27. März 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?


Die Länder sagen Hilfe zu

Anmerkung: Diese Beiträge wurden zuerst in Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, veröffentlicht. Für den Schwerpunkt „Corona versus Kultur“ in der Ausgabe 4/2020 von Politik & Kultur wurden alle Kulturministerinnen und Kulturminister der 16 Bundesländer für Beiträge angefragt. Für die Ausgabe 4/20 antworteten Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit Beiträgen. Lesen Sie diese Beiträge untenstehend.

Die Bundesländer Berlin, NRW, Saarland, Sachsen und Thüringen antworteten erst in der Ausgabe 5/2020. Lesen Sie diese Beiträge hier.

 

Baden-Württemberg

 

Es ist eine in Friedenszeiten bizarre, historisch einmalige Situation: Museen, Theater, Konzerthäuser, Bibliotheken, Kleinkunstbühnen, kommunale Kinos und andere Orte des öffentlichen Kulturlebens sind seit Mitte März geschlossen. Nach der aktuellen Corona-Verordnung mussten und müssen über mehrere Wochen oder gar Monate Vorstellungen, Lesungen, Ausstellungen, Kabarett-Programme, Gastspiele und Festivals abgesagt werden, zu denen das Publikum in Scharen geströmt wäre. So paradox es ist: Genau dies gilt es derzeit zu verhindern. Wo mit Blick auf Kunst und Kultur bisher von gesellschaftlichem Kit und von sinnstiftendem Miteinander die Rede war, ist als Maßnahme gegen die rasante Ausbreitung des Coronavirus bis auf Weiteres „soziale Distanz“ das Gebot der Stunde.

 

Premieren, Ausstellungen, Events, Programmreihen und mehr, die über Monate oder gar Jahre ersonnen, geplant und einstudiert wurden, in denen das Herzblut und die Kreativität von unzähligen Kulturakteurinnen und -akteuren steckt: Alles umsonst! Selbst Proben und Trainings sind nicht mehr möglich.

 

Was für die Öffentlichkeit nur ein vorübergehender Verzicht auf Kulturgenuss bedeutet, ist für Kreative der Super-GAU. Die Leiterinnen und Leiter der Kultureinrichtungen, die freien Künstler und Künstlerinnen sowie in der Kreativwirtschaft Tätige fragen sich, wie und ob sie die unabsehbaren Einnahme- und Honorarverluste verkraften können. Aufträge und Engagements brechen weg. Viele Kulturinstitutionen sind in eine finanzielle Schieflage geraten, sodass ihre Rolle als Arbeit- und Auftragsgeber gefährdet ist. Darüber hinaus ist fraglich, was mit den Förder- und Sponsorengeldern passiert, die bereits in die Produktionen geflossen sind und nun ihren Verwendungszweck verloren haben.

 

Um das reiche und vielfältige Kulturleben zu sichern, hat die Politik erste Initiativen gestartet, um möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen. Es geht jetzt darum, für die finanzielle Existenz derjenigen einzutreten, die unter den Vorkehrungen gegen die Pandemie-Ausbreitung besonders leiden. In Baden-Württemberg verschaffen wir uns sukzessive einen Überblick über die ökonomischen Härten für die Kunst- und Kulturszene und tun alles dafür, um die gewachsene kulturelle Infrastruktur für die Zeit nach dem Virus zu erhalten und weiter handlungsfähig zu machen. Unter dem Namen „Soforthilfe Corona“ hat die baden-württembergische Landesregierung schon eine Art Erste-Hilfe-Programm aufgelegt. Es richtet sich an Soloselbständige, Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten und Angehörige der Freien Berufe, zu denen auch die künstlerisch-kreativen zählen. Vorgesehen ist ein einmaliger, nicht rückzahlbarer Zuschuss bis zu einer Höhe von maximal 30.000 Euro für drei Monate. Soloselbständige, die durch die Corona-Krise nachweislich ab dem 11. März Einnahme- und Auftragsverluste erlitten haben, können einen Zuschuss in Höhe von 9.000 Euro erhalten.

