sind, sollte auf der Grundlage von Gegenseitigkeitsverträgen zwischen den beteiligten Verwertungsgesellschaften sichergestellt werden.

 

A. Access to content in libraries and archives

Ebenso wie das Urheberrecht ist auch das Recht auf Teilhabe an Kunst und Kultur ein Menschenrecht. Das Internet eröffnet ganz neue Chancen der Teilhabe, die es zu nutzen gilt. Kultur- und Bildungseinrichtungen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur kulturellen Teilhabe eines jeden Bürgers und zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Sie können durch das Internet diesen gesellschaftlichen Wert erhöhen, wie z.B. der gemeinsame Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek als Teil der Europeana durch Bibliotheken, Archive und Museen eindrucksvoll belegt.

 

Neues geistiges Schaffen setzt regelmäßig die Auseinandersetzung mit vorhandenen Werken voraus. Dem wird durch das Recht der freien Benutzung und einem differenzierten Schrankenkatalog im Urheberrecht Rechnung getragen. Besonders kontrovers wurden im Rahmen des letzten Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland Schrankenregelungen zu Gunsten von Bildung und Wissenschaft diskutiert. Die geltenden Regelungen sind weiterhin umstritten.

 

Aufgrund der Digitalisierung und des Internets haben sich neue Probleme ergeben, die den Online-Verleih von Medienprodukten, z.B. E-Books in Bibliotheken, betreffen. Die gegenwärtigen urheberrechtlichen Verwertungsrechte machen es erforderlich nach Wegen zu suchen, die die Interessen der Rechteinhaber und der Nutzer berücksichtigen. Dafür bieten sich Lizensierungsmodelle der Rechteinhaber und vor allem der Verwertungsgesellschaften an. Es ist zu überprüfen, ob die gegenwärtigen Lizenzsysteme ausreichend sind und die damit verbundenen Vergütungsansprüche gesichert werden können.

 

D. Disabilities

Frage 52: What mechanisms exist in the market place to facilitate accessibility to content? How successful are they?

Verleger publizieren mehr und mehr E-Books im ePuB Format, welches bereits eine hohe Barrierefreiheit ermöglicht. Mit der Einführung von ePuB3 kann dies noch gesteigert werden. Sollte der Markt solche Formate nicht zur Verfügung stellen können, ist mit Rückgriff auf § 45a UrhG der Zugang zu den Werken gesichert.

 

E. Text and data mining

Frage 53: [In particular if you are a right holder:] Have you experienced specific problems resulting from the use of text and data mining in relation to copyright protected content, including across borders?

Dieses Thema war bislang nur für Wissenschaftsverlage relevant. Die Verlage haben Forschern, deren Forschungseinrichtungen die entsprechenden Publikationen subskribiert hatten, Lizenzen ohne zusätzliche Kosten für die Durchsuchung ihrer Bücher und Zeitschriften erteilt. Auch in Zukunft sind deutsche Verleger bereit, in diesem Bereich Lizenzen zu erteilen.

F. User-generated Content

 

Frage 62: If your view is that a legislative solution is needed, what would be its main elements? Which activities should be covered and under what conditions?

Im Bereich des User Generated Content sollte eine Lösung auf der Grundlage des bestehenden Rechts gesucht werden. In Deutschland sind freie Benutzungen erlaubt, während Bearbeitungen grundsätzlich der Zustimmung des Rechtsinhabers bedürfen, wenn sie veröffentlicht oder verwertet werden sollen. Diese Abgrenzung, die durch die Rechtsprechung näher ausgestaltet ist, sollte nicht zuletzt aus urheberpersönlichkeitsrechtlichen Gründen beibehalten werden. Soweit Lizenzierungen von User Generated Content erforderlich sind, sollten hier durch die Rechtsinhaber – ggf. auch unter Einbeziehung der Verwertungsgesellschaften – einfache Lizenzmodelle bereitgestellt werden.

 

Frage 63: If your view is that a different solution is needed, what would it be?

Internetunternehmen – insbesondere Internet Service Provider, Hostprovider, Suchmaschinenanbieter und Betreiber sozialer Netzwerke – müssen im Rahmen des Zumutbaren dafür Sorge tragen, dass Urheberrechte gewahrt werden. In Bezug auf die öffentliche Zugänglichmachung privater Bearbeitungen, Werkverbindungen und Teilwerknutzungen sollten Hostprovider – namentlich Betreiber sozialer Netzwerke oder Anbieter von Videoplattformen wie YouTube – die Pflicht treffen, klar und deutlich darauf hinzuweisen, ob der Internetdienst entsprechende Lizenzen für seine Nutzer erworben hat oder ob die Nutzer von einer öffentlichen Wiedergabe absehen müssen.

