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Positionen

Kultur und Medien in der digitalen Welt: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates


Berlin, den 26.06.2013. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, verfolgt die aktuellen Debatten zur Entwicklung von Kultur und Medien in der digitalen Welt und hat sich bereits seit 2008 in verschiedenen Stellungnahmen zu Einzelaspekten der Auswirkungen der Digitalisierung auf Kultur und Medien positioniert. Erst jüngst hat der Deutsche Kulturrat das Positionspapier „Zur Zukunft des Urheberrechts“ verabschiedet, in dem er sich ausführlich mit dem Thema Urheberrecht und Digitalisierung auseinandersetzt. In der vorliegenden Stellungnahme benennt der Deutsche Kulturrat aktuelle medienpolitische Herausforderungen in der digitalen Welt, die in weiteren Stellungnahmen vertieft werden sollen.

 

Die Digitalisierung ist ein Epochenumbruch in mannigfacher Hinsicht. Auch tradierte Vorstellungen über das Verhältnis von Künstlern, von Vermittlern und von Nutzern gelten seither nicht mehr in gleichem Maße wie in der analogen Welt.

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates gibt es keinen Gegensatz zwischen Kultur und Internet. Kulturpolitik und Netzpolitik gehören – auch auf parlamentarischer Ebene – zwingend zusammen, sind aufeinander bezogen, eng miteinander verflochten, ein Gegen- oder Nebeneinander erweist sich letztlich als unproduktiv.

 

1. Das Internet ist zuerst eine technische Infrastruktur mit der Möglichkeit der kulturellen Teilhabe

Wie kein anderer Medienträger eröffnet das Internet vielfältige Gelegenheiten der Teilhabe und der Interaktion – es trägt und transportiert Inhalte ganz direkt und universell und nimmt, insbesondere durch die unbegrenzten Möglichkeiten der Verknüpfung, selbst Einfluss auf die unterschiedlichen Inhalte. Das Internet ermöglicht in einem zuvor nicht realisierbaren Maße den Dialog und die Interaktion zwischen Künstlern und Nutzern.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert einen ungehinderten Zugang zum Internet, um so allen Bürgern Teilhabe an der Informationsgesellschaft zu ermöglichen. Dabei müssen die Rechte aller Beteiligten im Prozess der kulturellen Teilhabe gewahrt werden.

 

2. Das Internet an sich ist weder demokratisch, noch undemokratisch

Das Internet bietet Zugangsmöglichkeiten in einem zuvor kaum gekannten Ausmaß. Selbst umfängliche Informationen können blitzschnell, global und preiswert bereitgestellt und mit weiteren Quellen und Fakten verknüpft werden.

 

Weltweite Zugangsmöglichkeiten und Informationen alleine schaffen aber noch keine Demokratie, denn Demokratie basiert auch auf der Beteiligung aller am Willensbildungsprozess; das Internet macht diese Aushandlungsprozesse der verschiedenen Gruppen und Individuen nicht überflüssig. Es kann sie aber unterstützen und transparenter machen – und auch unübersichtlicher.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht: Das Internet muss frei nutzbar sein, aber es ist kein rechtsfreier Raum. Die informationelle Selbstbestimmung als Teil der Privatsphäre und Freiheit jedes Einzelnen darf nicht zur Disposition gestellt werden. Ihre Grenze findet die Freiheit jedoch in der Verletzung der Grundrechte Dritter.

 

3. Meinungsfreiheit ist ein hohes gesellschaftliches Gut. Sie setzt allerdings die Möglichkeit zur Bildung von Meinungen voraus.

Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit sind für eine Demokratie unverzichtbar. Der Deutsche Kulturrat tritt für diese Grundrechte ein. Die enorme Vielfalt an Meinungen, Positionen und Informationen im Internet stellt besonders hohe Anforderungen an jeden Einzelnen sich damit auseinanderzusetzen, sie zu bewerten und sich schließlich seine eigene Meinung zu bilden.

 

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist daher im digitalen Zeitalter essentiell, nur ein medienkompetenter Nutzer kann im Internet gesellschaftlich verantwortungsvoll handeln und sich aus der Vielzahl an Informationen eine Meinung bilden. Dazu gehört auch die Herausforderung, Informationen richtig einordnen zu können und im Umgang mit virtuellen Identitäten zwischen real und virtuell unterscheiden zu können.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, in die Vermittlung von Medienkompetenz zu investieren. Als weitere öffentliche Aufgabe bleibt, für die Transparenz auch in Form von Suchalgorithmen zu sorgen und sicherzustellen, dass der Zugang zu und die Auswahl von Informationen im Internet nicht durch wirtschaftliche oder politische Interessen behindert oder verfälscht wird.