 

Als ein Zeichen der Solidarität sehe und begrüße ich die vielen Spendenaktionen und private Initiativen, die etwa dazu aufrufen, Eintritte für entfallene Kulturveranstaltungen zu spenden statt zurückzuverlangen. Diesem Aufruf folgen viele und zeigen so ihre Verbundenheit mit der Kultur. Dafür bin ich sehr dankbar und verbinde damit die Hoffnung, dass unsere Gesellschaft nach der Krise nicht nur immun gegen das Virus ist, sondern auch gegen alle Tendenzen der gesellschaftlichen Spaltung. Um es mit dem Jubilar Friedrich Hölderlin zu sagen: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“.

 

Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

 

Bayern

 

Die Ausbreitung des Coronavirus bringt in allen Bereichen unseres Lebens einschneidende Veränderungen mit sich. Sie stellt auch eine enorme Herausforderung für unsere einzigartige und weltweit beachtete kulturelle Vielfalt dar.

 

In einer humanen und demokratischen Gesellschaft müssen wir zusammenhalten und auf diejenigen achten, die besonders gefährdet sind. Daher gelten derzeit zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger weitreichende Einschränkungen im bayerischen Kulturbetrieb: Staatliche Theater, Konzertsäle und Opernhäuser sind geschlossen, genauso wie Museen, Sammlungen, Archive und Bibliotheken. Sämtliche öffentlichen Veranstaltungen wurden abgesagt. Mit diesen Maßnahmen hoffen wir, wertvolle Zeit im Kampf gegen das Virus zu gewinnen.

 

Klar ist: Der abrupte Wegfall dieser kulturellen Angebote hinterlässt eine empfindliche Lücke im gesellschaftlichen Leben. Gerade jetzt wird deutlich, wie selbstverständlich unser reiches Kulturleben bisher für uns war. Wir sehen, wie elementar wichtig alle Formen der Kultur für unser Sozialleben sind. Die Kulturszene ist deshalb trotz der Einschränkungen weiter aktiv – sie hat sich ins Digitale verlagert: Museen, Galerien, Theater und Opernhäuser stellen ihre Angebote dem Publikum über Strea­mingdienste, Facebook, Twitter und Instagram zur Verfügung. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Pandemie weitreichende wirtschaftliche Folgen haben wird. Die notwendigen Maßnahmen stellen unsere staatlichen Einrichtungen wie auch die freien Theater, freischaffenden Schauspieler, Regisseure, Musiker, Buchhändler, Kinos und Galerien vor große Herausforderungen. Kulturschaffende und Kulturveranstalter sind durch die Absage von Veranstaltungen schwer – teilweise existenziell – betroffen.

 

Kunst und Kultur haben in Bayern einen zentralen Stellenwert. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, Schutzmechanismen aufzustellen, mit denen wir nicht nur akute Nöte lindern, sondern auch die kulturelle Vielfalt für die Zukunft sichern können. Der Freistaat Bayern stellt bis zu 20 Milliarden Euro für die bayerische Wirtschaft bereit. Über das Soforthilfeprogramm „Corona“ des Bayerischen Wirtschaftsministeriums stehen schnell und unbürokratisch je nach Betriebsgröße bis zu 30.000 Euro für kleine Betriebe, Selbständige und freiberuflich Tätige zur Verfügung. Dies gilt ausdrücklich auch für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft. Über die Sozialversicherungssysteme bestehen weitere Hilfsmöglichkeiten. Daneben können Kulturschaffende über ihre Hausbank Darlehensprodukte der LfA Förderbank sowie verschiedene Bürgschaftsprogramme beantragen. Zudem habe ich mich als Vorsitzender der Kulturministerkonferenz erfolgreich dafür eingesetzt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft auch in die Krisenprogramme des Bundes und insbesondere in das dortige Soforthilfeprogramm für Soloselbständige, Angehörige der Freien Berufe und Kleinstunternehmen einbezogen wird. Auch gemeinnützige Kultureinrichtungen haben wir im Fokus. Für die zahlreichen Förderempfänger bedeuten diese Zeiten eine große Unsicherheit. Wir sind dabei, flexible und gerechte Lösungen zu entwickeln, um bei der Absage und Verschiebung von Veranstaltungen existenzielle Härten zu vermeiden. Dabei werden wir natürlich auch alternative, insbesondere digitale Formate, berücksichtigen.