 

IV. Private copying and reprography

 

Grundsätzlich dürfen Urheber darüber bestimmen, wie ihre Werke genutzt werden. Die Privatkopieschranke stellt eine Ausnahme von dieser Regel im Interesse der privaten Nutzer dar, weil Vervielfältigungen im privaten Bereich praktisch nicht kontrolliert werden können. Sie dient dem Interesse der privaten Nutzer und dient – in Verbindung mit dem Anspruch auf angemessene Vergütung – eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber. Beides – Vervielfältigungsrecht und Vergütungsanspruch – gehört zwingend zusammen. Eine Privatkopieschranke, die keine Vergütung vorsieht, verstößt gegen geltendes EU-Recht. Daran darf sich nichts ändern. Die angemessene Vergütung lässt sich dabei am besten über das System der Geräte- und Speichermedienvergütung sicherstellen („levies“). Lizenzierungen und Privatkopieschranke schließen sich im digitalen Bereich nicht aus, sondern ergänzen sich. Während der Zugang zu dem Werk – ähnlich wie beim Kauf eines Buches – im Wege der Lizenzierung ermöglicht wird, sollten die nachfolgenden Vervielfältigungen für private Zwecke unter die Privatkopieschranke fallen.

 

Frage 65: Should digital copies made by end users for private purposes in the context of a service that has been licensed by rightholders, and where the harm to the rightholder is minimal, be subject to private copying levies?

Diese Frage ist durch den Europäischen Gerichtshof in dem Verfahren VG WORT (C-457/11-C-460/11) für das geltende Recht beantwortet worden. Soweit die Privatkopieschranke Vervielfältigungen gesetzlich erlaubt, sind die Vergütungen ausschließlich über die Geräte- und Speichermedienvergütung abzuwickeln. Auch hieran sollte zwingend festgehalten werden. Alles andere würde lediglich zu einer Absenkung der Einnahmen aufgrund der Geräte- und Speichermedienvergütung führen und damit für Urheber und sonstige Rechtsinhaber von ganz erheblichem Nachteil sein.

 

Frage 66: How would changes in levies with respect to the application to online services (e.g. services based on cloud computing allowing, for instance, users to have copies on different devices) impact the development and functioning of new business models on the one hand and rightholders’ revenue on the other?

Die Geräte- und Speichermedienvergütung ist auch dann zu zahlen, wenn geschützte Werke in Zusammenhang mit Online-Dienstleistungen (z. B. Cloud Computing) vervielfältigt werden. Das ist beispielsweise stets der Fall, wenn Werke von einem Cloud-Portal heruntergeladen und auf dem PC oder auf einem Speichermedium abgespeichert werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten im Wege des Streamings, bei denen es zu keiner dauerhaften Abspeicherung kommt, neue Vergütungsmöglichkeiten für Rechteinhaber eingeführt werden sollten.

 

Frage 67: Would you see an added value in making levies visible on the invoices for products subject to levies?

Es erscheint aus Gründen der Transparenz sinnvoll, dass Geräte- und Speichermedienvergütungen auf den Geräterechnungen ausgewiesen werden.

 

Frage 68: Have you experienced a situation where a cross-border transaction resulted in undue levy payments, or duplicate payments of the same levy, or other obstacles to the free movement of goods or services?

Nein. Die Rückerstattung von Geräte- und Speichermedienvergütungen im Zusammenhang mit Exporten wird in Deutschland in aller Regel problemlos über die zuständige Verwertungsgesellschaft abgewickelt. Dessen ungeachtet sollte konkret geprüft werden, ob es sinnvoll ist, auf europäischer Ebene eine Zentralstelle einzurichten, die europaweit derartige Rückerstattungen abwickelt.

 

Frage 69: What percentage of products subject to a levy is sold to persons other than natural persons for purposes clearly unrelated to private copying? Do any of those transactions result in undue payments? Please explain in detail the example you provide (type of products, type of transaction, stakeholders, etc.).

In Deutschland ist das Vervielfältigungsrecht nicht nur auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29, sondern auch auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 2 Buchstabe a, Buchstabe c oder Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie gesetzlich beschränkt (vgl. § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG). Diese Vervielfältigungen sind sämtlich vergütungspflichtig und unterfallen dem System der Geräte- und Speichermedienvergütung. Vor diesem Hintergrund ist sowohl bei Verkäufen von Produkten an Privatpersonen als auch in den Bildungs-, Wissenschafts- oder geschäftlichen Bereich stets eine Geräte- und Speichermedienvergütung zu bezahlen. Das schließt es allerdings nicht aus, dass bei der Höhe der Vergütung zwischen den unterschiedlichen Bereichen differenziert werden kann. Maßgeblich ist hier, in welchem Umfang gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen vorkommen. Bei Vervielfältigungen mittels bestimmter Geräte (z.B. Fotokopierer, Multifunktionsgeräten, Druckern, Scannern oder Faxgeräten) sind Nutzungen von Text und Bild für private Zwecke und zum sonstigen eigenen Gebrauch in gleicher Weise erlaubt; bei diesen Geräten ist deshalb ein einheitlicher Vergütungssatz für sämtliche Bereiche einzig sachgerecht. Bei anderen Geräten (z.B. PCs) ist es dagegen möglich, dass gesetzlich erlaubte Nutzungen im privaten Bereich überwiegen; hier können sich deshalb unterschiedliche Vergütungssätze für den privaten und den geschäftlichen Bereich anbieten.

