9. Februar 2015 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Positionen

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in der digitalen Medienwelt


Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 09.02.2015. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich in seiner „Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu Kultur und Medien in der digitalen Welt“ vom 28.06.2013 themenübergreifend mit dem Spannungsfeld von Kultur und Medien in der digitalen Welt auseinandergesetzt. Er hat in dieser Stellungnahme formuliert, dass die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Medienwelt neu zu bestimmen seien.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD für die 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zu medienpolitischen Fragen vereinbart wurde. Das historisch gewachsene Recht der Länder, die Rundfunkgesetzgebung zu gestalten, stößt angesichts der Konvergenz der Medien und der Berührungspunkte zwischen Telemedien- und Rundfunkrecht an seine Grenzen. Eine verbesserte Abstimmung und gemeinsame Politik von Bund und Ländern ist nicht zuletzt aufgrund der vor allem wettbewerbspolitischen Betrachtung des Rundfunks durch die EU-Kommission erforderlich. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf internationale Handelsabkommen wie z.B. das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP).

 

Aufgrund der historischen Erfahrungen mit einem Staatsrundfunk hat die grundgesetzlich garantierte Rundfunkfreiheit in Deutschland eine herausragende Bedeutung. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland muss staatsfern und unabhängig von ökonomischen und politischen Interessen sein. Er muss zu gesellschaftlichen Debatten beitragen und jedem Bürger den Zugang zu Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur ermöglichen. Er leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Meinungsbildung, zur Inklusion und ist zugleich selbst Teil des gesellschaftlichen und kulturellen Diskurses.

 

Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Bildung, Information, Unterhaltung und Kultur anzubieten, wurde vom Gesetzgeber festgelegt und in mehreren Urteilen des Bundesverfassungsgerichts unter Bezugnahme auf die grundgesetzlich garantierte Rundfunkfreiheit, die Staatsferne und seine Bedeutung für den gesellschaftlichen Diskurs bestätigt. Die Länder konkretisieren in ihren Rundfunkgesetzen mit Blick auf länderspezifische Besonderheiten den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

 

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten handeln in eigener journalistischer und redaktioneller Verantwortung. Sie sind besonders hohen inhaltlichen undjournalistischen Standards verpflichtet und müssen immer wieder neu darauf achten, politische Interessen und ökonomischen Einfluss auf die Berichterstattung zurückzudrängen.

 

Die Rundfunkräte haben eine wichtige Kontrollfunktion mit Blick auf die Erfüllung des Auftrags. Nicht zuletzt durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag aus dem Jahr 2008, in dem unter anderem die Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet geregelt sind, ist die Verantwortung der Rundfunkräte gewachsen, da sie auch für die immer komplexer werden den Telemedienkonzepte verantwortlich zeichnen.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk einwesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge ist.

 

Finanzierung

Da der öffentlich-rechtliche Rundfunk in erster Linie aus Beiträgen der Bürger finanziert wird, ist er den Bürgern verpflichtet. Daraus folgt, dass er die Gesellschaft in ihrer gesamten Breite und Vielfalt abbilden soll. Das schließt auch massenwirksame Angebote mit ein. Damit kann er gemeinschaftsstiftend wirken. Zugleich muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch Angebote für kleinere Publikumsgruppen anbieten und hierfür entsprechende Ressourcen bereitstellen. Jedes Programm eines öffentlich-rechtlichen Anbieters muss auffindbar und zugänglich sein.

 

Der Deutsche Kulturrat betont, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgrund seiner Beitragsfinanzierung verpflichtet ist, Angebote für alle Bevölkerungsgruppen bereit zu halten, um die breite Akzeptanz des Systems zu sichern. Sein Programm muss sich an kultureller Vielfalt, gesellschaftlicher Relevanz und inhaltlicher, formaler wie gestalterischer Qualität orientieren.

