Was tun die Länder?

Über Länderprogramme und -initiativen zur Linderung der Corona-Not im Kulturbereich

 

Brandenburg

 

Der Romancier Theodor Mügge hat zum Glück nie eine globale Pandemie erlebt. Er verfasste Abenteuerromane. In opulenten Bildern erzählt er im 19. Jahrhundert von spannenden Expeditionen, anstrengenden Reisen, aufregenden Erlebnissen. Wer heute an deutsche Abenteuerschriftstellerei denkt, dem fällt Karl May ein – nicht Theodor Mügge. Doch einen Ausspruch von ihm kennt womöglich jeder: „Der Mensch gewöhnt sich an alles, und es gibt nichts, wozu er nicht lachen könnte.“ Ich behaupte: An einen Lockdown gewöhnt sich niemand. Und eine Kulturministerin gewöhnt sich erst recht nicht an geschlossene Theater, zugesperrte Museen und verstummte Orchester. Die Coronakrise dauert an und sie mutet ganz besonders Kulturschaffenden und ihrem Publikum enorm viel zu. Die Einnahmen sind eingebrochen, es fehlt an Diskussion, Inspiration, Erlebnissen, Begegnungen.

 

Und doch: Kultur hat Zukunft – das zeigen die vielen Projekte und Initiativen im Land Brandenburg. Gemeinsam entwickeln wir Ideen, um etwas Freude ins Leben zu bringen, das durch die immer noch notwendigen Beschränkungen des öffentlichen Lebens doch sehr eingeschränkt ist. Kultur bildet, prägt und inspiriert uns – auch im Lockdown. Unsere brandenburgischen Kultureinrichtungen haben im zurückliegenden Jahr der Pandemie enorme Anpassungsleistungen vollbracht. Daher zählen sie für mich nach wie vor zu den sichersten Orten unseres Landes. Für mich zählen sie aber auch zu den sozialsten Orten des Landes. Sollte sich das Pandemiegeschehen entspannen, seine Dynamik verlieren, so müssen es deswegen die Kulturorte sein, die als erste wieder öffnen dürfen.

 

Kultur hat Zukunft – das muss unser Mantra in diesem scheinbar nicht enden wollenden Lockdown sein. Vermutlich wird es bis Ostern weder klassische Theateraufführungen noch herkömmliche Konzerte geben. Umso wichtiger ist es, nicht nur über Zeitspannen der Schließung von Spielstätten zu diskutieren, sondern weiter Kultur leben zu lassen.

 

Während sich andere auf die Dauer von Schließungen verständigen, gehen wir in Brandenburg einen anderen Weg – einen Brandenburger Weg, der Gesundheitsschutz und Planungssicherheit zwar gleichermaßen wichtig nimmt, der aber auch von dem Mut getragen ist, gemeinsam etwas zu kreieren und zu entwickeln. Der Lockdown wird nicht ewig dauern. Es gibt eine Zeit danach. Deshalb ist unser „Brandenburger Weg“ für die Kultur wichtig. Ein Weg, der uns über Ermöglichung nachdenken lässt, auf Präsenz und Miteinander setzt und das über die Grenzen institutioneller Kultur und freier Szene sowie Soloselbständiger hinweg. Entstanden ist ein gemeinsames Bekenntnis zahlreicher Kulturschaffender und Kreativer im Land Brandenburg. Sie geben ein Bekenntnis ab zum Überleben und zur positiven Kraft der Kultur in ihren vielfältigsten Formen und zur Solidarität über alle Sparten von Kultur hinweg. Der Brandenburger Weg zeigt, dass wir noch da sind, dass die Kultur noch da ist. Bleiben wir also optimistisch: Kultur hat Zukunft und sie kann jederzeit passieren.

 

Manja Schüle ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.

 

 

Bremen

 

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist es ein vorrangiges Ziel unseres Krisenmanagements, die Vielfalt der bremischen Kulturlandschaft zu erhalten, indem die Akteurinnen und Akteure abgesichert werden. In einem ersten Schritt war es geboten, existenzbedrohende Situationen für selbständige Kulturschaffende abzuwenden. Zu diesem Zweck beschloss der Bremer Senat ein „Sofortprogramm zur Unterstützung freischaffender Künstlerinnen und Künstler aufgrund der Auswirkungen der Coronavirus-Krise“. Das am 31. März 2020 aufgelegte Programm war auf individuelle Bedarfe von Kulturschaffenden zugeschnitten, für die nicht laufende Kosten das Problem sind, sondern fehlende Einnahmen.

