Perspektiven schaffen

Die Filmbranche nach einem Jahr Corona-Pandemie

Als am 13. März 2020 ein Bündnis aus Filmverbänden auf Initiative der SPIO vor den Folgen der Corona-Pandemie für die Branche warnte, zeichnete sich eine dramatische Lage ab. Ein Jahr später hat sich das Bild leider weiter verdüstert.

 

Jüngst hat eine EY-Studie gezeigt, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem Minus von 200 Milliarden Euro in Europa eine der am schwersten betroffenen Branchen ist. Knapp ein Drittel der Einnahmen sind durch die Pandemie weggebrochen. Auch die gerade erschienene zweite Ausgabe der Betroffenheitsstudie des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft bestätigt diese Zahlen und die schweren Schäden der Filmwirtschaft. Geschlossene Kinos, abgesagte Filmstarts und verschobene Drehs – kein Bereich bleibt ausgenommen. Oder wie es schon in der ersten Betroffenheitsstudie hieß: 98 Prozent der Filmwirtschaft sind von den Pandemiefolgen betroffen.

 

Hinter diesen nüchternen Zahlen stehen persönliche Schicksale von Filmschaffenden, Produzentinnen, Verleihern und Kinobetreiberinnen. Sie zeichnen aber auch eine tiefgreifende Veränderung der Wertschöpfungsketten in der Filmwirtschaft ab. Die mittelständischen Unternehmen der Filmwirtschaft bluten aus. Sie haben keine oder weniger Einnahmen, und die Produktions- und Unterhaltungskosten sind durch die notwendigen Hygienevorschriften gestiegen. Diesen wirtschaftlichen Druck werden die wenigsten aushalten können. Die schlichte Rechnung einer Fixkostenerstattung für die Zeit der Schließung greift daher auch zu kurz.

 

Die Folgen für die Filmwirtschaft sind tiefgehender: Die Abhängigkeit vieler Filmschaffenden, Produktionsunternehmen und Filmdienstleister von wenigen Auftraggebern wird steigen. Diese Entwicklung müssen wir im Blick behalten, ihr etwas entgegensetzen.

 

Ein Lichtblick ist der unermüdliche Einsatz von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Mit der Verdoppelung der Kulturmilliarde ist eine wichtige Stütze gestärkt worden. Diese Hilfen haben die gesamte Branche im Blick und kommen da an, wo sie dringend gebraucht werden.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium sollte insbesondere mit Blick auf den Stolperstart der Überbrückungshilfen die erfolgreichen Programme stärken. „Digital jetzt“ ist besonders nachgefragt – auch in der Filmbranche. Eine Aufstockung der Mittel ist dringend geboten.

 

Hoffnung macht die Branchensolidarität, die sich in den schwierigen Monaten gezeigt hat. Trotz Planungsunsicherheit und massiv eingeschränkten Besuchermöglichkeiten haben Verleihunternehmen über den Sommer Top-Filmstarts angesetzt und beworben. Viele mussten erneut verschoben werden. Mit diesen Investitionen dürfen die Verleihunternehmen nicht alleine gelassen werden. Auch sie müssen an den Überbrückungshilfen partizipieren können, damit Kinofilme weiter möglich sind.

 

Wir werden uns noch auf harte Monate einstellen müssen. Nur wenn es eine Perspektive für die Zeit danach gibt, werden die notwendigen Einschnitte weiter Akzeptanz finden. Wichtig ist, die Öffnungsperspektive zu konkretisieren. Die Mutationen des Coronavirus gebieten es, auch bei weiter sinkender Inzidenz mit Vorsicht zu handeln. Diese Vorsicht darf uns aber nicht lähmen. Sie darf uns nicht daran hindern, eine Öffnungsstrategie für verschiedene Szenarien zu entwickeln. Und wir müssen an den technischen und medizinischen Lösungen weiterarbeiten. Die Hygienekonzepte haben im letzten Sommer den Praxistest bestanden. Ein weiteres Auf- und Zusperren von risikoarmen Kulturorten nützt der Pandemiebekämpfung wenig und schadet der Akzeptanz. Eine durchdachte und abgewogene Öffnungsstrategie gibt den Unternehmen etwas mehr Planbarkeit. Und Hoffnung in einer für uns alle dramatischen Zeit.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.

Thomas Negele
Thomas Negele ist Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft.
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