NEUSTART KULTUR: Digital-Programme

Welche Digitalisierungsmaßnahmen werden jetzt in Kultureinrichtungen unterstützt und umgesetzt? Politik & Kultur hat in der Ausgabe 2/21 nachgefragt.

 

museum4punkt0

 

Die Corona-Pandemie hat Digitalisierungsprojekte in der deutschen Museumslandschaft unter neue Vorzeichen gestellt: Nie waren digitale Angebote, die unabhängig von der physischen Präsenz im Museum funktionieren, so wichtig. Allein über digitale Zugänge bleibt unser kulturelles Erbe auch bei geschlossenen Häusern erreichbar. Die Motivation der Museen ist entsprechend hoch, ihre Vermittlungskonzepte anzupassen. Gleichwohl haben sich der Bedarf an Ressourcen für den Einsatz digitaler Technologien in der Vermittlungsarbeit und insbesondere ihr Mangel brennglasartig gezeigt.

 

Wir sind der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien daher sehr dankbar, dass wir unser Verbundprojekt museum4punkt0 im Rahmen von NEUSTART KULTUR 2021 fortsetzen können. In die zusätzliche Förderung wurden zehn weitere Institutionen aufgenommen, die museum4punkt0 bereits als assoziierte Partner verbunden waren. Die neuen Teilprojekte ergänzen das Portfolio von museum4punkt0 erheblich. Hiervon profitiert wiederum die Museumslandschaft insgesamt, der die Projektergebnisse zur Verfügung stehen. Ziel von museum4punkt0 ist es, mit Erfahrungen, Erkenntnissen, Austausch und konkret weiternutzbaren Ergebnissen gerade auch kleinere Häuser darin zu unterstützen, geeignete digitale Strategien zu entwickeln und umzusetzen.

 

Die bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angesiedelte Gesamtleitung des Verbunds schafft mit ihrem Team die Voraussetzungen für den Wissenstransfer im Verbund, stellt Ergebnisse bereit, informiert über die Teilprojekte und aktuelle Themen. 2021 wollen wir zudem mit zunächst digitalen öffentlichen Veranstaltungen weitere Impulse setzen, um das Wissen in museum4punkt0 zu bündeln und zu teilen.

 

Seit 2017 entwickelt, testet und evaluiert museum4punkt0 digitale Tools. Zu den Ergebnissen gehören eine nachnutzbare Virtual-Reality-Anwendung (VR), die auch in anderen Museen virtuell den verborgenen Lebensraum der Bodentiere öffnet, oder eine App, mit der Guides in der persönlichen Führung Augmented-Reality-Technologie (AR) variabel und situationsabhängig nutzen können. Individuelles Erkunden des Museums bietet eine weitere App als spielerische Interaktion mit den Objekten. Breit angelegte Studien, ein Testlabor zu den Möglichkeiten von VR und AR, Betriebskonzepte, die auch auf den hohen Betreuungsaufwand etwa von VR-Stationen eingehen, gehören ebenfalls zu den Erfahrungswerten, die andere Museen für sich nutzen können. Ein Ziel dieser Projektphase ist es, gemeinsam die Möglichkeiten der hochkomplexen künstlichen Intelligenz für den Kulturbereich auszuloten. Vor dem Hintergrund der Pandemie-Erfahrungen werden künftig verstärkt Anwendungen zur Nutzung auf den eigenen Geräten oder ortsunabhängig nutzbare Angebote entwickelt. Hinzu kommen partizipative Plattformen, die Nutzerinnen als Co-Kuratorinnen einbinden oder schwerpunktmäßig Bildungsangebote für eine jüngere Zielgruppe machen.

 

Im intensiven Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen hat sich der dringende Bedarf an Ressourcen gezeigt, um das kulturelle Erbe der Museen zeitgemäß zugänglich zu machen und die Herausforderungen der Pandemie zu stemmen. Es wird eine längerfristige Förderung brauchen, um es den hoch motivierten Museen zu ermöglichen, ihre Ideen für Zugang zum und Teilhabe am kulturellen Erbe umzusetzen.

 

Monika Hagedorn-Saupe ist Leiterin des Verbundprojekts museum4punkt0

 

 

Deutsche Digitale Bibliothek

 

Mit NEUSTART KULTUR hat die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm für den Kultur- und Medienbereich aufgelegt, mit dem Investitionen und Projekte verschiedener Kultursparten gefördert werden – auch die Deutsche Digitale Bibliothek und ihre Partnereinrichtungen profitieren davon.