 

4. Das Internet als Wirtschaftsraum

Das Internet steht auch für eine neue Epoche des Wirtschaftens. Die Wirtschaftsmodelle der analogen Welt sind in vielen Bereichen existentiell betroffen. Zugleich werden für das Internet aber auch viele neue, attraktive Inhalte benötigt, die von Kultur- und Medienschaffenden erdacht und erstellt werden. Ihre angemessene Vergütung muss die Voraussetzung für die Geschäftsmodelle im Internet sein.

 

Die im Internet sich abzeichnenden Mono- oder Oligopole sieht der Deutsche Kulturrat als eine Gefahr für die kulturelle Vielfalt. Ein chancengleicher Wettbewerb im Internet setzt voraus, dass alle Beteiligten einen wirtschaftlichen Ertrag erzielen können und Verbraucher- und Datenschutz berücksichtigt werden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass Geschäftsmodelle im Internet nicht zu Lasten der Kultur- und Medienschaffenden gehen und jede Nutzung von Werken angemessen vergütet wird.

 

5. Autoren und Künstler erschaffen ein Werk von eigenem Wert

Auch im Internet sind und bleiben Autoren und Künstler die Schöpfer ihrer Werke. Diese Werke haben einen ideellen und materiellen Wert. Beide müssen auch in der digitalen Welt geachtet und geschützt werden.

 

Aus dem schöpferischen Akt der Künstler entsteht eine breite Wertschöpfungskette, an der viele beteiligt sind. Künstlerische Produktion muss in diesem Prozess Wertschätzung erfahren und dem Künstler zugeschrieben werden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass künstlerische Arbeit geachtet, geschützt und bei Nutzung eines Werks vergütet wird sowie weiterhin als geistiges Eigentum vererbbar sein muss. Nur der Künstler kann entscheiden, auf eine Vergütung seines Werkes zu verzichten.

 

6. Die Präsenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet

Der gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein wichtiger kultureller Faktor in Deutschland. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat den Auftrag der Grundversorgung. Er kann und muss kulturelle Vielfalt sichern.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internetzeitalter neu zu bestimmen. Der Deutsche Kulturrat wird hierzu Modelle vorlegen, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Informations-, Bildungs-, Unterhaltungs- und Kulturauftrag im Rahmen seiner Entwicklungsgarantie in der digitalen Welt nachkommen kann, ohne in eine Nischenposition verdrängt zu werden oder den Wettbewerb zu verzerren.

 

7. Die Sicherung des kulturellen Erbes

Die Digitalisierung bietet neue Chancen der Sicherung des kulturellen Erbes, die die analogen Möglichkeiten ergänzen. Mit dem Internet erweitern sich die Möglichkeiten der Nutzung von und Teilhabe an Kultur und Medien.

 

Allerdings stellt sie Kunst und Künstler auch vor neue Probleme: Zeitgenössische Kunstwerke, die mit digitalen Medien erstellt wurden, sind in einem zuvor nicht gekanntem Maße dem Verfall preisgegeben, bereits nach wenigen Jahren sind die Werke kaum mehr zeig- oder abspielbar. Das stellt insbesondere die damit befassten kulturellen Institutionen vor ganz neue Herausforderungen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert Bund und Länder auf, ausreichend Ressourcen zur Sicherung des kulturellen Erbes in der digitalen Welt bereit zu stellen und sich verstärkt mit der Sicherung digitaler Kunstwerke auseinanderzusetzen.

 

8. Ein kontinuierlicher Dialog ist erforderlich

Aufgrund der beschleunigten gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen ist ein frühzeitiger, kontinuierlicher und verbindlicher Dialog der verschiedenen Akteure aus Kultur-, Netz- und Wirtschaftspolitik unverzichtbar, um die kulturelle Vielfalt zu sichern und weiterzuentwickeln.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert eine gleichberechtigte Teilhabe der Kultur- und Medienschaffenden an der Ausgestaltung des digitalen Raumes. Die Kulturpolitik darf dabei nicht allein durch die technische Entwicklung und deren Möglichkeiten bestimmt werden.


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