Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?

Die Länder sagen Hilfe zu

 

Brandenburg

 

Deutschland steht still, um Leben zu retten. Das ist die brutale Realität im März 2020. Und wie es aussieht, wird dieser Zustand noch andauern. Eine offene Gesellschaft kann man aber nicht einfach wie eine Maschine für ein paar Wochen einmotten, um sie dann wieder neu zu starten. Mehr als 80 Millionen Menschen brauchen Lebensmittel, soziale Kontakte und eine funktionierende Gesundheitsversorgung. Sie brauchen aber auch Impulse für neue Gedanken, Momente des ästhetischen Genusses, das Gespräch über existenzielle Fragen. Kurz: Sie brauchen Kultur. In Zeiten der Krise mehr und drängender als vermutlich je zuvor.

 

Die letzten Jahre waren gefühlt eine Aneinanderreihung von Krisen: Auf die Bankenkrise folgte die Eurokrise. Auf die Migrationskrise die Rechtsextremismuskrise – die, so steht zu befürchten, viel länger andauert. Aber keine dieser Krisen hat das kulturelle Leben zum Erliegen gebracht.
Das scheint in der Corona-Krise anders zu sein: Theater, Konzertsäle und Museen sind geschlossen, öffentliche Vorträge und Diskussionsrunden sind abgesagt. Dennoch: Es gibt weiter kulturelles Leben. Es wird, glaubt man der anekdotischen Empirie, mehr gelesen denn je. Im Netz begeistern einzelne Künstlerinnen und Künstler und ganze Ensembles mit teils improvisierten, teils hochprofessionellen Aufführungen, Museen bieten virtuelle Führungen, die öffentlich-rechtlichen Sender unterstützen, wo sie können Das ist großartig. Allerdings erreichen viele, vor allem kleinere Initiativen (noch) nicht das Publikum, das sie verdienen. In Brandenburg versuchen wir mit dem Aufbau eines Meta-Portals die Sichtbarkeit gerade kleinerer Initiativen zu erhöhen. Ob das so wie gewünscht funktioniert, wissen wir nicht. Aber was wissen wir schon in diesen Zeiten?

 

Die entscheidende kulturpolitische Herausforderung ist aber eine ganz andere: Die ökonomischen Folgen für Künstlerinnen und Künstler, für die Beschäftigten in Kultur und Kreativwirtschaft abzumildern. Und dafür zu sorgen, dass unser bewährtes System der kulturellen Daseinsvorsorge nicht irreparablen Schaden nimmt.

 

In Brandenburg haben wir sehr schnell ein Sofortprogramm aufgelegt, aus dem Selbständigen und kleinen Unternehmen unbürokratisch geholfen wird. Wir haben uns bewusst gegen ein Sonderprogramm für Kulturschaffende entschieden. Zum einen aus pragmatischen Gründen: Kleinprogramme verursachen hohe Verwaltungskosten und dauern in der Administration zu lange. Zum anderen aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen: Corona trifft alle. Fotografinnen genauso wie Kioskbesitzer, Sängerinnen genauso wie Industriebetriebe. Solidarität in der Krise heißt für mich auch: Wir helfen allen. Dass dabei die besonderen Bedingungen künstlerischer Arbeit besonders gewürdigt werden, ist selbstverständlich.

 

Neben der Hilfe für Personen geht es aber auch um die Hilfe für Institutionen. Wir haben uns entschieden, bewilligte Projektfördermittel auch dann auszuzahlen, wenn Veranstaltungen wegen Corona ausfallen. Für Haushaltsrechtler mag das etwas gewagt erscheinen. Aus meiner Sicht ist es zwingend. Auch, um die Kultureinrichtungen nicht dazu zu nötigen, immer am schwächsten Glied der Kette zu sparen – das sind dann im Zweifelsfall freiberufliche Tontechnikerinnen.

 

Sobald Klarheit über die Details der umfangreichen Bundesprogramme herrscht – ein großes Kompliment an die Bundesregierung für die wirklich beeindruckende Arbeit der letzten Wochen! – werden wir auch in Brandenburg ein Sonderprogramm Kultur auflegen. Das Ziel: Die Fallkonstellationen abzudecken, die bei anderen Programmen durchs Raster fallen.

 

Nein, diese Krise ist keine Chance. Sie ist eine Katastrophe. Die Kulturpolitikerinnen und -politiker in Bund und Ländern werden daran gemessen werden, ob es ihnen in dieser historischen Situation gelingt, den drohenden kulturellen Kollaps zu verhindern.