 

Mit dem Projekt „Nutzerorientierte Neustrukturierung“ will die Deutsche Digitale Bibliothek das Nutzungserlebnis intuitiver und auf unterschiedliche Bedürfnisse besser abgestimmt gestalten. Dafür werden neue Formate und Medien für eine partizipative Kulturvermittlung entwickelt. Außerdem unterstützt die Deutsche Digitale Bibliothek Kultureinrichtungen, indem Mittel zur Digitalisierung vergeben werden.

 

Derzeit sind rund 35 Millionen Objekte auf dem Portal der Deutschen Digitalen Bibliothek zugänglich. Um diese Objekte und ihre vielfältigen Inhalte für unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer eingängiger zu präsentieren, sollen leicht bedien- und rezipierbare Angebote entwickelt werden, die interaktive Teilhabe und eine bessere Orientierung in der Vielfalt und Vielzahl des Kulturgutes ermöglichen.

 

So sollen die vorhandenen Informationen mit redaktionellen und partizipativen Elementen angereichert und unterschiedliche Medienformate entwickelt werden. Dafür wird das Portal neu strukturiert und zukünftig beispielsweise Sucheinstiege zur geografischen Herkunft, Entstehungszeitraum, Objektgattung oder -material anbieten. Auch das im Herbst 2019 erfolgreich gestartete Projekt „Virtuelle Ausstellungen“, mit dem Kulturinstitutionen ihre Bestände selbständig kuratieren, wird in diesem Zuge weiter ausgebaut, bietet es doch vielfältige Möglichkeiten zur Kontextualisierung – innerhalb eines Jahres wurden bereits über 60 virtuelle Ausstellungen unterschiedlichster Partner aller Kultursparten und zu vielfältigen Themen und Objektgattungen veröffentlicht.

 

Auch neue und vor allem junge Nutzergruppen sollen angesprochen und für das kulturelle Erbe begeistert werden: Schulen, Universitäten sowie kleine, oft von ehrenamtlichem Engagement getragene Kultureinrichtungen, sollen zu kooperativen Projekten eingeladen werden.

 

Wesentliches Ziel ist es, Kultureinrichtungen bei der Sichtbarmachung ihrer Bestände und Sammlungen stärker als bisher zu unterstützen. Deshalb stellt die Deutsche Digitale Bibliothek interessierten Einrichtungen insgesamt ca. 2 Millionen Euro zur Digitalisierung zur Verfügung. Um das reichhaltige Panorama des Kulturerbes zukünftig noch attraktiver abzubilden, stehen rechtefreie und hochaufgelöste Objekte, die die Highlights von Sammlungen oder Einrichtungen interaktiv erlebbar machen können, im Vordergrund.

 

Erste Rückmeldungen zeigen ein überaus hohes Interesse der Einrichtungen und wie wichtig nachhaltige Digitalisierungsförderung – eingebettet in erprobte Projektstrukturen inklusive der Anreicherung mit Metadaten – ist.

 

Antragsberechtigt sind bei der Deutschen Digitalen Bibliothek registrierte Einrichtungen, gefördert werden Projekte mit einem Finanzvolumen ab 10.000 Euro. Informationen zum Antragsverfahren und die Förderrichtlinien veröffentlicht die Deutsche Digitale Bibliothek auf ihrer Webseite, in ihrem Newsletter, auf den sozialen Medien sowie auf DDBpro, dem Portal für Datenpartner der Deutschen Digitalen Bibliothek.

 

Insgesamt erhält die Deutsche Digitale Bibliothek für ihr Projekt „Nutzerorientierte Neustrukturierung“ 5,5 Millionen Euro, die Projektlaufzeit ist September 2020 bis Dezember 2021.

 

Astrid B. Müller ist zuständig für Kommunikation, Presse und Marketing bei der Deutschen Digitalen Bibliothek

 

 

Deutscher Bibliotheksverband

 

Das Programm „WissensWandel“, das seit Oktober 2020 vom Deutschen Bibliotheksverband (dbv) als Teil des Rettungs- und Zukunftsfonds NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien umgesetzt wird, unterstützt nicht nur Bibliotheken, sondern auch Archive dabei, ihre vielfältigen Kultur- und Bildungsangebote digital weiterzuentwickeln. 10 Millionen Euro stehen für die Förderung bereit. Für die Umsetzung von „WissensWandel“ arbeitet der dbv mit dem Verband deutscher Archivarinnen und Archivare zusammen.

