Was tun die Länder?

Über Länderprogramme und -initiativen zur Linderung der Corona-Not im Kulturbereich

 

Sachsen

 

In keiner der über 80 sächsischen Spielstätten hat sich in den vergangenen Monaten der Vorhang gehoben, keiner der fast 30.000 Plätze ist verkauft worden, keine Werbung hat auf die nächste Premiere hingewiesen. Unter den zwölf selbständigen sächsischen Orchestern sind Klangkörper von Weltrang. Zurzeit sind sie alle auf gleichem Stand: keine Konzerte, keine Tourneen, nur eingeschränkte Proben und deshalb Kurzarbeit. Die vielfältige und lebendige Tanzszene in Sachsen stößt an ihre Grenzen, wenn Nähe zu vermeiden ist, wenn Zuschauer nicht als Resonanzraum vorhanden sind. Ähnlich ergeht es dem Filmland Sachsen, ohne neue Produktionen in „Görliwood“ und einer unsicheren Planung für die Filmfestivals. Und in Museen treten die Gemälde nur noch untereinander in Dialog, ohne das Publikum als Membran.

 

Die Aufzählung zeigt, wie einschneidend diese Krise ist. Sie geht in einem Kulturland an die Substanz – die der Künstlerinnen und Künstler, aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kultureinrichtungen und an die der Gesellschaft, weil Orte der sozial durchmischten Begegnung und des Dialogs verwaist bleiben. Dies gilt sowohl für die Metropolen im Freistaat als auch für kleinere Städte und die ländlichen Räume. In Letzteren ist der zeitweise Verlust noch mal stärker, weil die Bibliothek, das Heimatmuseum, das soziokulturelle Angebot und die Laienmusik oft die Traditionsträger und teilweise auch die letzten verbliebenen Gemeinschaftsorte sind.

 

Uns ist es – soweit schon eine Zwischenbilanz möglich ist – mit großer finanzieller Anstrengung gelungen, die kulturelle Infrastruktur im ersten Krisenjahr zu erhalten. Neben der Unterstützung der staatlichen Betriebe konnten wir dank einer landeseigenen Förderrichtlinie Hunderten privaten Einrichtungen aus Kunst und Kultur Zuschüsse gewähren. Ergänzend zum Bundesgeld und Kurzarbeitergeld war es so möglich, dass die Einrichtungen Liquiditätsengpässe ausgleichen, Mehrausgaben und Mindereinnahmen verkraften konnten. Unsere Förderrichtlinie haben wir auf das zweite Krisenjahr ausgeweitet und für Spielstätten geöffnet, die hauptberuflich von Einzelunternehmern betrieben werden. Diese Anpassung ist nur ein Ergebnis unseres kontinuierlichen Austausches mit den Betroffenen aus Kunst und Kultur seit Beginn der Pandemie.

 

Aber diese Krise geht tiefer als nur an die Infrastruktur: Sie nimmt Künstlerinnen und Künstlern die Lebensgrundlage. Die emotionale, geistige Lücke können wir während der notwendigen Schließungen kaum füllen. Finanziell haben wir aber mit zusätzlichen Projektgeldern und dem Stipendium „Denkzeit“ der Kulturstiftung geholfen, über das 2.800 Freischaffende unterstützt werden konnten.

 

Um die Substanz zu retten, brauchen wir eine Perspektive, wann Kultureinrichtungen öffnen, künstlerische Arbeiten weiter möglich sind. Die Schritte dazu sind beschrieben. Nun braucht es eine pandemische Lage, die einen dauerhaften Kulturbetrieb ohne Schließungen erlaubt. Dafür sind wir alle gefragt. Nur so können wir die schlimmen Monate der kulturellen Stille endgültig hinter uns lassen und die gerettete Infrastruktur mit neuem Leben füllen.

 

Barbara Klepsch ist Staatsministerin für Kultur und Tourismus im Freistaat Sachsen.

 

 

Sachsen-Anhalt

 

Mitte Januar dieses Jahres bilanzierten die Welterbestätten Sachsen-Anhalts, die kulturellen Aushängeschilder unseres Landes, eine Bilanz des Corona-Jahres 2020. Sie alle haben massive Einnahmeverluste zu beklagen. Am Bauhaus in Dessau halbierten sich die Besucherzahlen. In den Luther-Gedenkstätten zu Wittenberg wurden 60 Prozent weniger Gäste registriert. Der Dom in Naumburg verzeichnete durch seine Schließung einen Verlust von einer halben Million Euro. Diese Beispiele zeigen: Die Kultur ist weiter in einer schwierigen und für viele existenziell bedrohlichen Lage.

