20. September 2006 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Positionen

Resolution: Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement verbessern und nicht verschlechtern


Deutscher Kulturrat wendet sich gegen Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums zum Gemeinnützigkeitsrecht

Berlin, den 20.09.2006. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat das am 08.08.2006 vorgestellte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums der Finanzen „Die abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke auf dem Prüfstand“ mit Erstaunen zur Kenntnis genommen.

 

Das Gutachten zielt u.a. darauf ab, die gemeinnützigen Zwecke eng zu begrenzen, die Abzugsfähigkeit von Spenden einzuschränken und die Zweckbetriebe einzugrenzen, das Kultursponsoring zu erschweren und die Übungsleiterpauschale abzuschaffen. Die Umsetzung der Vorschläge dieses Gutachtens würde das Bürgerschaftliche Engagement empfindlich treffen.

 

Im Dezember 2005 hat der Deutsche Kulturrat ausgehend von der Aussage im Koalitionsvertrag der Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, wie das Gemeinnützigkeitsrecht reformiert werden kann, um das Bürgerschaftliche Engagement zu stärken. In diese Stellungnahme sind auch Positionen der Projektgruppe zur Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts eingeflossen, an der sich neben dem Deutschen Kulturrat Dachverbände unterschiedlicher Engagementfelder sowie Fachwissenschaftler des Gemeinnützigkeits- und Non-Profit-Sektor-Rechts beteiligen.

 

Bürgerschaftliches Engagement ist ein festes Standbein des kulturellen Lebens. Millionen Bürgerinnen und Bürger engagieren sich in Fördervereinen für Kultureinrichtungen, in Organisationen von Laien, in Stiftungen usw. Dieses Engagement findet in gemeinnützigen Vereinen und Verbänden oder gemeinnützigen Stiftungen statt. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren Kultureinrichtungen in gemeinnützige GmbHs oder gemeinnützige Stiftungen überführt. Die Gemeinnützigkeit hat also im Kulturbereich einen herausgehobenen Stellenwert. Beispiele für gemeinnützige Arbeit im Kulturbereich sind die Chöre und Orchester, ehrenamtlich geführte Büchereien, Kunstvereine, Literarische Gesellschaften, Autorenvereinigungen. Viele Kultureinrichtungen wie z.B. soziokulturelle Zentren, Musikschulen oder Jugendkunstschulen haben die Rechtsform eines gemeinnützigen Vereins. Bürgerinnen und Bürger errichten mit ihrem Vermögen Stiftungen zur Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern oder zur Pflege der Kunst. Bürgerinnen und Bürger unterstützen die Denkmalpflege und zeitgenössische Baukultur. Junge Menschen engagieren sich im Freiwilligen Sozialen Jahr Kultur. Generationsübergreifende Freiwilligendienste etablieren sich im Kulturbereich. Fördervereine von Museen ermöglichen den Ankauf von Bildern oder die Organisation von besonderen Ausstellungen, Bibliotheken sind zunehmend auf die Unterstützung von Fördervereinen zum Ankauf von Büchern oder zur Durchführung von Veranstaltungen angewiesen. Besondere Aufführungen oder Konzerte der Theater und Konzerthäuser, der Chöre und Orchester sowie von Festivals sind auf die Unterstützung von Fördervereinen, Freundeskreisen sowie Kultursponsoring angewiesen.

 

Diese Beispiele belegen, dass neben der staatlichen oder kommunalen Kulturförderung und der Kulturwirtschaft der gemeinnützige Sektor im Kulturbereich eine nicht wegzudenkende Größe ist. Die Reichhaltigkeit und Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland beruht ganz entscheidend auch auf diesem Bürgerschaftlichen Engagement der Bürgerinnen und Bürger in gemeinnützigen Organisationen.

 

Noch in der Koalitionsvereinbarung aus dem November 2005 wurde von der Bundesregierung angekündigt, das Bürgerschaftliche Engagement weiter zu fördern und das Gemeinnützigkeitsrecht entsprechend zu reformieren. Der Deutsche Kulturrat hatte die geplante Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements begrüßt. Sollten jedoch die Vorschläge des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats umgesetzt werden, richtet sich die Reform gegen den gemeinnützigen Sektor und stärkt ihn nicht.

 

Der Deutsche Kulturrat erachtet den Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats zur Trennung des Status der Gemeinnützigkeit von der Steuerbegünstigung als bedenkenswert. Heute streben vielfach Vereine die Gemeinnützigkeit, d.h. die Steuerbegünstigung, an, um öffentliche Mittel beantragen, Zivildienstleistende beschäftigen oder Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr Kultur anbieten zu können. Sie erwirtschaften aber keine steuerbaren Umsätze, so dass sie eigentlich die Steuerbegünstigung nicht bräuchten. Würde der Status der Gemeinnützigkeit von der Steuerbegünstigung getrennt, müssten diese Vereine keine Steuerbegünstigung mehr anstreben. Der Status der Gemeinnützigkeit müsste dann sinnvollerweise von einer anderen Institution als dem Finanzamt anerkannt werden. Hierzu gibt es in anderen EU-Mitgliedsstaaten bereits positive Beispiele.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass der Kulturbereich stets von beidem lebt, der Förderung und Bewahrung des kulturellen Erbes sowie der Förderung und Unterstützung der zeitgenössischen Künste. So wichtig die Pflege des kulturellen Erbes ist, ebenso bedeutsam und für die Gesellschaft von großer Bedeutung ist die Förderung der zeitgenössischen Kunst. Jedes kulturelle Erbe war zuerst zeitgenössische Kunst. Eine Verengung der gemeinnützigen Zwecke im Kulturbereich auf die Pflege des kulturellen Erbes wird vom Deutschen Kulturrat abgelehnt. Ebenso hält es der Deutsche Kulturrat für nicht vertretbar, dass die Pflege des kulturellen Erbes nur unter der Voraussetzung gemeinnützig sein soll, dass die Kosten mit den erzielbaren Einnahmen aus Eintrittsgeldern o.ä. nicht nachhaltig abgedeckt werden können.