 

Ohne diese Maßnahme hätten Menschen, die mangels Veranstaltungsmöglichkeit in wirtschaftliche Not geraten waren, sofort Grundsicherung oder Arbeitslosengeld II beantragen müssen. Für das am 31. August 2020 ausgelaufene Sofortprogramm standen in zwei Tranchen insgesamt 1,25 Millionen Euro zur Verfügung. 287 Künstlerinnen und Künstler konnten in der ersten, 182 in der zweiten Phase unterstützt werden. Wie positiv die Rückmeldungen aus der Szene waren, habe ich in zwei Videoforen erfahren, in denen bis zu 170 Kulturschaffende Fragen und Anregungen, Sorgen und Wünsche sowie wechselseitige Unterstützungsangebote formuliert haben. Diese ebenso erstaunliche wie effiziente Vernetzung der freien Akteurinnen und Akteure geht zurück auf ein vom Senator für Kultur in den vergangenen Jahren entwickeltes Dialogformat, die Denkzellen.

 

An die Stelle reiner Existenzsicherung durch das Sofortprogramm ist bereits im Herbst 2020 eine Form der Unterstützung getreten, die auf künstlerische Perspektiven und einen mittelfristigen Neustart des Kulturbetriebs in Bremen setzt: eine Produktionsförderung in Gestalt von Projektstipendien für soloselbständige Kulturschaffende. Die Resonanz auf dieses der Kreativität zugeeignete Zukunftsprogramm ist bemerkenswert: Ursprünglich sollten 400 mit bis zu 7.000 Euro dotierte Stipendien für Akteurinnen und Akteure aus der freien Szene vergeben werden – für künstlerische Arbeiten ebenso wie für Fortbildungen.

 

Allerdings lag eine entsprechende Zahl von Anträgen bereits zwei Wochen nach dem Start des Programms im November 2020 vor. Deshalb wurden weitere 400 Fördermaßnahmen auf den Weg gebracht. Der Senat verdoppelte das Volumen somit auf 5,6 Millionen Euro. Die Kulturbehörde wird diese Form der konkreten Produktionsförderung im Bedarfsfall weiter fortsetzen. Neben dem Stipendienprogramm haben wir die Sicherstellung komplementärer Mittel für Bundesprogramme wie das im Februar 2021 aufgestockte Hilfspaket NEUSTART KULTUR in Höhe von zehn Prozent beschlossen. Von dieser Unterstützung aus dem sogenannten Bremen-Fonds, einem milliardenschweren Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Pandemie-Folgen, profitieren zumal freie Künstlerinnen und Künstler aus den Sparten Theater und Tanz.

 

Neben dem Schließen von Wirtschaftlichkeitslücken geht es der Bremer Kulturpolitik auch um einen ideellen Kapitaltransfer, der sich zwischen den Kulturschaffenden und dem notgedrungen pausierenden Publikum ereignen muss: um die beherzte Fortführung einer aus Disziplin und Solidarität, Ideenreichtum und Zuversicht gewobenen Kraftanstrengung zu einer gemeinsamen Bewältigung der Krise. Dass viele Vorhaben des Stipendienprogramms diesen konstruktiven Dialog in zukunftsträchtiger Manier aufnehmen, signalisiert die große Kreativität der hiesigen Kunstszene. Dieser Umstand macht ebenso Hoffnung wie die Öffnungskonzepte für Spiel- und Ausstellungsstätten, die wir Anfang Februar in einer Kulturminister-Konferenz auf den Weg gebracht haben.

 

Für weitere Zuversicht sorgt in Bremen die Erfahrung, wie sehr das erwähnte Denkzellen-Dialogformat die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen selbständigen Kulturschaffenden und Senatskulturverwaltung begünstigt. Diese enge Kooperation hat überdies eine lohnende Perspektive, die eine erste Phase der Postpandemie betrifft: Im Jahr 2023 ist die Eröffnung eines Zentrums der Freien Künste geplant – im historischen Tabakquartier des Stadtteils Woltmershausen.

 

Andreas Bovenschulte ist Präsident des Senats, Bürgermeister und Kultursenator der Freien Hansestadt Bremen.