 

Die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat sich seit Pandemie-Beginn dafür eingesetzt, dass die Belange der Kulturschaffenden und der kulturellen Einrichtungen erkannt und praktikable Fördermaßnahmen bereitgestellt werden. Mit unserer spontanen finanziellen Soforthilfe für Mitglieder der Künstlersozialkasse haben wir schon Ende März 2020 als erstes Land schnell gehandelt. Bei diesen Hilfsmaßnahmen wurden 917 Anträge mit einem Volumen von 366.400 Euro bewilligt.

 

Natürlich war dies eine eher symbolische Maßnahme, aber sie signalisierte, dass die Politik die Ängste und Sorgen der Künstlerinnen und Künstler nicht aus den Augen verliert. Wir führen mit den Kulturschaffenden im Land auch weiter intensive Gespräche und unterstützen sie bei der Inanspruchnahme der Milliardenhilfen, die der Bund mit seiner jetzt erfreulicherweise aufgestockten Neustarthilfe für die verschiedenen Kultursparten bereitstellt.

 

Im Juli 2020 hat Sachsen-Anhalt das Stipendienprogramm „Kultur ans Netz“ aufgelegt, mit dem das Land Kulturschaffenden für das Erbringen einer künstlerischen Leistung einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 1.000 Euro monatlich für die Dauer von bis zu drei Monaten gewährt hat. Insgesamt wurden 449 Anträge mit einem Gesamtvolumen von über 1,3 Millionen Euro bewilligt.

 

Beim kürzlichen „Kulturgipfel“ unter Leitung von Ministerpräsident Reiner Haseloff mit Vertretern aus verschiedenen kulturellen Bereichen hat der Regierungschef mitgeteilt, dass dieses Stipendienprogramm ab März 2021 neu auflegt wird und nunmehr 4,5 Millionen Euro dafür vorgesehen sind.

 

Darüber hinaus erhöhte das Land den Ankaufsetat für bildende Künstlerinnen und Künstler, um den künstlerischen Arbeitsprozess zu unterstützen. Zudem haben wir die Anwendung des Zuwendungsrechts flexibilisiert. Im Rahmen des rechtlich Möglichen wurden und werden für viele landesgeförderte Projekte individuelle Lösungen gefunden.

 

Die Kulturministerkonferenz hat kürzlich mit ihrem Beschluss „Kultur wieder ermöglichen“ einen von allen Ländern getragenen Fahrplan für Lockerungen entwickelt und deutlich gemacht, dass bei allen Öffnungsstrategien der Kunstfreiheit und der besonderen Bedeutung der Kultur Rechnung getragen werden muss. In seiner Strategie für sichere und gerechte Öffnungen wird Sachsen-Anhalt bis Ende Februar die Kriterien für die Wiederzulassung des Publikumsverkehrs festlegen.

 

Auf keinen Fall dürfen Länder und Kommunen ihre Haushalte in den nächsten Jahren zulasten der Kultur sanieren. Mehr denn je muss im öffentlichen Diskurs bewusst gemacht werden: Kultur ist nicht das „Sahnehäubchen“ obendrauf. Kultur ist essenziell und sie wird für die Zeit nach der Pandemie eine wichtige Rolle für die seelische Gesundung der Menschen spielen. Der Hunger auf Kultur ist groß.

 

Noch ein Wort zur Stiftung Luthergedenkstätten. Dort ist in diesem Jahr in Wittenberg eine Sonderausstellung unter dem Titel „Pest. Eine Seuche verändert die Welt“ geplant. Sie soll vom 20. August 2021 an aufzeigen, welche Spuren die Pest im kulturellen Gedächtnis Europas hinterlassen hat. Ich wünsche der Stiftung sehr, dass diese Schau stattfindet, denn welches Thema könnte gegenwärtig mehr aktuelle Bezüge haben?

 

Rainer Robra ist Staats- und Kulturminister des Landes Sachsen-Anhalt.

 

 

Schleswig-Holstein

 

Wir blicken mittlerweile auf ein ganzes Jahr zurück, das für die Kulturszene mit extremen Belastungen einherging. Nicht nur die Kunst- und Kulturschaffenden warten sehnlichst darauf, wieder aufzutreten, auszustellen und im öffentlichen Raum kreativ zu werden. Auch das Publikum sehnt diesen Augenblick herbei.