 

Das Programm richtet sich an öffentlich zugängliche Bibliotheken und Archive in kommunaler, kirchlicher, freier oder sonstiger nichtstaatlicher Trägerschaft sowie Organisationen, die im Bibliotheks- und Archivbereich für die Aus- und Fortbildung zuständig sind.

 

Gefördert werden Maßnahmen zu Schaffung und Ausbau nachhaltiger digitaler Angebote, mit dem Ziel, ein vielfältiges Kultur- und Bildungsangebot breit und zeitgemäß zugänglich zu machen – unabhängig von der physischen Öffnung der Einrichtung. Der Förderschwerpunkt liegt auf der Einführung und dem Ausbau innovativer Angebote und Services sowie neuer Nutzungsmöglichkeiten von Bibliotheken und Archiven. Dazu zählen der Auf- und Ausbau des digitalen Medienangebots mit E-Medien und Streaming-Diensten, die Bereitstellung von E-Learning-Plattformen, Vermittlungsangebote zum Erwerb digitaler Kompetenzen, Projekte digitaler kultureller Bildung, „Makerspaces“ sowie Weiterbildungsformate für die Mitarbeitenden. Die Förderung der Digitalisierung und Zugänglichmachung schriftlichen Kulturguts spricht insbesondere Archive an, da wissenschaftliche Bibliotheken in der Trägerschaft des Bundes oder der Länder von der Förderung ausgeschlossen sind. Bei nachgewiesener Notwendigkeit können auch infrastrukturelle Grundlagen für die Schaffung neuer Angebote gefördert werden.

 

Die Einrichtungen konnten bei der Antragstellung Maßnahmen aus unterschiedlichen Förderbereichen kombinieren. Für besonders modellhafte oder innovative Projekte war es zudem möglich, sich als „Leuchtturmprojekt“ zu bewerben und dadurch von einer höheren Fördersumme zu profitieren. Alle Projekte müssen bis Ende August 2021 abgeschlossen werden.

 

Da die Prüfung der Anträge in der Reihenfolge des Eingangs erfolgt, standen alle Einrichtungen vor der Herausforderung, in kürzester Zeit einen Projektantrag aufzusetzen. Am ersten Tag der Antragsphase, dem 2. November 2020, gingen im Minutentakt Anträge über ein Online-Formular ein. Am 14. Dezember 2020 wurde die Antragsphase aufgrund der hohen Überzeichnung gestoppt. Insgesamt gingen 576 Anträge mit einer beantragten Fördersumme von rund 22,8 Millionen Euro ein, davon 241 Anträge bereits am ersten Tag. Diese Zahlen illustrieren den hohen Bedarf von Bibliotheken und Archiven an Unterstützung im Bereich der Digitalisierung.

 

Die Prüfung der Anträge erfolgt formal durch das Programmteam und inhaltlich durch einen unabhängigen Fachbeirat. Die ersten Bewilligungen wurden im Dezember 2020 verschickt. Angesichts des hohen Bedarfs und des engen Förderzeitraums setzt sich der dbv für eine Aufstockung der Fördersumme und die Verlängerung des Förderprogramms ein.

 

Kerstin Meyer leitet das Förderprogramm „WissensWandel“ beim dbv. Barbara Schleihagen ist Bundesgeschäftsführerin des dbv

 

Kulturstiftung der Länder

 

Die digitale Transformation der Kultureinrichtungen in Deutschland kann nur dann gelingen, wenn die Kulturförderung gezielte Anreize für diese Transformation in der Breite schafft und gerade auch ressourcenschwache Akteure in die Lage versetzt, digitale Inhalte zu produzieren und öffentlich zu präsentieren. Das gemeinsam aus dem Rettungs- und Zukunftspaket NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und Haushaltsmitteln der Kulturstiftung der Länder finanzierte Förderprogramm Kultur.Gemeinschaften will daher insbesondere kleinere, auch ehrenamtlich geführte Kultureinrichtungen sowie Projektträger mit eindeutig kultureller Ausrichtung kurz- und mittelfristig in die Lage versetzen, ihre Arbeit sowie die Ergebnisse ihrer Arbeit digital zu dokumentieren, ggf. inhaltlich sowie technisch aufzubereiten und in ansprechender Form im Internet und in den sozialen Medien zu veröffentlichen.

