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Positionen

Praktika im Kultur- und Medienbereich differenziert betrachten


Deutscher Kulturrat zu Plänen der Bundesregierung, den Mindestlohn für Praktika einzuführen

Berlin, den 18.06.2014. Die Bundesregierung plant mit der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns auch die Entlohnung von freiwilligen Praktika gesetzlich zu regeln. Vorgesehen ist, dass Praktikanten, die ein freiwilliges Praktikum absolvieren, nach einer Frist von sechs Wochen, in der keine Vergütung vorgeschrieben ist, den flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn erhalten. In der Diskussion ist als Mindestlohn derzeit ein Betrag von 8,50 Euro/Stunde.

 

Im Kultur- und Medienbereich sind Praktika weit verbreitet. Übereinstimmend wurde in zwei Absolventenstudien aus dem Jahr 2007 herausgearbeitet, dass Absolventen von geistes- und kulturwissenschaftlichen Studiengängen sowie von Studiengängen im Architekturbereich häufiger ein Praktikum absolvieren als Absolventen anderer Studiengänge. Auch beschäftigen Unternehmen aus Kunst, Kultur und Medien häufig Praktikanten. Der Kultur- und Medienbereich ist also in besonderem Maße von dem Phänomen Praktikum und damit auch der geplanten Regelung betroffen.

 

Die im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossenen Verbände der Künstler, der Kultureinrichtungen, der Kulturvereine und der Kulturwirtschaft aller künstlerischen Sparten sind davon überzeugt, dass Arbeit angemessen vergütet werden muss. Dieses gilt auch für Praktika. Der Deutsche Kulturrat wendet sich entschieden gegen die Ausnutzung von Stellensuchenden im Kultur- und Medienbereich sowie den Ersatz regulärer Arbeitskräfte durch Praktikanten.

 

Praktika sind aus Sicht des Deutschen Kulturrates eine sinnvolle Möglichkeit, um die Berufswirklichkeit und verschiedene Berufsfelder kennenzulernen. Das gilt in besonderem Maße für Studierende, deren Studium nicht unmittelbar auf eine berufliche Tätigkeit ausgerichtet ist. Insofern ist es aus Sicht des Deutschen Kulturrates nachvollziehbar, dass insbesondere in geistes- und kulturwissenschaftlichen Studiengängen, die weniger auf einen Beruf als vielmehr auf ein Wissenschaftsfeld ausgerichtet sind, Praktika einen hohen Stellenwert haben.

 

Damit Praktika einen Einblick in das Berufsleben bieten, sollten Praktikanten in Arbeitsabläufe eingebunden werden. Nur so können sie feststellen, ob der erprobte Berufsweg tatsächlich den Erwartungen entspricht. Das setzt voraus, dass eine Betreuung der Praktikanten erfolgt und sie verantwortlich Aufgaben übernehmen. Arbeitgeber sind daher in der Verantwortung, Praktikumsziele zu formulieren. Aus dem Architekturbereich gibt es bereits ein Beispiel wie von Verbandsseite ein Curriculum für Praktika entwickelt wurde. Diesem positiven Beispiel sollten andere Verbände folgen und für die jeweilige Branche oder das Arbeitsfeld abgestimmte Curricula für Praktika entwickeln. Den Einsatz von Praktikanten als billige Arbeitskräfte, die für Hilfsarbeiten eingesetzt werden, lehnt der Deutsche Kulturrat ab. Praktikanten sind keine Aushilfskräfte.

 

Praktika müssen von anderen Formen des beruflichen Einstiegs abgegrenzt werden. Im Kultur- und Medienbereich sind auf einen längeren Zeitraum angelegte Hospitanzen oder auch Volontariate üblich. Hospitanten oder Volontäre befinden sich noch in der Ausbildungsphase. Diese Ausbildungsphase setzt in der Regel ein abgeschlossenes Studium voraus und führt im Verlauf der Ausbildung sukzessive zu stärkerer Übernahme von Verantwortung. Diese Ausbildungsphase findet in einer entsprechenden Vergütung ihren Ausdruck. Die geplante Entlohnung von Praktika darf nicht zu einer Aufweichung der Grenzen zu Hospitanzen oder Volontariaten führen.

 

In einigen Bereichen des Mediensektors ersetzen Praktika die Ausbildung. Die Tätigkeitsbereiche erlauben den Quereinstieg und setzen weder eine akademische noch eine Ausbildung im dualen Ausbildungssystem voraus. Angesichts der sich stetig wandelnden Bedingungen in diesen Arbeitsfeldern – nicht zuletzt aufgrund technischer Entwicklungen – wäre die Entwicklung von Ausbildungsgängen nicht adäquat. Praktika in jenen Tätigkeitsbereichen müssen angemessen vergütet werden. Eine starre Regelung, wie sie von der Bundesregierung vorgesehen ist, kann aber für kleinere Unternehmen eine unüberwindbare Hürde darstellen, die dazu führen kann, dass diese Praktika entfallen müssen. Hier gilt es adäquate Lösungen zu finden, die dem Anliegen nach einer angemessenen Vergütung von Praktikanten gerecht werden und zugleich die branchenspezifischen Gegebenheiten berücksichtigen.

 

Der Deutsche Kulturrat hält einen Zeitraum von sechs Wochen bei freiwilligen Praktika, in denen von der Zahlung des Mindestlohns abgewichen werden kann, für zu knapp bemessen. In sechs Wochen kann es kaum gelingen, tatsächlich einen Eindruck vom Arbeitsfeld zu gewinnen und eigenständig Aufgaben zu übernehmen. Aus Sicht des Deutschen Kulturrates sollte generell der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn für Praktikanten erst nach drei Monaten greifen.

 

Wer Mindestlöhne für Praktikanten und andere Mitarbeiter im Kulturbereich politisch will, muss allerdings auch dafür sorgen, dass die Budgets öffentlich oder öffentlich-rechtlich finanzierter Projekte so ausgestattet sind, dass eine faire Bezahlung aller Beteiligten möglich ist.


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