 

Gemeinsam wollen wir Kultur genießen, gemeinsam gehen wir aber auch durch diese Krise und schaffen Perspektiven.

 

Mit dem Perspektivplan der Landesregierung werben wir auf Bundesebene für eine transparente Öffnungsper­spektive für die Kultur. Wenn wir uns alle an die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung halten und die Inzidenz weiter sinkt, werden wir schneller öffnen können.

 

Auch die Angst um die wirtschaftliche Existenz der Kulturschaffenden können wir gemeinsam abfedern. Land, Bund und Kommunen haben diverse Hilfen auf den Weg gebracht. Als Landesregierung haben wir uns unmittelbar seit März 2020 darum gekümmert, Einrichtungen, Vereine und einzelne Künstlerinnen und Künstler finanziell zu unterstützen.

 

Wir handeln dabei auf unterschiedlichen Ebenen. Mit eigenen Landesförderprogrammen helfen wir Kulturakteuren, Liquiditätsengpässe zu überwinden. Auch soloselbständige Künstlerinnen und Künstler unterstützen wir unbürokratisch. Unsere zentrale Beratungsstelle im Kulturministerium berät in allen Fragen und informiert über aktuelle Förder- und Hilfsprogramme. Mit den kulturellen Dachverbänden pflegen wir eine vertrauensvolle Dialogkultur.

 

Insgesamt hat der Landtag für den Kulturbereich im Laufe des Jahres 2020 knapp 44 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Etwa 14 Millionen Euro sind noch nicht fest verplant und stehen für weitere Hilfsprogramme zur Verfügung.

 

Mit den Förderprogrammen „Soforthilfe Kultur I/II“ haben wir wirtschaftliche Existenzen von Kultureinrichtungen gesichert, bisher mit 6,5 Millionen Euro.

 

Darüber hinaus gibt es weitere Hilfen: drei Millionen Euro für Künstlerinnen und Künstler im Rahmen der #KulturhilfeSH, ein separates Förderprogramm für Kinos und Schausteller, und insgesamt zehn Millionen Euro für Digitalisierungsangebote in Kultur- und Bildungseinrichtungen.

 

Angesichts des fortgesetzten Lockdowns haben wir Stipendien auf den Weg gebracht und planen eine angepasste Weiterführung der Liquiditätshilfen für Kultureinrichtungen. Über weitere benötigte finanzielle Unterstützungsleistungen befinden wir uns im engen Austausch.

 

Wir wollen Kultur in der Pandemie sichtbar und erlebbar machen. Die Kulturschaffenden brauchen nicht nur finanzielle Hilfe, sie brauchen auch ihr Publikum. Deshalb hat das Land im Sommer das „Kulturfestival Schleswig-Holstein“ ins Leben gerufen. Rund 850 Künstlerinnen und Künstler sind bisher im ganzen Land aufgetreten. Alle Bühnenshows wurden auf einer eigenen Plattform gestreamt. Zudem profitierten bisher etwa 220 Firmen aus der Veranstaltungsbranche von Aufträgen im Zusammenhang mit den einzelnen Events. Weitere Veranstaltungen sind in den kommenden Monaten geplant.

 

Ich blicke trotz aller Härten für die Kultur optimistisch in die Zukunft. Nicht nur wegen der zielgerichteten finanziellen Hilfen und der möglichen Öffnungsperspektiven.

 

Zuversicht gibt mit auch das neue Miteinander. Die oftmals sehr heterogen aufgestellte Szene hat sich zu neuen Allianzen zusammengefunden – in Schleswig-Holstein wurde z. B. ein Kinoverbund gegründet, um gezielt Lobbyarbeit zu betreiben. Gewachsen und gefestigt ist auch der Austausch der Kulturträger mit Politik und Verwaltung.

 

Die Kultur hat eine Welle der Solidarität aus der Mitte der Gesellschaft erreicht. Allein das Schleswig-Holstein Musik Festival hat 2020 durch nicht zurückverlangte Karten ausgefallener Konzerte und Spenden über eine Million Euro von seinem Publikum erhalten. Und vor allem: Wir alle wurden überrascht von unzähligen kreativen künstlerischen Formaten im Netz, aber ebenso ganz analog von ungewöhnlich charmanten Ideen in den Sommermonaten. Der Lohn dafür war ein großer Zuspruch und ganz neu gewecktes Interesse an Kunst und Kultur.

 

Karin Prien ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein.

 

 

Diese Texte ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.

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