30. September 2015 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Positionen

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates


Berlin, den 30.09.2015. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit dieser Stellungnahme zum „Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts“. Im Dezember 2014 hatte der Deutsche Kulturrat erstmals zur geplanten Novellierung des Kulturgutschutzes in Deutschland Stellung genommen. Grundlage war der Fragenkatalog Der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zur Novellierung des Kulturgutschutzes. Der Deutsche Kulturrat hat in der Stellungnahme vom Dezember 2014 grundsätzlich eine Reform des Kulturgutschutzes und die Zusammenführung der bestehenden Vorschriften in einem Gesetz begrüßt. Im geplanten Kulturgutschutzgesetz sollen bisher in unterschiedlichen Normen fixierten Regeln zusammengeführt und die EU-Richtlinie zum Kulturgutschutz vom Mai 2014 in nationales Recht übersetzt werden. Ein weiteres Ziel ist es, insbesondere die Regeln zur Einfuhr von Kulturgut klarer zu fassen und auf die Kulturgutschutzpraxis in anderen Ländern besser zu reagieren. Mit dem Kulturgutschutzgesetz soll die Aus- und die Einfuhr sowie die Rückgabe von Kulturgut in einem Gesetz geregelt werden. Diesen zusammenführenden Ansatz begrüßt der Deutsche Kulturrat ausdrücklich.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht mit dieser Stellungnahme, dass die „UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ auch bei diesem Gesetzesvorhaben zur Richtschnur genommen werden muss. Das bedeutet u.a., die Kulturwirtschaft nicht durch überbordende bürokratische Vorschriften zu belasten. Der Handel mit Kunst, mit Kulturgütern, aber auch mit wertvollen Büchern, Handschriften usw. ist ein essentieller Teil des Kulturbetriebs. Ebenso gehört zum Kulturbetrieb, dass Privatpersonen sowie Unternehmen Kulturgüter kaufen und sammeln. Von diesem privaten Engagement können auch öffentliche Kultureinrichtungen bzw. mehrheitlich öffentlich geförderte Kultureinrichtungen profitieren, wenn ihnen beispielsweise Kunstwerke und Kulturgüter als Leihgaben zur Verfügung gestellt werden. Darum begrüßt der Deutsche Kulturrat ausdrücklich die Klarstellung, dass Leihgaben in Museen nicht automatisch unter Kulturgutschutz gestellt werden. Diese Unterschutzstellung muss vom Leihgeber ausdrücklich gewünscht und kann jederzeit widerrufen werden. Handelt es sich um Werke lebender Künstler so müssen sie der Unterschutzstellung zustimmen. Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass außerhalb von Museen nur wenige Arbeiten in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufzunehmen sind. Angesichts aktueller Debatten und Missverständnisse zum Begriff des national wertvollen Kulturguts regt der Deutsche Kulturrat einen kulturpolitischen Diskurs zu diesem Thema an. Hierfür könnte ein Kongress mit internationaler Beteiligung den Austausch und die Diskussion befördern.

 

Nachfolgend äußert sich der Deutsche Kulturrat zu ausgewählten Sachverhalten des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts:

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 4 Internetportal zum Kulturgutschutz geregelt werden soll,

  • dass der Bund ein zentrales Internetportal zum Kulturgutschutz errichtet und unterhält. Ein solches Portal wird zu mehr Transparenz beim Kulturgutschutz sowohl mit Blick auf die Ausfuhr wie auch die Einfuhr beitragen.

 

Der Deutsche Kulturrat regt an,

  • dass in dem Internetportal neben den Verzeichnissen national wertvollen Kulturguts und den Eintragungsanforderungen für national wertvolles Kulturgut auch Ansprechpartner in Bund und Ländern sowie die Mitglieder der Sachverständigengremien zur Eintragung von national wertvollem Kulturgut verzeichnet werden.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 6 Nationales Kulturgut klargestellt wird,

  • dass neben dem nationalen Kulturgut, das in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen ist, Kulturgut, das sich in öffentlichem Eigentum einer Kulturgut bewahrenden Einrichtung oder in einer Einrichtung, die überwiegend durch Zusagen der öffentlichen Hand finanziert wird, befindet, als nationales Kulturgut betrachtet wird. Dies entlastet die Verantwortlichen der angeführten Sammlungen von der Entscheidung, für einzelne Sammlungsstücke eine Eintragung in eine Liste national wertvollen Kulturguts zu beantragen. Darüber hinaus ist dies insbesondere mit Blick auf Ansprüche auf Rückgabe im Fall von abhanden gekommenem Kulturgut bedeutsam;
  • dass Leihgeber von Kulturgütern an öffentliche oder überwiegend öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen die Möglichkeit erhalten, für die Dauer der Leihgabe das Kulturgut ebenfalls unter den Schutz als national bedeutsames Kulturgut stellen zu lassen. Damit wird auch klargestellt, dass die entliehenen Kulturgüter nicht automatisch dem Kulturgutschutz unterliegen und private Leihgeber nicht gezwungen werden können, ihr Eigentum unter Schutz stellen zu müssen.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht allerdings nach wie vor das Erfordernis,