 

Vor dem Hintergrund der beschriebenen gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fordert der Deutsche Kulturrat:

 

Gesellschaftliche Relevanz

Auch in der digitalen Welt muss die gesellschaftliche Relevanz von Angeboten das leitende Moment sein. Einschaltquoten oder Klickzahlen sind kein zureichender Maßstab zur Beurteilung eines Angebotes oder dessen Bereithaltung in der digitalen Medienwelt. Es gilt vielmehr die gestalterische, ästhetische und redaktionelle Qualität, den Beitrag zur Aufklärung, Identitätsstiftung und kulturelle Vielfalt sowie die künstlerische Autonomie in den Vordergrund zu rücken. Die bestehenden Angebote müssen mit Blick auf solche Kriterien weitergedacht werden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht einigen großen Zielgruppen möglichst viel bietet, sondern den vielen Zielgruppen ein möglichst großes Angebot unterbreitet. Sein Angebot prägt Hör- und Sehgewohnheiten der Bürger und der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann sich mit einem qualitativ hochwertigen Angebot ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber seinen Zuschauern und Hörern sichern.

 

Verstärkung des Kulturauftrags

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verbreitet kulturelle Inhalte und ist als Produzent selbst Kulturträger. Seit dem Jahr 2008 ist der Kulturauftrag im Rundfunkstaatsvertrag ausdrücklich erwähnt. Bei der Erfüllung des Kulturauftrags müssen die verschiedenen künstlerischen Genres wie z.B. Musik, darstellende Kunst, Literatur, bildende Kunst, Architektur, Design, Hörspiel sowie Film in ihren unterschiedlichen Gattungen unter Berücksichtigung sowohldes kulturellen Erbes als auch zeitgenössischer Ausdrucksformen leitend sein. Ein Teil des Programmauftrags sind die Klangkörper.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, den im Staatsvertrag formulierten Kulturauftrag fortzuentwickeln und mit Blick auf die digitale Medienwelt die kulturelle Akzentsetzung präziser zu fassen.

 

Digitalisierung von Archiven

Die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbes. Dieses kulturelle Erbe muss gesichert und digitalisiert werden, auch um für öffentliche Vorführungen unter Wahrung der Urheber- und Leistungsschutzrechte und Zahlung einer angemessenen Vergütung zur Verfügung zu stehen. Ursprüngliche Bild-und Tonformate müssen möglichst originalgetreu erhalten bleiben.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass hierfür entsprechende Finanzmittel bereitgestellt werden. Weiter regt der Deutsche Kulturrat eine Diskussion über die Abgabe eines Pflichtexemplars für Fernsehbeiträge analog der Pflichtabgabe von Filmen oder Büchern an.

 

Zugänglichkeit im Internet

Internet-basierte Mediatheken haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Viele Beitragszahler wissen die sendezeitunabhängige Möglichkeit zu schätzen, Beiträge anzuhören oder anzusehen und dabei unter Umständen zusätzliche Informationen angeboten zu bekommen. Ein Aspekt der Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist daher die Erreich- und Auffindbarkeit seines Angebots. Der Deutsche Kulturrat sieht die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung der öffentlich-rechtlichen Angebote. Die Verfügbarkeit von Eigenproduktionen der Sender in öffentlich-rechtlichen Mediatheken ist auszuweiten. Bei einem Teil der Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks handelt es sich um Auftragsproduktionen, die von den Sendern nur teilweise finanziert werden. Grundsätzlich haben sie einen ideellen und ökonomischen Wert. Beides muss bei der Zugänglichkeit von Angeboten im Internet beachtet werden. Deshalb müssen die Verwerterinteressen aller beteiligten Anbieter auch im Zusammenhang mit der Verweildauer berücksichtigt werden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die Möglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Angebote in Internet-basierten Mediatheken zu verbreiten, in Erwägung dessen ausgeweitet werden. Dieses entspricht der zugesicherten Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie den Interessen der Beitragszahler. Voraussetzung für diese Erweiterung des Angebots ist die Bereitstellung von ausreichenden Mitteln, um die angemessene Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten sicherzustellen.

