Auch die kulturelle Bildungslandschaft braucht Unterstützung!

Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass die Arbeit schnell wieder aufgenommen wird

Die Corona-Krise bedroht den Bereich frei-gemeinnütziger Organisationen der kulturellen Bildung und der kulturellen Jugendarbeit in ihrer Existenz. Freischaffende oder in kleinen Agenturen und Vereinen arbeitende Kultur-, Medien-, Musik-, Spiel-, Tanz-, Theater- und Zirkuspädagoginnen und -pädagogen sowie Kultur- und Medienschaffende sind unmittelbar von Einnahmeausfällen und Insolvenz betroffen, beispielsweise durch das Wegbrechen ihrer Honorare für kulturpädagogische Angebote im Ganztag und anderen Bildungseinrichtungen.

 

Gemeinnützig und mischfinanziert

 

Das Gros ist abhängig von öffentlichen Mitteln und verfügt über keine finanziellen Reserven, um Einnahmeverluste auch nur für kurze Zeit aufzufangen. Unterstützungsprogramme in Form von Krediten helfen hier nicht, da die Akteure als Empfänger öffentlicher zweckgebundener Mittel keine Gewinne oder Rücklagen erwirtschaften können.

 

Kulturelle Bildungseinrichtungen, wie Musik- oder Jugendkunstschulen, sind zudem angehalten, Eigenmittel in Form von Teilnehmergebühren aufzubringen. Eine weitere Finanzierungssäule sind Projekte in kommunalen, landesweiten oder bundesweiten Förderprogrammen wie z. B. „Kultur macht stark“. Hier herrscht Unsicherheit, wie mit schon bewilligten Projekten oder vereinbarten Honoraren etc., die nicht stattfinden können, verfahren wird.

 

Eine Querschnittsaufgabe

 

Kulturelle Bildung liegt in der Zuständigkeit verschiedener Ressorts wie Jugend, Bildung und Kultur. Damit besteht die Gefahr, dass Akteure bei konkreten Hilfsprogrammen einzelner Ressorts oft aus dem Blickfeld geraten. Auch ist das Feld stark auf der kommunalen Ebene verankert. Hier gibt es noch wenige Erkenntnisse darüber, ob und wie Kommunen in der aktuellen Krise unterstützen können.

 

Der Bundesdachverband Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) führt derzeit eine Umfrage seiner Mitglieder zu Folgen der Corona-Krise durch. Es wird schon jetzt davon ausgegangen, dass die Infrastruktur dieses für Gesellschaft, Kultur und Bildung unverzichtbaren Handlungsfeldes in großen Teilen zerstört werden könnte, wenn Rettungsmaßnahmen nicht schnell, ausreichend und langfristig greifen.

 

Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche auch in Corona-Zeiten

 

Für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass die kulturelle Bildungslandschaft schnell ihre reguläre Arbeit wieder aufnehmen kann. Denn zum Alltag zurückzukehren heißt auch zur „Kultur“ zurückzukehren. Schon jetzt wären digitale kulturelle Bildungsangebote für junge Menschen in Zeiten des Kontaktverbots wünschenswert. Obwohl viele Träger fördertechnisch und infrastrukturell noch nicht für digitale Angebote ausgerichtet sind, kann hier aktuell viel ehrenamtliches Engagement beobachtet werden, z. B. das Medienprojekt Wuppertal mit seinem Aufruf zu „Corona Diaries“. Hier werden junge Menschen motiviert, mit der Kamera aktuelle Ereignisse ihres Lebens in Form eines digitalen Tagebuchs der Krise zu dokumentieren. Einzelne Musik- und Jugendkunstschulen entwickeln erste digitale Angebote. Auch wirken Musikschullehrer beispielsweise an einer bundesweiten Initiative einer Balkonmusikaktion nach italienischem Vorbild mit.

 

„Soforthilfe“-Forderungen an die Politik

 

Allgemein muss sichergestellt werden, dass bei unterstützenden Maßnahmen Akteure der kulturellen Bildung nicht in die Kompetenzmühlen zwischen Bund, Land und Kommune oder den Ressorts Kultur, Jugend, Bildung geraten.

 

Im Rahmen der Soforthilfe bedarf es eines großzügigen Handlungsspielraums in der Ausschöpfung des Haushaltsrechts und Anpassung der Förderregularien, z. B. Stornierungsgebühren bzw. Ausfallhonorare als förderfähig anzuerkennen, Fristen der aktuellen Situation anzupassen, keine Rückforderung von Projektmitteln für Veranstaltungen, die nicht stattfinden können, bzw. unkomplizierte Anerkennung alternativer digitaler Formate und damit verbundener Durchführungskosten. In Teilen wird dies schon von einzelnen Fördergebern, wie beispielsweise dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand praktiziert.

 

Für Freiberufler und freie Träger bedarf es zudem existenzsichernder Soforthilfemaßnahmen aufgrund wegfallender Honorare und Teilnehmergebühren. Hier gilt es zu prüfen, ob die schon auf den Weg gebrachten Hilfemaßnahmen von Bund und Ländern wirklich kompatibel für das spezifische Feld der kulturellen Bildung sind.

 

Kombinierter Hilfe- und Zukunftsfonds für nachhaltige Struktursicherung

 

Da aktuell keiner weiß, wie lange die Einrichtungsschließungen andauern, müssen Einnahmeverluste auch langfristig kompensiert werden. Es ist sicherzustellen, dass die aktuellen umfangreichen Soforthilfemaßnahmen nicht dazu führen, dass künftige Fördermaßnahmen infrage gestellt werden. Denn speziell das Feld der kulturellen Bildung ist auf Finanzierung durch zusätzliche Projektmittel angewiesen. Eine sinnvolle Maßnahme wäre die zeitnahe Implementierung eines Zukunftsfonds, der finanziellen Ausgleich für Ausfälle von Teilnahmegebühren ermöglicht und zugleich Experimentierraum für eine zeitgemäße Weiterentwicklung der kulturellen Bildung schafft, wie beispielsweise die schon lange geforderte Fortbildungsoffensive für aktuelle Querschnittsthemen wie Diversität, Digitalität etc. Die seit einiger Zeit in der kulturellen Bildung geforderte Digitalisierungsoffensive könnte ebenfalls Gegenstand eines solchen Zukunfts- bzw. Transformationsfonds sein. Aufgrund der Coronavirus-Krise wird verstärkt mit digitalen Formaten experimentiert. Eine zeitnahe Fördermaßnahme zur systematischen Umsetzung „kontaktarmer“ analog-digitaler Aktivitäten käme nicht nur den Trägern, sondern auch jungen Menschen in der aktuellen Situation zugute. Das Einrichten eines kombinierten Hilfe-und Zukunftsfonds, der Experimentierraum für eine Reorganisation der kulturellen Bildungslandschaft in analog-digitale zeitgemäße Strukturen ermöglicht, wäre dann nicht nur eine Notmaßnahme, sondern eine Investition in die Zukunft.

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2020.

Susanne Keuchel
Susanne Keuchel ist ehrenamtliche Präsidentin des Deutschen Kulturrates und Hauptamtlich Direktorin der Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW.
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