  • dass praktikable Lösungen für den Schutz von Sammlungen in privater Trägerschaft, die eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, wie beispielsweise der Murnau-Stiftung, entwickelt werden müssen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 7 Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes ausgeführt wird,

  • dass Werke lebender Urheber nur mit deren Zustimmung eingetragen werden. Diese Klarstellung sollte insbesondere Bedenken von Künstlern zerstreuen, dass gegen ihren Willen Werke als national wertvolles Kulturgut eingetragen werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Werke nach wie vor Eigentum der Urheber sind oder ob sie an einen privaten Dritten veräußert wurden.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht das Erfordernis, in der Begründung zu präzisieren und entsprechend zu kommunizieren,

  • dass Werke lebender Künstler, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, wie z.B. Kunstsammlung des Bundes, automatisch unter den Kulturgutschutz öffentlicher Sammlungen fallen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 7 Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes deutlich gemacht wird,

  • dass an die Eintragung von Werken in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts hohe Anforderungen gestellt und diese auch beschrieben werden. Sowohl aus dem Gesetzestext als auch der Begründung geht hervor, dass einem inflationären Gebrauch dieses besonderen Schutztitels vorgebeugt und die Eintragungshürden hoch gelegt werden sollen.

 

Der Deutsche Kulturrat gibt zu bedenken,

  • dass bei der Bewertung von Kulturgut als für Deutschland bedeutsam und identitätsstiftend nicht nur historische oder gesellschaftliche, sondern auch künstlerische bzw. gestalterische Aspekte herangezogen werden müssen. Hierzu wäre es erforderlich, die bestehende Begriffsdefinition von Kulturgut, um den gestalterischen Bereich zu erweitern. Dieses kommt zwar in der Begründung zum Ausdruck, sollte aber auch im Gesetz selbst klargestellt werden.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 12 Steuerliche Begünstigung von national wertvollem Kulturgut, Ausgleich bei Verkauf infolge wirtschaftlicher Notlage klar benannt wird,

  • dass eine Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts steuer-und erbschaftsrechtliche Privilegierungen zur Folge hat;
  • dass ein Eigentümer von national wertvollen Kulturgut, sollte er aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf gezwungen sein und aufgrund der Eintragung einen geringeren Erlös erzielt, einen billigen Ausgleich beantragen kann. Hier wird die Regel aus dem geltenden Kulturgutschutzgesetz übernommen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 13 Löschung der Eintragung die besondere Verantwortung für NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut berücksichtigt wird,

  • dass für Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut die Eintragung von national wertvollem Kulturgut in ein Verzeichnis gelöscht wird, wenn der NS-verfolgungsbedingte Entzug festgestellt wird. Das hat zur Folge, dass dieses Kulturgut an den Eigentümer oder dessen Rechtsnachfolger ausgeführt werden kann. Hiermit wird eine gesetzliche Lücke geschlossen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 14 Eintragungsverfahren festgelegt wird,

  • dass für das Eintragungsverfahren in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts ein mindestens fünfköpfiges Expertengremium zu beteiligen ist;
  • dass in der Begründung davon ausgegangen wird, dass die Länder die entsprechenden Landesverbände aus dem Museumsbereich und des Kunsthandels, um Vorschläge für das Expertengremium bitten.

 

Der Deutsche Kulturrat geht davon aus,

  • dass der Bund bei der Besetzung seines „Platzes“ in den Sachverständigenausschüssen der Länder ebenfalls auf die Fachkompetenz aus den Kulturverbänden zurückgreifen wird.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass hinsichtlich der in § 15 Mitwirkungspflichten während des Eintragungsverfahrens beschriebenen Rechteeinräumung bzw. -übertragung klargestellt wird,

  • dass entstehende Kosten für den Eigentümer aus Ziffer 3 von der öffentlichen Hand erstattet werden.