 

Ich bin überzeugt, dass wir so diese schwere Zeit gemeinsam bewältigen können. Die Bayerische Staatsregierung wird sich nach Kräften bemühen, die Zukunft unserer vielfältigen Kulturszene zu sichern, denn wir werden unsere Kunst- und Kulturschaffenden nach überstandener Krise dringend brauchen: Als Brücke in die Normalität und als wertvolle Bereicherung unserer Gesellschaft.

 

Bernd Sibler, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst

 

Brandenburg

 

Deutschland steht still, um Leben zu retten. Das ist die brutale Realität im März 2020. Und wie es aussieht, wird dieser Zustand noch andauern. Eine offene Gesellschaft kann man aber nicht einfach wie eine Maschine für ein paar Wochen einmotten, um sie dann wieder neu zu starten. Mehr als 80 Millionen Menschen brauchen Lebensmittel, soziale Kontakte und eine funktionierende Gesundheitsversorgung. Sie brauchen aber auch Impulse für neue Gedanken, Momente des ästhetischen Genusses, das Gespräch über existenzielle Fragen. Kurz: Sie brauchen Kultur. In Zeiten der Krise mehr und drängender als vermutlich je zuvor.

 

Die letzten Jahre waren gefühlt eine Aneinanderreihung von Krisen: Auf die Bankenkrise folgte die Eurokrise. Auf die Migrationskrise die Rechtsextremismuskrise – die, so steht zu befürchten, viel länger andauert. Aber keine dieser Krisen hat das kulturelle Leben zum Erliegen gebracht.
Das scheint in der Corona-Krise anders zu sein: Theater, Konzertsäle und Museen sind geschlossen, öffentliche Vorträge und Diskussionsrunden sind abgesagt. Dennoch: Es gibt weiter kulturelles Leben. Es wird, glaubt man der anekdotischen Empirie, mehr gelesen denn je. Im Netz begeistern einzelne Künstlerinnen und Künstler und ganze Ensembles mit teils improvisierten, teils hochprofessionellen Aufführungen, Museen bieten virtuelle Führungen, die öffentlich-rechtlichen Sender unterstützen, wo sie können Das ist großartig. Allerdings erreichen viele, vor allem kleinere Initiativen (noch) nicht das Publikum, das sie verdienen. In Brandenburg versuchen wir mit dem Aufbau eines Meta-Portals die Sichtbarkeit gerade kleinerer Initiativen zu erhöhen. Ob das so wie gewünscht funktioniert, wissen wir nicht. Aber was wissen wir schon in diesen Zeiten?

 

Die entscheidende kulturpolitische Herausforderung ist aber eine ganz andere: Die ökonomischen Folgen für Künstlerinnen und Künstler, für die Beschäftigten in Kultur und Kreativwirtschaft abzumildern. Und dafür zu sorgen, dass unser bewährtes System der kulturellen Daseinsvorsorge nicht irreparablen Schaden nimmt.