 

Der Deutsche Kulturrat macht deutlich, dass Vereine Zweckbetriebe unterhalten, um Einnahmen für den ideellen Bereich zu erwirtschaften. Gerade öffentlich geförderte Vereine werden zunehmend dazu aufgefordert, eigene Einnahmen – auch durch wirtschaftliche Tätigkeit – zu erzielen, um sinkende öffentlichen Zuschüsse auffangen zu können. Darüber hinaus sind Kultureinrichtungen in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH oder einer gemeinnützigen Stiftung per se Zweckbetriebe. In den vergangenen Jahren wurden Kultureinrichtungen vermehrt in diese Rechtsformen überführt, um Kosten zu sparen und Bürokratie abzubauen. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung von Zweckbetrieben wird daher vom Deutschen Kulturrat abgelehnt. Eine Abschaffung der Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe würde letztlich das Angebotsspektrum der Vereine deutlich einschränken oder zu Lasten der öffentlich Hand gehen.

 

Ebenso wie die wirtschaftliche Tätigkeit von Kultureinrichtungen und Kulturvereinen an Bedeutung gewonnen hat, gilt dieses auch für das Kultursponsoring. Kulturvereine und Kultureinrichtungen wurden in den letzten Jahren verstärkt aufgefordert, sich für ihre Vorhaben, um Sponsoren zu bemühen. Das Kultursponsoring hat dank des Engagements der Unternehmen und Veränderungen in den Kultureinrichtungen zugenommen. Eine Reduzierung der Abzugsmöglichkeiten als Betriebsausgaben für Kultursponsoring lehnt der Deutsche Kulturrat ab. Wenn die Abzugsmöglichkeiten für Unternehmen beim Kultursponsoring restriktiver gehandhabt werden, wird dieses dazu führen, dass das Kultursponsoring zurückgeht und der finanzielle Handlungsspielraum der Kulturvereine und Kultureinrichtungen noch enger wird. Ebenso dürfen Sponsoring-Mittel nicht auf die öffentliche Förderung angerechnet werden.

 

Spenden sind ein weiteres wichtiges Standbein zur Finanzierung von Kultureinrichtungen und Kulturvereinen. Der Deutsche Kulturrat hat sich klar dafür ausgesprochen, dass gemeinnützige Organisationen in besonderem Maße der Transparenz verpflichtet sind. Dieses muss aber mit Blick auf die Größe der Vereine bzw. Kultureinrichtungen sowie deren Umsätze verhältnismäßig sein. Die Nennung der Spender ist ein wichtiges Instrument, weitere Spender gewinnen zu können. Es hat sich daher bewährt, wenn Spendern öffentlich gedankt wird und damit das finanzielle Bürgerschaftliche Engagement eine Anerkennung erfährt. Eine Einschränkung der Abzugsfähigkeit von Spenden lehnt der Deutsche Kulturrat ab.

 

Mitgliedsbeiträge haben gerade im Kulturbereiche eine herausragende Bedeutung, wenn es um das finanzielle Bürgerschaftliche Engagement geht. Rein quantitativ liegt die finanzielle Förderung von Kunst und Kultur durch Mitgliedsbeiträge über der aus Spendenmitteln. Eine Abschaffung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen würde dieses Bürgerschaftliche Engagement nachdrücklich beeinträchtigen.

 

Im Musikbereich ist es weit verbreitet, dass Dirigenten oder Chorleiter eine Aufwandsentschädigung erhalten. Diese Aufwandsentschädigung ist zur Zeit bis zu einem Betrag von 1.780,– Euro im Jahr steuerfrei. Diese steuerfreie Aufwandspauschale, die so genannte Übungsleiterpauschale, dient der Unterstützung des langfristig angelegten, kontinuierlichen Engagements speziell in der Laienmusik. Der Deutsche Kulturrat lehnt die Abschaffung der so genannten Übungsleiterpauschale ab. Eine Abschaffung der Übungsleiterpauschale würde das Engagement empfindlich treffen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung zu einer konsistenten Politik im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements auf. Die Rahmenbedingungen für gemeinnützige Organisationen sollten verbessert und nicht durch restriktive Vorgaben verschlechtert werden!

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die Kulturpolitiker der Bundesregierung und des Deutschen Bundestags auf, sich des für den Kulturbereich existentiellen Themas der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts anzunehmen. Der Deutsche Kulturrat fordert die Kulturpolitiker der Länder und Kommunen auf, ihr Gewicht bei der anstehenden Reform des Gemeinnützigkeitsrechts geltend zu machen und sich dafür einzusetzen, dass mit der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts das Bürgerschaftliche Engagement in der Kultur gestärkt und nicht geschwächt wird.


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