 

Frage 70: Where such undue payments arise, what percentage of trade do they affect? To what extent could a priori exemptions and/or ex post reimbursement schemes existing in some Member States help to remedy the situation?

Vgl. Antwort zu Frage 69. Soweit für bestimmte Bereiche (z.B. für Privatpersonen oder Unternehmen) unterschiedliche Vergütungssätze vorgesehen werden, sollte die Möglichkeit bestehen, dass die Vergütungspflichtigen von Vornherein nur den einschlägigen – niedrigeren – Tarif bezahlen oder aber nachträglich eine Erstattung geltend machen können. Derartige Systeme sollten idealerweise zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Verbänden der Vergütungspflichtigen gesamtvertraglich vereinbart werden.

 

Frage 71: If you have identified specific problems with the current functioning of the levy system, how would these problems best be solved?

Das System der Geräte- und Speichermedienvergütung hat sich seit langem bewährt und muss im digitalen Zeitalter beibehalten werden. Es sichert eine angemessene Vergütung für Urheber und sonstige Rechtsinhaber im Hinblick auf massenhafte Vervielfältigungen, die anders nicht kompensiert werden könnten. Soweit es zu Schwierigkeiten in der Praxis kommt, sollten Lösungen in erster Linie auf nationaler Ebene gefunden werden. Das gilt insbesondere für die Frage, wie Vergütungen schnell und effektiv festgesetzt und geltend gemacht werden können. Allerdings sollte – wie bereits oben ausgeführt – konkret geprüft werden, inwieweit durch eine europäische Zentralstelle die Abwicklung bei Exportfällen erleichtert werden kann.

 

V. Fair remuneration of authors and performers

 

Für die Nutzung von künstlerischen Werken ist eine angemessene Vergütung unverzichtbar. Dieses gilt sowohl in den Vertragsbeziehungen zwischen Urhebern und Verwertern als auch mit Blick auf die Nutzer.

 

VI. Respect for rights

 

Im Mittelpunkt des Urheberrechts stehen der Urheber und seine Beziehung zum Werk. Allein der Urheber kann und muss entscheiden, ob er aus der Nutzung seiner Werke einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen und diesen in Zusammenarbeit mit einem Verwerter realisieren will. Viele Urheber können nur mit einem Verwerter ihre Werke in die Öffentlichkeit bringen. Jedem Urheber ist es rechtlich unbenommen, seine Werke kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Ebenso muss aber auch respektiert werden, wenn Urheber nicht wollen, dass ihre Werke kostenfrei genutzt oder aber weiterverwendet bzw. bearbeitet werden. Der Deutsche Kulturrat ist der Überzeugung, dass der Schutz des Urhebers und seines Werks sowie sein Recht, über das Ob und Wie der Nutzung zu entscheiden, ein unverrückbarer Grundsatz des Urheberrechts ist.

 

Frage 76: In particular, is the current legal framework clear enough to allow for sufficient involvement of intermediaries (such as Internet service providers, advertising brokers, payment service providers, domain name registrars, etc.) in inhibiting online copyright infringements with a commercial purpose? If not, what measures would be useful to foster the cooperation of intermediaries?

Zur Beachtung des Urheberrechts verpflichtet sind nicht nur Personen, die unmittelbar Befugnisse des Urhebers missachten. Auch Internet Service Provider, Betreiber von Suchmaschinen, sozialen Netzwerken oder „Cloud“-Diensten sowie Werbewirtschaft und Finanzdienstleister trifft aus unserer Sicht eine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz des Urheberrechts im Internet, weil sie aufgrund ihrer Marktstellung Gefahrenquellen für Rechtsverletzungen schaffen und z.B. durch das Angebot an den Nutzer anonym oder pseudonym agieren zu können, Rechtsverletzungen Vorschub leisten. Grundsätzlich sollte eine Verkehrssicherungspflicht für alle genannten Internetdienstleister gesetzlich festgeschrieben werden. Eine besondere Herausforderung besteht bei Internetplattformen, die an der Verwertung kreativer Inhalte wirtschaftlich partizipieren und oft ihr gesamtes Geschäftsmodell auf der Zugänglichmachung unlizenzierter urheberrechtlich geschützter Inhalte aufbauen. Anbieter solcher Internetplattformen berufen sich vor Gericht auf die Haftungsprivilegierung als bloßer Speicherplatzanbieter (Host Provider). Host Provider, die systematische Rechtsverletzungen ermöglichen und damit in Konkurrenz zu lizenzierten Content-Providern treten, müssen stärker als bisher in die Verantwortung genommen werden. Die bestehenden Regelungen zur Haftungsprivilegierung sind zu undifferenziert und bedürfen daher der Reform.

 

VII. A single EU- Copyright Titel

 

Ein eigenständiger EU-Urheberrechtstitel, der die nationalen Urheberrechtssysteme ersetzt, ist vor dem Hintergrund unterschiedlicher Urheberrechtstraditionen (droit d’auteur/copyright) derzeit weder realistisch noch erstrebenswert.


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