 

In Brandenburg haben wir sehr schnell ein Sofortprogramm aufgelegt, aus dem Selbständigen und kleinen Unternehmen unbürokratisch geholfen wird. Wir haben uns bewusst gegen ein Sonderprogramm für Kulturschaffende entschieden. Zum einen aus pragmatischen Gründen: Kleinprogramme verursachen hohe Verwaltungskosten und dauern in der Administration zu lange. Zum anderen aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen: Corona trifft alle. Fotografinnen genauso wie Kioskbesitzer, Sängerinnen genauso wie Industriebetriebe. Solidarität in der Krise heißt für mich auch: Wir helfen allen. Dass dabei die besonderen Bedingungen künstlerischer Arbeit besonders gewürdigt werden, ist selbstverständlich.

 

Neben der Hilfe für Personen geht es aber auch um die Hilfe für Institutionen. Wir haben uns entschieden, bewilligte Projektfördermittel auch dann auszuzahlen, wenn Veranstaltungen wegen Corona ausfallen. Für Haushaltsrechtler mag das etwas gewagt erscheinen. Aus meiner Sicht ist es zwingend. Auch, um die Kultureinrichtungen nicht dazu zu nötigen, immer am schwächsten Glied der Kette zu sparen – das sind dann im Zweifelsfall freiberufliche Tontechnikerinnen.

 

Sobald Klarheit über die Details der umfangreichen Bundesprogramme herrscht – ein großes Kompliment an die Bundesregierung für die wirklich beeindruckende Arbeit der letzten Wochen! – werden wir auch in Brandenburg ein Sonderprogramm Kultur auflegen. Das Ziel: Die Fallkonstellationen abzudecken, die bei anderen Programmen durchs Raster fallen.

 

Nein, diese Krise ist keine Chance. Sie ist eine Katastrophe. Die Kulturpolitikerinnen und -politiker in Bund und Ländern werden daran gemessen werden, ob es ihnen in dieser historischen Situation gelingt, den drohenden kulturellen Kollaps zu verhindern.

 

P.S. (und ohne dass ich darum gebeten worden wäre) ein kurzer Werbeblock: Abonnieren Sie den Corona-Newsletter des Deutschen Kulturrates. Er informiert schnell, umfassend und Hysterie-frei über die Probleme im Kulturbereich und die Hilfsprogramme. Danke!

 

Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg

 

Bremen

 

Albert Camus’ allegorischer Roman „Die Pest“, 1947 erschienen, ist während der Corona-Pandemie das Buch der Stunde. In Frankreich und Italien nahmen die Verkaufszahlen stark zu, die deutsche Übersetzung ist momentan vergriffen. In Zeiten der Verunsicherung und der Angst suchen die Menschen Orientierung, Besinnung auf das Wesentliche und eine Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen und wenden sich verstärkt der Literatur, aber auch anderen Künsten zu.

 

Bücher lassen sich allein zu Hause lesen, ein Austausch mit anderen Leserinnen und Lesern ist mittels Telefon und Internet problemlos möglich. Doch die Theater als Orte der Reflexion und Versammlung sind uns in der jetzigen Krise, der schwierigsten seit Ende des Zweiten Weltkriegs, verwehrt. Ebenso bleiben die Konzerthäuser, Clubs und Kinos geschlossen – bei uns in Bremen wurde z. B. die jazzahead! abgesagt.

 

Lesungen und Konzerte finden nicht statt, freie Schauspieler und Musiker haben momentan kaum bis keine Verdienstmöglichkeiten. Gerade in der Kultur arbeiten viele Soloselbständige, die schon in normalen Zeiten sehr wenig Geld verdienen. Laut Künstlersozialkasse lag das Durchschnittseinkommen 2019 bei 17.852 Euro. Diesen Menschen müssen wir jetzt schnell und unbürokratisch helfen – darüber herrscht Einigkeit.
Schon frühzeitig haben wir in Bremen auf die Pandemie reagiert und die Kulturschaffenden flächendeckend über Unterstützungsmöglichkeiten informiert, schriftlich und in einer intensiven Telefonkonferenz mit mehr als 50 Beteiligten. Dort haben wir auch über unsere bremischen Maßnahmen berichtet, die die Aktivitäten des Bundes flankieren. So werden für alle Zuwendungsempfänger in der Kultur, die im Jahr 2019 Mittel erhalten haben, jetzt bei Bedarf Gelder ausgezahlt, trotz noch andauernder haushaltsloser Zeit aufgrund der Bürgerschaftswahl 2019. Dazu läuft ein vereinfachtes Verfahren. Vertraglich vereinbarte Honorare werden fortgezahlt, und auch in der Projektförderung gilt Vertrauensschutz, auch wenn diese Veranstaltungen möglicherweise nicht stattfinden können.