 

Die durch Kultur.Gemeinschaften ermöglichte digitale Content-Produktion, z. B. Audiopodcast, Video, Livestream, soll in bestehende, nachhaltige Konzepte oder Strategien für die digital gestützte Kulturkommunikation und Kulturvermittlung der geförderten Institutionen und Projektträger eingebettet sein, entsprechende Kompetenzen und Kapazitäten dieser Kultureinrichtungen stärken und damit mittelfristig auch einen Beitrag zu ihrer digitalen Transformation leisten. Kultur.Gemeinschaften reagiert unmittelbar auf den durch die Corona-Pandemie drastisch verdeutlichten Bedarf an attraktiver digitaler Kulturkommunikation und Kulturvermittlung und bietet darauf abgestimmte, miteinander kombinierbare Förderinstrumente an, die allerdings auch über die aktuelle Krise hinaus sinnvoll und langfristig wirksam sind.

 

Kultur.Gemeinschaften

fördert den Erwerb einer leistungsstarken, gut zu handhabenden und bedarfsgerecht zusammengestellten Technikausstattung für die Content-Produktion in digitalen Audio- und Videoformaten (Fördermodul 1),

 

  • ermöglicht die Beauftragung externer Dienstleistungen, z. B. in den Bereichen Contentplanung, Design, Kulturkommunikation und Kulturvermittlung, bei der digitalen Content-Produktion oder bei der Entwicklung bzw. Erweiterung von digital unterstützten Kulturvermittlungskonzepten (Fördermodul 2),
  • schafft, empfiehlt und vermittelt einschlägige Beratungs-, Schulungs- und Weiterbildungsangebote (Fördermodul 3) und
  • unterstützt den Wissensaustausch und die Vernetzung der geförderten Einrichtungen untereinander sowie die Verbreitung der geförderten Produktionen im Internet und den sozialen Medien (Transfermodul).

 

Kultur.Gemeinschaften will auf diese Weise mehrere, auch langfristig relevante Ziele erreichen: So sollen die geförderten Einrichtungen und Projektträger aktiv dabei unterstützt werden, über digitale Kanäle zur Erhöhung der kulturellen oder künstlerischen Angebotsvielfalt beizutragen, die Sichtbarkeit ihrer Arbeit zu erhöhen, mit ihrem regulären Publikum auch außerhalb physischer Begegnungsräume zu interagieren und neue Personengruppen anzusprechen. Gleichzeitig soll innerhalb der geförderten Einrichtungen die Akzeptanz für die Konzeption, Produktion und Veröffentlichung digitaler Kommunikations- und Vermittlungsformate erhöht, die dafür erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten aufgebaut bzw. gestärkt und damit auch neue, nachhaltig wirksame Impulse für die kuratorische, künstlerische und vermittelnde Arbeit in den geförderten Institutionen geschaffen werden. Schließlich sollen durch den Erfahrungs- und Wissensaustausch der geförderten Einrichtungen und Projektträger untereinander in Deutschland digitale Infrastrukturen und digitale Kompetenzen im Kulturbereich ausgebaut, enger miteinander vernetzt und damit insgesamt leistungsfähiger gemacht werden.

 

Knapp 700 Einrichtungen aus ganz Deutschland – vom Puppentheater bis zum Heimatmuseum – haben bei der Kulturstiftung der Länder eine Förderung im Programm Kultur.Gemeinschaften beantragt. Die Vergabe der Fördermittel in Höhe von insgesamt mehr als 10 Millionen Euro erfolgt voraussichtlich im zweiten Quartal 2021 auf Empfehlung einer unabhängigen Jury bestehend aus Expertinnen und Experten.

 

Markus Hilgert ist Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder

 

 

Kulturstiftung des Bundes

 

Mit dem bundesweiten Förderprogramm „dive in – Programm für digitale Interaktionen“ führt die Kulturstiftung des Bundes zwei kulturpolitische Ziele zusammen: die Verbesserung von Partizipationsangeboten in Kulturinstitutionen und die Erprobung neuer Wege im Bereich der Digitalisierung. Kein Wunder bei diesen Themen, dass die Resonanz auf „dive in“ enorm ausfiel. Fast 600 Anträge zählte die Kulturstiftung des Bundes im Herbst 2020, über die eine Fachjury im Herbst 2020 entscheiden musste. 68 Initiativen mit Fördermitteln von bis zu 200.000 Euro bei einer Gesamtfördersumme von fast 10 Millionen Euro des Programms NEUSTART KULTUR der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien können ab sofort und bis Ende 2021 über die Bühne gehen – oder auch dies: über Monitore und Leinwände, durch Ausstellungsräume und über Screens all jener Smartphones, die Jung und Alt gleichermaßen umstandslos wie permanent „auf Tasche“ haben.