 

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass in § 18 Beschädigungsverbot nicht mehr vom Substanzerhalt des eingetragenen Kulturguts die Rede ist, sondern unspezifisch formuliert wird, dass es verboten sei, das Kulturgut zu beschädigen bzw. sein Erscheinungsbild „nicht nur unerheblich“ zu verändern. Es wird der Eindruck erzeugt, dass es dem Eigentümer bzw. Besitzer des Kulturguts überlassen wird, selbst zu entscheiden, wann eine Veränderung „nicht nur unerheblich ist“. Die Einschätzung, wann eine Veränderung des Erscheinungsbildes des Kulturguts erheblich ist, muss Fachleuten vorbehalten bleiben. Der Deutsche Kulturrat fordert daher,

  • dass der Begriff der „nicht nur unerheblichen“ entweder in § 2 Abs. 1 gesetzlich definiert wird oder die Einschränkung auf „nicht nur unerhebliche“ Veränderungen aus dem Gesetz gestrichen wird.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass in § 32 Unrechtmäßige Einfuhr von Kulturgut klargestellt wird,

  • dass beim Einfuhrverbot die geltenden Rechtsvorschriften des Herkunftslandes zugrunde gelegt werden sollen und dabei auch darauf abgehoben wird, dass bei archäologischem Kulturgut das Herkunftsland teilweise nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann und hier Ländergruppen herangezogen werden können. Die bisherigen Bestimmungen hinsichtlich der unrechtmäßigen Einfuhr sind ins Leere gelaufen, weil auf ein in anderen Staaten nicht übliches Listenprinzip abgehoben wurde. Strenge Einfuhrbestimmungen für archäologisches Kulturgut sind gerade mit Blick auf die vielfach schwierige politische Situation in den Herkunftsländern archäologischen Kulturguts von sehr großer Bedeutung.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht das Erfordernis, dass einem möglichen Generalverdacht gegenüber Händlern von archäologischem Kulturgut entgegengetreten werden muss, mit illegalem Kulturgut zu handeln. Die bestehenden Stichtagsregeln (26.04.2007 Inkrafttreten der UNESCO-Konvention von 1970 in Deutschland und 31.12.1992 Inkrafttreten der entsprechenden EU-Richtlinie) gilt es stärker zu kommunizieren. Nicht von der Hand zu weisen ist,

  • dass Händler, die archäologisches Kulturgut anbieten, strengen Nachweisregeln unterliegen. Bei einer Regelung ist zu beachten, dass der An- und Verkauf von Kulturgut eine geschäftliche Angelegenheit ist und Geschäftsbeziehungen nicht veröffentlicht werden müssen;
  • dass eine unkompliziert handhabbare Lösung für private Sammler gefunden werden muss, die ihre Sammlungen vor 2007 erworben haben.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass bei den Sorgfaltspflichten beim Verkauf von Kulturgut (§ 41 Allgemeine Sorgfaltspflichten, § 42 Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen, § 43 Erleichterte Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen) zwischen Privatpersonen und dem Handel unterschieden wird. Es ist wichtig,

  • dass für Privatpersonen zwar weniger Pflichten beim Verkauf von Kulturgut gelten, zugleich aber einige vertretbare Sorgfaltspflichten im Gesetz genannt sind;
  • dass für den professionellen Handel strengere Maßstäbe gelten, die sich an den Verhaltenskodices der einschlägigen Verbände orientieren. Dies unterstreicht die Relevanz des professionellen Handels und schafft Rechtssicherheit für Käufer;
  • dass erleichterte Sorgfaltspflichten für den Handel mit zeitgenössischer Kunst eingeführt werden sollen. Damit wird nochmals untermauert, dass die zeitgenössische Kunst nicht im Fokus des Kulturgutschutzgesetzes steht.

 

Der Deutsche Kulturrat kann nachvollziehen, dass mit Blick auf das Ziel, künftig die Provenienz eines Werks nachweisen zu können, Vorschriften zu § 45 Aufbewahrungs- und Aufzeichnungspflichten normiert werden. Der Deutsche Kulturrat gibt allerdings zu bedenken,

  • dass vom Kunst- und Antiquitätenhandel durch das neue Gesetz Aufbewahrungspflichten verlangt werden, die über die Aufbewahrungspflichten eines Kaufmanns deutlich hinausgehen. Offen ist, was mit den 30 Jahre aufzubewahrenden Dokumenten passiert, wenn eine Firma aufgegeben wird und kein Nachfolger die Fima übernimmt. Hierfür gilt es, bundeseinheitliche Regeln für geeignete Aufbewahrungsorte vorzugeben, bei denen sichergestellt ist, dass Geschäftsgeheimnisse Konkurrenten nicht zugänglich gemacht werden. Bei der Entwicklung einer entsprechenden Vorschrift sowie Auswahl eines entsprechenden Archivs sollte die Sachkenntnis der Fachverbände genutzt werden. Die örtlichen Industrie- und Handelskammern wären kein geeigneter Aufbewahrungsort für diese sensiblen Unterlagen;
  • dass auf die Verbände des Kunst- und Antiquitätenhandels ein erhöhter Beratungsbedarf ihrer Mitglieder zukommen wird, weil ihnen über die kaufmännischen Vorschriften hinausgehende Nachweispflichten auferlegt werden. Hier sollte analog der Unterstützung von öffentlichen Einrichtungen bei der Provenienzrecherche eine finanzielle Unterstützung für diese zusätzliche Aufgabe beantragt werden können.

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