 

P.S. (und ohne dass ich darum gebeten worden wäre) ein kurzer Werbeblock: Abonnieren Sie den Corona-Newsletter des Deutschen Kulturrates. Er informiert schnell, umfassend und Hysterie-frei über die Probleme im Kulturbereich und die Hilfsprogramme. Danke!

 

Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg

 

Bremen

 

Albert Camus’ allegorischer Roman „Die Pest“, 1947 erschienen, ist während der Corona-Pandemie das Buch der Stunde. In Frankreich und Italien nahmen die Verkaufszahlen stark zu, die deutsche Übersetzung ist momentan vergriffen. In Zeiten der Verunsicherung und der Angst suchen die Menschen Orientierung, Besinnung auf das Wesentliche und eine Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen und wenden sich verstärkt der Literatur, aber auch anderen Künsten zu.

 

Bücher lassen sich allein zu Hause lesen, ein Austausch mit anderen Leserinnen und Lesern ist mittels Telefon und Internet problemlos möglich. Doch die Theater als Orte der Reflexion und Versammlung sind uns in der jetzigen Krise, der schwierigsten seit Ende des Zweiten Weltkriegs, verwehrt. Ebenso bleiben die Konzerthäuser, Clubs und Kinos geschlossen – bei uns in Bremen wurde z. B. die jazzahead! abgesagt.

 

Lesungen und Konzerte finden nicht statt, freie Schauspieler und Musiker haben momentan kaum bis keine Verdienstmöglichkeiten. Gerade in der Kultur arbeiten viele Soloselbständige, die schon in normalen Zeiten sehr wenig Geld verdienen. Laut Künstlersozialkasse lag das Durchschnittseinkommen 2019 bei 17.852 Euro. Diesen Menschen müssen wir jetzt schnell und unbürokratisch helfen – darüber herrscht Einigkeit.
Schon frühzeitig haben wir in Bremen auf die Pandemie reagiert und die Kulturschaffenden flächendeckend über Unterstützungsmöglichkeiten informiert, schriftlich und in einer intensiven Telefonkonferenz mit mehr als 50 Beteiligten. Dort haben wir auch über unsere bremischen Maßnahmen berichtet, die die Aktivitäten des Bundes flankieren. So werden für alle Zuwendungsempfänger in der Kultur, die im Jahr 2019 Mittel erhalten haben, jetzt bei Bedarf Gelder ausgezahlt, trotz noch andauernder haushaltsloser Zeit aufgrund der Bürgerschaftswahl 2019. Dazu läuft ein vereinfachtes Verfahren. Vertraglich vereinbarte Honorare werden fortgezahlt, und auch in der Projektförderung gilt Vertrauensschutz, auch wenn diese Veranstaltungen möglicherweise nicht stattfinden können.

 

Unser Entwurf des Kulturetats, der jetzt ins parlamentarische Verfahren geht, sieht nach Jahren der Konsolidierung aufgrund der Haushaltsnotlage nun eine substanzielle Erhöhung quer über alle Sparten vor. Wir werden nach der Beschlussfassung durch die Bürgerschaft rückwirkend zum 1. Januar 2020 auszahlen. Auch dies sollte den Betroffenen helfen.

 

Als besonders bedrückend empfinde ich, dass die Krise vor allem solche Einrichtungen trifft, die eine hohe Eigenfinanzierungsquote haben, da eben die eigenen Einnahmen nun wegbrechen. Im Senat haben wir am 20. März 2020 ein zuschussbasiertes Förderprogramm zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise für Kleinstunternehmen beschlossen und zusätzliche Haushaltsmittel kurzfristig zur Verfügung gestellt. Dies schließt die Kulturakteure explizit mit ein.

 

Ich setze mich zudem dafür ein, dass wir auch den vielen gemeinnützigen Einrichtungen in der Kultur durch die Krise helfen, denn auch diese stellen einen wichtigen Eckpfeiler unserer Kulturlandschaft dar, auch wenn der Fokus zunächst richtigerweise auf denjenigen liegen muss, die aufgrund der Pandemie vor dem Ruin stehen. Fragen beantworten wir jederzeit gern.
Derzeit erlebe ich eine große Solidarität und Bereitschaft der Menschen, die getroffenen Maßnahmen mitzutragen. Das ist großartig, denn ohne diese Gemeinsamkeit können wir diese Krise nicht meistern – weder in der Kultur noch anderswo.

 

In Camus’ Roman endet die Pest einfach irgendwann. Große Literatur macht auch Hoffnung und spendet Trost.

 

Andreas Bovenschulte, Präsident des Senats und Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen

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