 

Zum „dive in“-Verbund zählen jedenfalls Sparten und Einrichtungen, die so reich und divers sind wie die ganze Kulturlandschaft in Deutschland: Theater, Museen, Gedenkstätten, Bibliotheken, soziokulturelle Zentren, Archive, Festivals. Alle wissen: Am Beginn des Jahres 2021 steht dieser Reichtum gleich doppelt auf dem Spiel. Einerseits zwingt die Pandemie-Not zahlreiche Kultureinrichtungen, vor allem auch Künstlerinnen und Künstler, in eine existenzbedrohende Isolation; andererseits treibt ein gegenwartsblindes Verharren im Analogen den Keil noch tiefer, der manche Kultureinrichtungen seit Langem gerade von einem jüngeren und überregionalen Publikum trennt.

 

„Dive in“ lädt dazu ein, das Beste aus der Krise herauszuholen – mit Optimismus und Sinn für die Realitäten unserer globalisierten Gegenwart. „Digitalisierung“ ist kein kulturpolitisches Zauberwort. Ebenso wenig sind Partizipations- und Interaktionsangebote ein Nice-to-have aus der pädagogischen Provinz. Beides berührt die Fundamente organisationalen Handelns im Kulturbereich. Folglich gehört digitale Vermittlung auf die Chefetagen aller Kultureinrichtungen im Lande. Hier sollte eine grundlegende Maßnahme darin bestehen, gut ausgebildeten Expertinnen und Experten für Vermittlung attraktive, im Stellenplan verankerte Beschäftigungen anzubieten. Nur so wachsen die Chancen, dass vielseitige, auch experimentelle Vermittlungsformate verlässlich in die Welt kommen. Ein lebendiger Kulturort versteht dabei die Kunst, allen Menschen einer Stadtgesellschaft oder Region ein Angebot zu machen: Er lädt dazu ein, Wissen zu teilen, Multiperspektivität zuzulassen und – wenn das Vertrauen erst einmal da ist – auch jenen Besucherinnen und Besuchern eine Stimme zu geben, die noch kaum einen Schritt in eine Kultureinrichtung gesetzt haben.

 

Für das Programm „dive in“ gilt: Digitale Formate sind immer auch Vermittlungsformate, die in Pandemie-Zeiten Sorge tragen können, dass trotz verschlossener Eingangstüren das Band zum Publikum nicht reißt. Oder dass sogar ein ganz neues Publikum gewonnen wird. Wo? Vielleicht außerhalb etablierter Traditionsräume, in den Schulen oder in zivilgesellschaftlichen Räumen. Und wie? Mit viel Lust auf das Neue; mit ebenso aufregender wie bedienungsfreundlicher Verquickung von analogen und digitalen Wirklichkeiten.

 

Andere europäische Länder machen längst vor, wie das geht. In Deutschland – auch das eine Erkenntnis aus „dive in“ – gilt es vielerorts vieles nachzuholen, wenn es um digitale Austausch- und Kooperationsformen im digitalen Raum geht: Wie konzipiert man treffsichere und authentische Vermittlungsangebote? Wo finden sich technische Partner, die verstehen, worum es wirklich geht in Kunst und Kultur und wie sich apparative/operative Folgekosten oder auch der Zeitnutzen von App-Programmierungen kalkulieren lassen? Wie gelingt ein Wandel der Organisationskultur, damit die Finanzierung digitaler Maßnahmen nicht länger auf kurzfristige Sonderprogramme und Krisenkonjunkturen angewiesen ist, weil von der Direktion und den Teams in den Kultureinrichtungen bis hin zu deren Stakeholdern in Verwaltung und Politik die Erkenntnis fest verankert ist, dass digitale Vermittlung institutionelles Kerngeschäft darstellt?

 

Das sind große Herausforderungen. Mit „dive in“ hat die Kulturstiftung des Bundes 68 Institutionen einladen können, in den Horizont all dieser Fragen einzutauchen. Aber kein Grund zur Sorge: Sie alle tauchen wieder auf. Hoffentlich. Und auch die Corona-Pandemie wird zu Ende gehen. Glücklich ist, wer in der Zwischenzeit gelernt hat, sich im Digitalen mit derselben selbstverständlichen Schönheit zu bewegen wie ein Fisch im Wasser.

 

Hortensia Völckers ist Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes

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