 

Unser Entwurf des Kulturetats, der jetzt ins parlamentarische Verfahren geht, sieht nach Jahren der Konsolidierung aufgrund der Haushaltsnotlage nun eine substanzielle Erhöhung quer über alle Sparten vor. Wir werden nach der Beschlussfassung durch die Bürgerschaft rückwirkend zum 1. Januar 2020 auszahlen. Auch dies sollte den Betroffenen helfen.

 

Als besonders bedrückend empfinde ich, dass die Krise vor allem solche Einrichtungen trifft, die eine hohe Eigenfinanzierungsquote haben, da eben die eigenen Einnahmen nun wegbrechen. Im Senat haben wir am 20. März 2020 ein zuschussbasiertes Förderprogramm zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise für Kleinstunternehmen beschlossen und zusätzliche Haushaltsmittel kurzfristig zur Verfügung gestellt. Dies schließt die Kulturakteure explizit mit ein.

 

Ich setze mich zudem dafür ein, dass wir auch den vielen gemeinnützigen Einrichtungen in der Kultur durch die Krise helfen, denn auch diese stellen einen wichtigen Eckpfeiler unserer Kulturlandschaft dar, auch wenn der Fokus zunächst richtigerweise auf denjenigen liegen muss, die aufgrund der Pandemie vor dem Ruin stehen. Fragen beantworten wir jederzeit gern.
Derzeit erlebe ich eine große Solidarität und Bereitschaft der Menschen, die getroffenen Maßnahmen mitzutragen. Das ist großartig, denn ohne diese Gemeinsamkeit können wir diese Krise nicht meistern – weder in der Kultur noch anderswo.

 

In Camus’ Roman endet die Pest einfach irgendwann. Große Literatur macht auch Hoffnung und spendet Trost.

 

Andreas Bovenschulte, Präsident des Senats und Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen

 

Hamburg

 

Die aktuelle Lage ist für uns alle außergewöhnlich. Die Auswirkungen für die Kultur und Kreativwirtschaft, die angestellten und freischaffenden Künstlerinnen und Künstler wollen wir so gering wie möglich halten, damit all die Kulturorte, die unsere freie Gesellschaft ausmachen, noch da sind, wenn wir diese Krise hinter uns lassen. Seitdem klar ist, dass die Kultureinrichtungen vorübergehend schließen müssen, sind wir in Hamburg mit Akteurinnen und Akteuren aus Kultur und Kreativwirtschaft im Austausch darüber, wie wir schnell und unbürokratisch helfen können. Der Senat arbeitet daher, wie auch der Bund, zahlreiche Stiftungen und Verbände, mit Hochdruck an Lösungen, die sicherstellen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für Künstlerinnen, Kreative und Kultureinrichtungen abgefedert werden können.

 

Als ersten Schritt hat der Senat gleich in der Woche nach der Schließung der Einrichtungen einen Hamburger Schutzschirm mit umfangreichen Hilfsmöglichkeiten beschlossen. Da-runter das Instrument der Hamburger Corona Soforthilfen, die sich auch an Künstlerinnen und Kreative richten. Mit diesem Soforthilfeprogramm, das wir zusammen mit der hiesigen Investitions- und Förderbank auflegen, soll Freiberuflern, kleinen und mittleren Betrieben, die von der Corona-bedingten Schließung betroffen sind, schnell und unbürokratisch ein Zuschuss gewährt werden. Dieser staffelt sich nach der Zahl der Beschäftigten von 2.500 Euro für Soloselbständige bis zu 25.000 Euro für Betriebe mit 51 bis 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Hilfe soll den Notfallfonds des Bundes sinnvoll ergänzen.

