Jörg Freese - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Wichtige kulturelle Substanz


Landkreise brauchen eine lebendige Kulturszene – auch nach der Pandemie

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit der erste Fall einer COVID-19-Erkrankung in Deutschland aufgetreten ist, kurz danach entstanden dann im Kreis Heinsberg sowie im Landkreis Tirschenreuth erste „Hotspots“. Vielleicht ist es bezeichnend, dass der ländliche Raum als Erstes betroffen war. Daher ist es sinnvoll, gerade auch einen Blick auf die Situation von Kunst und Kultur in den Landkreisen zu werfen.

 

Der Künstler im ländlichen Raum, der in der Großstadt erfolgreich ist, gut verdient und sich ein Refugium auf dem Lande geschaffen hat, der ist nicht allzu häufig anzutreffen. Tatsächlich gibt es im ländlichen Raum viele Kulturschaffende, die auch in normalen Zeiten nicht üppig von ihrer Profession leben können. Häufig üben sie auch weitere Tätigkeiten aus. Für Kultureinrichtungen gilt dies in ähnlicher Weise. Sie sind selten besonders profitabel, oft brauchen sie in nennenswerter Größenordnung öffentliche (kommunale) Unterstützung.

 

Mit den Lockdowns sind die Möglichkeiten zu Auftritt oder Ausstellung genauso wie der Tourismus faktisch weggebrochen. Im Gegensatz zu anderen Branchen ist das Internet auch keine Möglichkeit, einen teilweisen Ausgleich zu schaffen. Die Landkreise und ihre kreisangehörigen Städte und Gemeinden bemühen sich nach Kräften, trotz der auch für ihre Haushalte schwierigen Situation den Künstlerinnen und Künstlern Perspektiven und vor allem Unterstützung zu geben. Denn Kunst und Kultur bestimmen ganz wesentlich das Wesen eines Landkreises.

 

Die gerade in ländlichen Räumen teilweise erschreckend hohen Infektionszahlen haben auch gezeigt, dass das Virus kein Problem allein der Ballungsräume ist. Man kann lange darüber streiten, ob kleine Konzerte oder die Ausstellung eines Malers oder einer Bildhauerin als Pandemietreiber gelten müssen. Solange nicht hundertprozentig klar ist, was genau gefährlich ist und was nicht, müssen wir leider weiter mit solchen „Schrotschüssen“ leben.

 

Daher sind Öffnungsszenarien wichtig, wie es auch im aktuellen Papier des Deutschen Kulturrates vom 8. Februar gefordert und von den Kulturministern der Länder konkretisiert wird. Thesen und Empfehlungen des Kulturrates sind auch von den Landkreisen zu unterstützen.

 

Über die Adressaten gilt es allerdings noch zu diskutieren: In den Ländern sind es nicht die Kulturminister allein, die über Öffnungen entscheiden. Und im kreisangehörigen Raum haben in erster Linie die Landkreise mit ihren Gesundheitsämtern die schwierige Aufgabe, über lokale Maßnahmen zu entscheiden, soweit dies überhaupt kommunaler Gestaltung zugänglich ist. Dieser Aufgabe stellen sich die Landkreise mit dem Blick auf die hohe Relevanz von Kunst und Kultur für die dort lebenden Menschen und ihre Gäste. Denn eine Erfahrung aus der Pandemie ist schon jetzt, dass die Menschen die Bedeutung der Kultur durch ihr monatelanges Fehlen noch mehr zu schätzen wissen.

 

Fazit: Für die Landkreise ist es wichtig, die kulturelle Substanz zu erhalten und sobald wie irgend möglich und epidemiologisch verantwortbar, auch Kunst und Kultur endlich wieder Möglichkeiten zur Betätigung zu geben. Denn auch in den Landkreisen will niemand, dass wir ein Volk von Auslieferungsfahrern und Usern der Plattform-Ökonomie werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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