 

 

Hamburg

 

Die wichtigste kulturpolitische Aufgabe unserer Tage liegt darin, eine Perspektive für den kulturellen Betrieb, für Künstlerinnen, Künstler und Kreative zu entwickeln. Dazu gehört zum einen, dass wir weiter Konzepte und Strategien erarbeiten, auf deren Grundlage der wiederholte kulturelle Neustart gelingen kann. Es ist zwingend, dass wir die Zukunft des künstlerischen Schaffens nicht aus dem Blick verlieren. Das Wichtigste ist, dass wir diesen Mut und das Bewusstsein nicht verlieren, für all das, was darauf wartet, von den Probenbühnen und den Probenräumen auf die Bühnen zu kommen. Zugleich aber muss es auch darum gehen, neben den ideellen auch die materiellen Grundlagen der Kultur zu sichern – unter den derzeitigen Beschränkungen ebenso wie für die Vorbereitung des Wiederbeginns.

 

Dafür müssen wir staatlich die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Bereits im März 2020 haben wir in Hamburg die ersten Hilfspakete aufgelegt, die sich im Laufe des Jahres über verschiedene Instrumente auf rund 90 Millionen Euro aufsummiert haben, die zusätzlich in die kulturelle Landschaft geflossen sind. Es bedurfte im Hamburger Senat zum Glück keiner großen Diskussionen, dass neben der Wirtschaft auch die Kultur mit aller Kraft gestützt werden muss.

 

Dieser Rettungsschirm ist im engen Austausch zwischen der Behörde für Kultur und Medien und den jeweiligen Sparten konzipiert worden, die am allerbesten wissen, welche Unterstützung sie brauchen, um nicht nur ökonomisch zu überleben, sondern auch die Zuversicht nicht zu verlieren. Daher haben wir nach dem ersten Schock und den schnellen Hilfen zum Überleben Programme entwickelt, mit denen Kultur unter Corona-Bedingungen wieder möglich war: von Recherchestipendien und Gagenfonds für freie Künstlerinnen und Künstler, über Theateraufführungen auf Abstand oder zusätzliche Outdoor-Konzerte bis hin zum gesetzten Club-Abend. Das alles kostet zusätzliches Geld, das wir aufbringen müssen, um nicht bloß Stillstand abzufedern, sondern die Produktion von Kultur zu ermöglichen.

 

Langsam kommen mittlerweile auch die Hilfen des Bundes bei den Kultureinrichtungen und Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen an. Teilweise viel zu spät, aber immerhin zeigen die Beschlüsse zur Verlängerung und Aufstockung des Programms NEUSTART KULTUR, dass der Bund seiner Verantwortung langfristig gerecht werden will. Das ist gut, gibt es uns vor Ort doch die Möglichkeit, ergänzende Hilfen zu entwickeln, um über das Überleben hinaus auch Perspektiven aufzuzeigen. Hamburg hat hierzu auch für 2021 und 2022 weitere Mittel in jeweils zweistelliger Millionenhöhe im Haushalt eingestellt.

 

Geld ist das eine. Das andere, und mindestens genauso wichtig, ist, dass wir gemeinsam die Perspektive auf die Wiedereröffnung der kulturellen Angebote entwickeln. Der hohe Rang der Kunstfreiheit im Grundgesetz verlangt, dass Beschränkungen der Kultur immer nur eine absolute und zeitlich begrenzte Ausnahme sein dürfen. Deshalb ist es unabdingbar, an Öffnungskonzepten zu arbeiten, um vorbereitet zu sein, wenn die pandemische Lage sich bessert. Die Kulturminister haben hierzu einen Weg aufgezeigt. Spätestens wenn die Kaufhäuser wieder öffnen, sollen auch die Museen öffnen, und spätestens, wenn die Gastronomie öffnet, soll es auch möglich sein, Kultur wieder live mit anderen zu erleben.

 

Was bleibt aus dieser Zeit? Neben dem Bewusstsein, was wir gemeinsam schaffen können, eine beeindruckende Solidarität innerhalb der Kulturszene, die nicht nur die schwer auszuhaltenden Einschränkungen akzeptiert, sondern auch zusammenarbeitet, wo Hilfe notwendig und möglich ist, und auch gemeinsam laut und deutlich die Stimme erhebt, wo der Wert der Kultur verkannt wird.

 

Was hoffentlich auch bleibt, ist zudem das Bewusstsein für die nicht erledigten Aufgaben, die uns die Pandemie schonungslos aufgezeigt hat. Die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Künstler zum Beispiel muss dringend verbessert werden. Hier müssen wir Instrumente entwickeln, mit denen die Möglichkeiten der Arbeitslosenversicherungen oder des Kurzarbeitergeldes auch dort zugänglich sind, wo unsichere Arbeitsverhältnisse und schlechte Bezahlung immer noch die Regel sind.

 

Carsten Brosda ist Senator für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg.

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