 

Die Behörde für Kultur und Medien schnürt zudem ein Hilfspaket im Wert von 25 Millionen Euro, mit dem wir überall dort direkt die Auswirkungen abfedern können, wo wir ohnehin schon fördernd tätig sind. Damit können wir auch über die Soforthilfe hinaus schnell und direkt z. B. Privattheatern und Clubs helfen. Weiterhin richten wir einen Nothilfefonds in Höhe von zunächst zwei Millionen Euro ein, mit dem auf Antrag Ausfälle ausgeglichen werden können, die durch andere Hilfsmaßnahmen nicht erfasst werden.

 

Hilfreich ist ganz sicher auch, dass für städtische Immobilien sofort entschieden wurde, dass hier auf Antrag die Miete gestundet werden kann – ein Beispiel, dem private Vermieter folgen sollten. Außerdem hat Hamburg analog zum Steuererlass von Bund und Ländern beschlossen, dass Gewerbetreibenden auch die städtischen Gebühren erlassen oder gestundet werden können.

 

Wichtig ist uns auch der Beschluss, dass alle Förderzusagen, die vor der Krise gegeben wurden, natürlich weiterhin gelten, auch wenn einzelne Projekte jetzt nicht oder nur in geänderter Form realisiert werden können. Das ist vor allem für die Einrichtungen und viele in der Freien Szene ein wichtiges Signal, dass wir ihnen solidarisch weiter zur Seite stehen.

 

Alles das soll die Förderinstrumente des Bundes, die Kreditangebote der KfW und die Notfallfonds möglichst passgenau ergänzen. Hierzu sind wir auf allen Ebenen im engen Austausch und stimmen die Instrumente gut aufeinander ab.

 

Außerdem werben wir dafür, dass die Einrichtungen und Künstlerinnen und Künstler auch die Hilfen in Anspruch nehmen – wie z. B. das Kurzarbeitergeld und die Grundsicherung –, die im Bund und in unseren Sozialsystemen ohnehin zur Verfügung stehen und die jetzt auch schnell auf die aktuelle Situation angepasst und vereinfacht worden sind.

 

Wir werden in den kommenden Wochen immer wieder nachsteuern und ergänzen müssen. Wir machen alles möglich, was nötig ist, um möglichst gut durch diese Situation zu kommen.

 

Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien Hamburg

 

Niedersachsen

 

Die Corona-Krise trifft die Kulturszene in Niedersachsen und im gesamten Bundesgebiet mit voller Wucht. Seit Mitte März ruht der Kulturbetrieb flächendeckend. Dies bedroht Millionen Existenzen im ganzen Land – vom Bühnentechniker über die Schauspielerin, vom Musikpädagogen bis zum mittelständischen Kulturveranstalter. Ausstellungen und Aufführungen werden abgesagt, das eingegangene finanzielle Risiko schlägt voll in die Bilanzen der Theater und Museen durch. Musik- und Kunstschulen, thea­terpädagogische Einrichtungen und soziokulturelle Zentren: Sie alle sind in größter Not. Themen wie Kurzarbeit und Zukunftsängste prägen die öffentliche Debatte.

 

Fest steht: In der Kulturszene werden Existenzen bereits nach kurzer Zeit des Stillstands vernichtet. Viele Kulturschaffende, gerade Soloselbständige, haben häufig schon im normalen Berufsalltag ein geringes Einkommen. Derzeit sinken für viele die Einnahmemöglichkeiten auf null.

 

Leider kann niemand verlässlich sagen, wie lange dieser – im Sinne der Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger zwangsläufig notwendige – Stillstand andauern wird.

