12. November 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Positionen

Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz


Berlin, den 12.11.2020. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, ist enttäuscht über den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts. Zwar sieht der Entwurf einige wenige Verbesserungen im Stiftungsrecht vor. Im Großen und Ganzen bleibt er jedoch hinter den Erwartungen sowie zivilgesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre zurück und ist von Misstrauen gegenüber der Zivilgesellschaft geprägt. Er engt die Handlungsspielräume von Stifterinnen und Stiftern sowie von Stiftungen ein, statt flexibles Handeln zu ermöglichen.

 

Im Entwurf gerät aus dem Blick, dass Stifterinnen und Stifter ihr Vermögen ganz überwiegend aus philantropischem Antrieb dem Gemeinwohl widmen. Dieser Impetus verdient Wertschätzung. Stiftungen sind wichtige zivilgesellschaftliche Akteure. Sie handeln unabhängig und sind dem in der Zweckbestimmung formulierten Stifterwillen verpflichtet. Sie sind keine Lückenbüßer für staatliches Handeln und ebenso wenig Mündel des Staates.

 

In seiner Stellungnahme vom 25.03.2015 hat sich der Deutsche Kulturrat dafür ausgesprochen, die Anpassungen im Stiftungsrecht mit Augenmaß vorzunehmen. Der vorliegende Entwurf lässt dieses Augenmaß vermissen und stellt vor allem auf die Bedürfnisse der Stiftungsaufsicht ab.

 

Im Folgenden nimmt der Deutsche Kulturrat zu ausgewählten Aspekten des o.g. Referentenentwurfs Stellung:

 

  1. Als im Grundsatz positiv erachtet der Deutsche Kulturrat die intendierte Vereinheitlichung des Stiftungsrechts. Die Ausgestaltung ist jedoch im oben erwähnten Sinne zu detailliert und einengend.
  2. Klargestellt werden sollte in jedem Fall, dass die Regelungen ausschließlich für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts gelten. Die gerade im Kulturbereich häufig anzutreffenden Treuhandstiftungen (nicht-rechtsfähige Stiftungen) werden von den Neuregelungen nicht erfasst. Hier muss vermieden werden, dass durch einen Rechtsformzusatz bei rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts andere Stiftungen in der öffentlichen Wahrnehmung benachteiligt werden.
  3. Grundsätzlich zu begrüßen ist, dass Verbrauchsstiftungen definiert werden. Die Ausgestaltung ist jedoch zu eng und praxisfern. Der Deutsche Kulturrat lehnt ab, dass künftig Verbrauchsstiftungen mit einem definierten zeitlichen Ende versehen sein müssen. Dies widerspricht der Stiftungspraxis und dem Handeln von Verbrauchsstiftungen deren zeitliches Ende bei der Errichtung nicht stichtagsgenau vorherzusehen ist. Es wäre besser, auf die Erfüllung des Zwecks abzustellen.
  4. Nicht nachzuvollziehen ist, dass die Stiftung auf Zeit nicht möglich sein soll. Dieses Modell hat sich in den letzten Jahrzehnten bewährt. Seine Abschaffung ist nicht nachvollziehbar.
  5. Positiv ist, dass die Zulegung und Zusammenlegung von Stiftungen künftig rechtssicher erfolgen. Auch eine Regelung zur Umwandlung einer Stiftung in eine Verbrauchsstiftung ist zu begrüßen.
  6. Als problematisch sieht der Deutsche Kulturrat, dass die Hürden für Satzungsänderungen und Zweckänderungen zu hoch gelegt werden. Ausnahmen sind nur in der Errichtungssatzung möglich und nur unter engen Voraussetzungen. Damit sind im Ergebnis bei bestehenden Stiftungen, deren Satzung zwar bereits eine erleichterte Satzungsänderung vorsieht, die aber den geplanten neuen Bestimmungen nicht entspricht, Satzungsänderungen nicht mehr möglich. Im Ergebnis werden bestehende Stiftungen, selbst wenn die Flexibilität in ihren Satzungen nach bisheriger Rechtslage ausreichend geregelt ist, unflexibler. Zudem ist die vorgeschlagene Regelung praxisfern und schafft Unsicherheit. Überdies sollen grundsätzlich keine Zweckerweiterungen mehr möglich sein. In bisheriger bewährter Praxis kann der Zweck einer Stiftung erweitert werden, wenn entweder die zu verwendenden Mittel für den bisherigen Zweck nicht dauerhaft voll erforderlich sind oder eine maßgebliche Zustiftung erfolgt.
  7. Die Bestimmung, dass Stiftungen künftig ihren Zweck aus den Erträgen ihres Grundstockvermögen erfüllen können sollen, ist höchst missverständlich. Es muss klargestellt werden, dass auch andere Einkunftsarten statthaft sind. Stiftungen bürgerlichen Rechts, die ihren Zweck mittels (staatlicher) Zuschüsse erfüllen, werden ansonsten handlungsunfähig.
  8. Nicht praxistauglich ist die vorgesehene Ausgestaltung der Pflicht des Vermögenserhalts für Stiftungen zu deren Vermögen Kunstwerke gehören. Die in den letzten Jahren forcierten Rückgaben von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut oder von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten könnten erschwert bis unmöglich werden. Hier würden durch das Stiftungsrecht kulturpolitische Ziele konterkariert werden.
  9. Weiter engen die geplanten Vorschriften zum Kapitalerhalt das Handeln von Stiftungen unnötig ein. Insbesondere ist die Übernahme des Surrogatsprinzips vollkommen praxisuntauglich und eine Einengung der bisherigen Rechtslage für die Verwendbarkeit von Umschichtungsgewinnen. Sie beschneiden damit mehr als bislang die Möglichkeiten von Stifterinnen und Stiftern, den Kapitalerhalt auszugestalten und werden bei bestehenden Stiftungen zu erheblichen Problemen führen.
  10. Das geplante Stiftungsregister ist im Grundsatz ein zu begrüßender Ansatz, in seiner Ausgestaltung bleibt es jedoch hinter den Transparenzerwartungen mit Blick auf Mittelherkunft und -verwendung zurück.
  11. Generell fehlen Übergangsregelungen für bestehende Stiftungen, damit sie sich an die neue Rechtslage anpassen können. Das trifft beispielsweise auf Satzungsänderungsmöglichkeiten zu, die bisher bestanden und die nun an die neue Rechtslage angepasst werden müssen, um zu vermeiden, dass die Stiftungen entgegen dem Stifterwillen faktisch erstarren.
  12. Nicht nachzuvollziehen ist für den Deutschen Kulturrat, weshalb ein haftungsfreier Ermessensspielraum bei vernunftbasiertem Handeln nur Stiftungsvorständen nicht aber Vereinsvorständen zugestanden werden soll. Hier wird ein Graben zwischen Stiftungen und Vereinen geschaffen, der nicht nachvollziehbar ist. Im Kulturbereich haben Vereine eine herausragende Bedeutung.

 

Insgesamt regt der Deutsche Kulturrat an, den vorgelegten Referentenentwurf grundlegend zu überarbeiten, ihn vom paternalistischen Denken zu befreien und einen Entwurf für ein Stiftungsrecht vorzulegen, der einer modernen Demokratie des 21. Jahrhunderts mit einer starken Zivilgesellschaft gerecht wird.


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