5. Dezember 2012 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Positionen

Konsultationspapier „Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften zu ermäßigten Mehrwertsteuersätzen“: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates


Berlin, den 05.12.2012. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich am 31.05.2011 zum „Grünbuch der EU-Kommission über die Zukunft der Mehrwertsteuer. Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren Mehrwertsteuersystem“ [KOM (2010) 695 endgültig] positioniert. In seiner Stellungnahme hat der Deutsche Kulturrat unterstrichen, dass ein kulturfreundliches Steuerrecht unter anderem dazu beitragen kann, dass sich mehr Menschen in Kulturorganisationen engagieren, dass Kulturorganisationen unkomplizierter ihren steuerlichen Pflichten nachkommen können, dass der Kulturaustausch unbürokratischer abläuft, dass der Kauf von Kulturgütern breiten Bevölkerungsschichten möglich ist, dass die wirtschaftliche Grundlage von Künstlern gesichert ist, dass die kulturelle Vielfalt befördert wird.

 

Der Deutsche Kulturrat bekräftigt in dieser Stellungnahme zum Konsultationspapier „Überprüfung bestehender Rechtsvorschriften zu ermäßigten Mehrwertsteuersätzen“, dass im Mehrwertsteuersystem den EU-Mitgliedsstaaten im Bereich der Kultur soweit als möglich ein Gestaltungsspielraum verbleiben sollte. In den verschiedenen europäischen Verträgen, zuletzt im Vertrag von Lissabon, wurde der EU in Fragen der Kulturpolitik stets eine subsidiäre Funktion zugewiesen. Zuerst sind die Mitgliedstaaten gefordert, kulturpolitisch aktiv zu werden. Da laut den Europäischen Verträgen die anderen Politikfelder auf ihre Wirkungen auf den Kulturbereich hin überprüft werden müssen (Kulturverträglichkeitsprüfung), ist der Deutsche Kulturrat der Überzeugung, dass im vorliegenden Fall die Kulturverträglichkeitsprüfung zwingend zu dem Schluss führen wird, die Gestaltung des Mehrwertsteuersystems im Bereich der Kultur soweit als möglich in der Hand der EU-Mitgliedstaaten zu belassen, damit sie auch mittels steuerlicher Vorschriften, die Kultur stärken und fördern können.

 

Diese Auffassung wird durch das von den EU-Mitgliedstaaten sowie der EU selbst ratifizierte UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zusätzlich unterstützt. In Art. 1 h wird das souveräne Recht der Staaten bekräftigt, Maßnahmen beizubehalten bzw. zu ergreifen, die sie für den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen in ihrem Hoheitsgebiet für angemessen erachten. In Art. 6 (2) werden diese Maßnahmen näher beschrieben. Der Deutsche Kulturrat sieht sich nicht zuletzt durch das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen darin bestärkt, dass die Gestaltung und die Verwaltung des Mehrwertsteuersystems vor allem in der Hand der Nationalstaaten bleiben sollen.

 

Der Deutsche Kulturrat wird im Folgenden ausschließlich zu Frage 7 Stellung nehmen, da hier unmittelbar kulturpolitische Fragen berührt werden.

 

Frage 7: Wie sollte angesichts der Notwendigkeit eines einheitlichen und zukunftssicheren Ansatzes auf EU-Ebene ein E-Book im EU-Recht definiert werden?

 

Der Deutsche Kulturrat ist der Auffassung, dass ein E-Book künftig wie ein gedrucktes Buch dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen sollte. E-Books sind in der Regel weitgehend mit dem gedruckten Buch inhaltsgleich. Es ist deshalb unverständlich, wenn das gedruckte Buch mit dem ermäßigten und das digitale Buch mit dem vollen Umsatzsteuersatz belegt werden. Auch für E-Books, die einen Zusatznutzen bieten, sollte ein ermäßigter Umsatzsteuersatz angewandt werden, da Grundlage für die Gewährung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht wegfällt.

 

Weitere Forderungen

Der Deutsche Kulturrat sieht darüber hinaus weiteren Änderungsbedarf mit Blick auf die Bildende Kunst. Er ist der Auffassung, dass entweder die Bildende Kunst in den Anhang III der Europäischen Mehrwertsteuersystem-Richtlinie aufgenommen werden soll, damit die Bildende Kunst umsatzsteuerlich den anderen Kunstbereichen gleich gestellt wird und damit generell für die bildende Kunst ein ermäßigter Umsatzsteuersatz gewährt werden kann. Wenn dies nicht gelingt, sollten zumindest die in Teil A des Anhangs IX der Europäischen Mehrwertsteuersystem Richtlinie aufgeführten Kunstgegenstände um künstlerischen Siebdruck, Videokunst und künstlerische Designleistungen ergänzt werden, damit die Mitgliedsstaaten auch für diese künstlerischen Ausdrucksformen einen ermäßigten Umsatzsteuersatz einführen können. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese – nicht mehr ganz neuen – künstlerischen Ausdrucksformen vom ermäßigten Umsatzsteuersatz ausgenommen werden.

 

Darüber hinaus erinnert der Deutsche Kulturrat an seine Forderung, Kultureinrichtungen ein Optionsrecht einzuräumen, mit dem ihnen der Verzicht auf eine Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen ermöglicht wird. Bereits die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ hat in ihrem Schlussbericht (Bundestagsdrucksache 16/7000) ein solches Optionsrecht empfohlen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Kultureinrichtungen gibt, die – entgegen dem eigentlichen Sinn und Zweck einer Entlastung der Kosten kultureller Dienstleistungen von der Umsatzsteuer – de facto umsatzsteuerlich belastet werden, weil sie aufgrund einer Umsatzsteuerbefreiung nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Aktuell stehen insbesondere privatwirtschaftliche Kultureinrichtungen vor dem Problem, dass die Finanzbehörden von sich aus für eine Umsatzsteuerbefreiung votieren und die entsprechenden Schritte bei den zuständigen Kulturbehörden einleiten, ohne zuvor mit den Kultureinrichtungen Rücksprache genommen zu haben. Für die Kultureinrichtungen hat dieses Vorgehen negative Auswirkungen, da oftmals in beträchtlichem Umfang bereits erstattete Vorsteuern wieder zurückgezahlt werden müssen.


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