 

Bund und Länder unterstützen Kulturschaffende mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Weichen dafür wurden im Rahmen der Kulturministerkonferenz am 13. März 2020 gestellt. Inzwischen haben Bund und Länder alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zu helfen. Die Abstimmung zwischen den Bundesländern ist dabei außerordentlich eng. Hier zeigt sich eine Stärke des Föderalismus, denn es fällt nicht schwer zu glauben, dass die Herausforderungen in Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin andere sind als in einem Flächenland wie Niedersachsen mit seinen Hunderten von kleinen Museen, Kulturzentren und -initiativen.

 

In Niedersachsen haben wir uns bei der Entwicklung der Programme eng mit den Verbänden abgestimmt, damit die Hilfe auch da ankommt, wo sie am nötigsten gebraucht wird.

 

In Niedersachsen basiert die Landeshilfe für Künstlerinnen und Künstler auf zwei Säulen:

 

Die erste Säule richtet sich ausdrücklich nicht nur an gewerbliche Kleinunternehmer etwa der Kultur- und Kreativwirtschaft, sondern auch an Soloselbständige im Kulturbereich.

 

Die zweite Säule richtet sich explizit an Kultureinrichtungen, die von der Bundesförderung und der Förderung für Wirtschaftsunternehmen nicht umfasst sind. Hier haben wir kleine und mittlere Kultureinrichtungen und ihre Träger, wie z. B. Vereine im Blick, die sonst durch das Raster fallen würden. Ihnen helfen wir mit Einmalzahlungen dabei, ihre Liquidität zu sichern.

 

In begrenztem Umfang können die Nutzer der kulturellen Angebote, die derzeit zu Hause beim Unterhaltungsprogramm an das heimische Sofa gefesselt sind, auf digitale Angebote ausweichen. Viele Einrichtungen und Einzelkünstler nutzen die Krise für Experimente im Internet. YouTube und Instagram ersetzen dem Publikum den Gang ins Museum, die Vernissage und das Bühnenspektakel. Es ist ein gutes Zeichen, dass mehr und mehr Künstlerinnen und Künstler online zur kulturellen Entdeckungsreise durch Niedersachsen einladen. Dies bietet einen Ausblick darauf, was die Digitalisierung künftig in Theatern und Museen, in der Literaturszene oder im Bereich der kulturellen Bildung möglich machen wird.

 

Leider wird mit Online-Angeboten bislang noch kein oder kaum Geld verdient. Es würde mich freuen, wenn zukunftsweisende Angebote hohe Klickzahlen generieren würden, um den Künstlerinnen und Künstlern ein unüberhörbares Signal zu senden: „Wir schätzen eure Arbeit! Wir stehen euch bei! Wir freuen uns darauf, wieder gemeinsam Kunst und Kultur zu genießen und miteinander zu teilen!“

 

Ein Sprichwort sagt, dass man vieles erst dann vermisst, wenn es nicht mehr da ist. Auch wenn wir es nur mit einer temporären Unterbrechung des Publikumsbetriebs zu tun haben, wird in diesen Tagen doch deutlich, welchen Stellenwert Kultur in unser aller Leben hat: Kultur spendet Freude, Kultur stiftet Identität, Kultur definiert Heimat. Wir wollen mit unseren Anstrengungen und gezieltem Mitteleinsatz dafür sorgen, dass die Kulturszene in unserem Land breit, lebhaft und bunt ist!

 

Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur


Rheinland-Pfalz

 

Der gesamte Kulturbetrieb ist seit Mitte März zum Erliegen gekommen. Diese bisher einmalige Situation in der Bundesrepublik hat natürlich für viele Veranstalter sowie für viele Künstlerinnen und Künstler, vor allem für die, die als Selbständige arbeiten, massive Einnahmeausfälle zur Folge.