 

Technik und Verbreitung

Trotz der großen Bedeutung digitaler Verbreitungswege von Hörfunk und Fernsehen sowie der zunehmenden Relevanz des Internets als weiterem Verbreitungsweg mit Rückkanal dürfen die linearen Verbreitungswege nicht vernachlässigt werden. Ebenso gilt es, vom Internet oder Kabel unabhängige digitale Verbreitungswege weiter auszubauen wie etwa DVB-T2. Die Finanzierung aus Beiträgen der Bürger verlangt, dass Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von allen Bürgern empfangbar sein müssen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass in der Frequenzpolitik die Versorgungssicherheit garantiert sein muss. Zudem muss die Signalintegrität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Endgeräten gesichert sein.

 

Partizipation

Das Internet ermöglicht neue Formen der Partizipation, die vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbstbewusst genutzt werden sollen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass nicht auf nur bestehende, kommerzielle Angebote wie z.B. Facebook oder Twitter fokussiert, sondern die Chance ergriffen wird, eigene Angebote des Austauschs und der Partizipation zu entwickeln. Urheberrechtlich geschützte Inhalte müssen in Sozialen Medien als solche respektiert werden.

 

Kontrolle und Staatsferne

Die Programmaufsicht erfolgt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die Rundfunkräte.

 

Der Deutsche Kulturrat erwartet, dass die Rundfunkräte Kompetenzen über die neuen spezifischen Produktions-, Verwertungs- und Verbreitungsbedingungen im Rundfunk aufweisen. Der Deutsche Kulturrat sieht im Sinne des Gemeinwohls das Erfordernis, dass die bestehende Gremienstruktur weiterentwickelt wird und neue gesellschaftliche Gruppen Eingang in die Rundfunkräte finden. Der Deutsche Kulturrat regt an, perspektivisch Modelle zur Wahl von Rundfunksratsmitgliedern aus dem Kreis der Beitragszahler ähnlich den Sozialwahlen zu entwickeln.

 

Kostentransparenz

Die Finanzierung aus Beiträgen der Bürger verlangt Kostentransparenz. Die in einigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehenden Ansätze zu mehr Transparenz in der Mittelverwendung gilt es konsequent weiterzuentwickeln.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die Kriterien zur Ermittlung des Finanzbedarfs nachvollziehbar und transparent sein.

 

Mittelzuweisung

Die Mittel müssen entlang des ermittelten Bedarfs zugewiesen werden. Zur Entwicklungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören auch die Investitionen in Technik und in Personal sowie die faire Zusammenarbeit mit unabhängigen Produzenten und Freien. Dabei dürfen die Ausgaben für Administration und Auftragsproduktionen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

 

Der Deutsche Kulturrat ist der Auffassung, dass zur Sicherung der Qualität und der Entwicklungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine ausreichende Finanzausstattung erforderlich ist. Einseitige Kürzungen insbesondere von Programmmitteln sind zu vermeiden.

 

Werbefreiheit

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass das Internetangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werbefrei ist. Das unterscheidet ihn positiv von anderen Angeboten.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass dieses erhalten bleibt. Die Werbefreiheit darf innerhalb der Angebote Dritter nicht durch neue technische Geräte unterlaufen werden, sondern die Signalintegrität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss gesichert sein.

 

Entwicklungsgarantie

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine verfassungsrechtlich bestätigte Entwicklungsgarantie in die digitale Medienwelt. Diese Entwicklungsgarantie eröffnet ihm die Möglichkeit, neue Verbreitungswege zu nutzen und neue Angebote zu entwickeln.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstützt diese Entwicklungsgarantie. Damit entstehen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Bezug auf die digitale Medienwelt neue Aufgabenfelder und Verpflichtungen. Notwendige Strukturreformen dürfen die Erfüllung seines Programmauftrags in hoher Qualität nicht gefährden.


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