 

Der Bund und die Länder haben diese kritische Situation für die Künstlerinnen und Künstler sowie die übrigen Selbständigen im Kultur- und Kreativbereich sehr schnell erkannt. Wir haben daher sofort begonnen, Nothilfeprogramme zur sozialen und betrieblichen Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern zu entwickeln und untereinander abzustimmen.
In dieser Ausnahmesituation ist deshalb mein vorrangiges Ziel, dass die dadurch entstandenen finanziellen Schäden bei den vom Land geförderten Kultureinrichtungen, Kulturveranstaltern, Künstlerinnen und Künstlern abgefedert werden und sie nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten.
Von zentraler Bedeutung ist sicherlich das Hilfspaket, das Bund und Länder für Soloselbständige und Kleinstunternehmen im Umfang von 50 Milliarden Euro auf den Weg gebracht haben. So erhalten Selbständige bzw. Unternehmerinnen und Unternehmer mit bis zu fünf Beschäftigten, die durch die Auswirkungen der Corona-Krise geschädigt wurden, bis zu 9.000 Euro, Unternehmen bis zehn Beschäftigte 15.000 Euro für drei Monate als Nothilfe. Diese Mittel werden nun schnell und unbürokratisch über die Länder ausgezahlt.

 

Auch für die Förderpraxis in Rheinland-Pfalz habe ich wichtige Entscheidungen getroffen: Wir werden die Förderungen des Landes unverändert weiterlaufen lassen. Die Zuwendungsempfänger erhalten ihre Gelder auf der Grundlage ihrer Anträge, die sie in der Regel bereits bis Ende des letzten Jahres gestellt haben. Die Auswirkungen der Corona-Krise werden wir dann im Rahmen des Verwendungsnachweises behandeln und ausgleichen.

 

Ich habe weiter entschieden, dass für alle Projektförderungen des Landes der Bewilligungszeitraum bis zum Ende des Jahres verlängert wird. Damit versetzen wir die Veranstalter unbürokratisch in die Lage, Veranstaltungen nicht abzusagen, sondern zu verschieben. Und sie müssen auch keine neuen Anträge einreichen, wenn sie die Veranstaltungen verändern. Sie können also flexibel auf die neue Situation reagieren.

 

Was passiert, wenn Veranstaltungen und Projekte abgesagt wurden oder noch werden? Dann müsste das Land eigentlich die Förderung zurückfordern. Das wollen wir in diesem speziellen Fall grundsätzlich nicht tun. Denn bei Veranstaltungen, die abgesagt werden müssen, bleiben die Veranstalter oftmals auf bereits angefallenen Kosten sitzen. Die Veranstalter müssen zwar versuchen, Ausgaben zu vermeiden, aber bereits getätigte und nicht mehr abwendbare Ausgaben bzw. Verpflichtungen kann der Zuwendungsempfänger im Verwendungsnachweis als Ausgaben geltend machen. In dieser Höhe braucht er die Förderung nicht zurückzuzahlen.

 

Auch bei den institutionellen Förderungen wollen wir unbürokratisch vorgehen. Wir werden die institutionellen Förderungen so bewilligen, wie sie im Haushaltsplan des Landes abgedruckt sind. Die Empfänger müssen jetzt keine Wirtschaftspläne aktualisieren und die Auswirkungen der Corona-Krise „einpreisen“. Sie erhalten also rasch ihre Bewilligungen und damit auch ihre notwendige Liquidität.

 

Erste von uns institutionell geförderte Einrichtungen haben um weitere Abschläge zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen gebeten, da die Einnahmen aus Veranstaltungen derzeit ausbleiben. Auch dafür haben wir kurzfristig Lösungen gefunden. Insgesamt zeigt sich, dass unser System gut funktioniert und dass wir – Kommunen, Bund und Länder gemeinsam – gut aufgestellt sind, diese Krise zu bewältigen.

 

Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Rheinland-Pfalz


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