NEUSTART KULTUR: Die Zukunftsprogramme der Kulturförderfonds

Wie werden Kulturschaffende jetzt unterstützt?

 

Fonds Soziokultur

 

Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) vergibt der Fonds Soziokultur regulär in drei unterschiedlichen Förderprogrammen jährlich rund 2 Millionen Euro an Initiativen, Einrichtungen und Kulturakteurinnen und -akteure in Städten, auf dem Lande, in der Peripherie. Auf dieser Basis setzt er nun im Rahmen von NEUSTART KULTUR der BKM mit zusätzlichen 10 Millionen Euro ein Sonderförderprogramm mit drei wesentlichen Elementen um:
• Förderung soziokultureller Projektarbeit
• Re:Vision – Online-Programm für Projektakteurinnen und -akteure
• Evaluation, Auswertung und Transfer von Erkenntnissen

 

Der klare Schwerpunkt liegt auf der finanziellen Projektförderung. „Re:Vision“ zielt darauf ab, durch Praxistransfer und Reflexion die Beteiligten zu stärken sowie sinnvolle Formate unter anderem im Digitalen zu verbreiten und anzuregen. Die wissenschaftliche Evaluation wird darüber hinaus für die Kultur- und Förderpraxis wichtige Erkenntnisse liefern. Insgesamt geht es neben der notwendigen Unterstützung auch um eine qualitative Weiterentwicklung, die über 2021 hinausweist.

 

Die NEUSTART-Mittel werden in bislang fünf zeitlich und bis März 2021 gestaffelten Ausschreibungen und mit Befassung durch ein Kuratorium vergeben. Sie zielen auf zentrale Herausforderungen: stabile Netzwerke, Kinder und Jugendliche als Ko-Produzentinnen, Diversität und Digitalität. Wichtig dabei: Welche Modelle tragen zur Verbesserung einer „Kultur für alle“ bei und wie sieht diese zukünftig aus? Seit Mitte Oktober 2020 können die ersten 224 geförderten Projekte mit einem Fördervolumen von rund 4,3 Millionen Euro mit der Umsetzung beginnen. Dabei ist das Gesamtvolumen allein dieser Projekte derzeit mit rund 7,6 Millionen weitaus höher, Drittmittel und Eigenanteile (43 Prozent) verstärken dank des Einsatzes der Antragstellenden in erheblichem Maß die Wirkung der NEUSTART-Mittel.

 

Bereits Anfang April 2020 hatte der Fonds Soziokultur aus seinem Basishaushalt ein eigenes Nothilfeprogramm im Schnellverfahren umgesetzt. Mit dem Programm „Inter-Aktion“ im Umfang von zunächst 250.000 Euro, aufgrund des Rücklaufs dann 350.000 Euro sind innerhalb kürzester Zeit letztlich 75 Projekte gefördert worden. Beantragt hatten jedoch 800 freie Institutionen der Kulturarbeit. Der Bedarf war erschreckend, die Widerständigkeit in der Krise kontaktloser Soziokultur hingegen überwältigend. Gefördert wurden Formate, die über neue analoge, digitale oder hybride Wege künstlerisch mit Gesellschaft in Beziehung traten. Die ausgeschütteten Mittel von „Inter-Aktion“ muten aus heutiger Sicht wie ein gut gemeinter Tropfen auf einen gebirgsähnlichen heißen Stein an. Diese Erfahrung jedoch bildet jetzt das fachliche Rückgrat für das Sonderprogramm NEUSTART KULTUR.

 

Das herausragende kulturpolitische Potenzial der soziokulturellen Projekte besteht einerseits in der außerordentlichen Nähe zu Fragen aus der Gesellschaft und andererseits darin, mit unterschiedlichen Ressorts und künstlerischen Sparten zu agieren. Die zahlreichen Kulturinitiativen verlagern Aktivitäten auf öffentliche Plätze, gehen mobil in die Peripherie, um Kultur gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu gestalten.

 

Die Akteure kümmern sich nicht nur um den Neustart, sondern auch um das mutige Ausleuchten von Demokratie, Teilhabe, Nachhaltigkeit oder Diversität mit Mitteln von Kunst und Kultur.

 

Mit Blick auf die Zukunft, wenn die Konjunkturpakete und Sonderprogramme ausgelaufen sind: Wir dürfen genau jetzt den Moment nicht verpassen, gemeinsam mit Verantwortlichen aus Politik, Förder- und Kulturszene neue Realitäten, mutige Visionen und vor allem deren organisatorische wie finanzielle Umsetzung anzugehen.

 

Mechthild Eickhoff ist Geschäftsführerin des Fonds Soziokultur

 

 

Musikfonds

 

Als Antwort auf die bedrohliche Situation der freischaffenden Künstlerinnen und Künstler der aktuellen Musikszene hat die Bundesregierung auch den Musikfonds mit erheblich mehr Mitteln ausgestattet. Zu den in normalen Zeiten jährlich zur Verfügung stehenden 2 Millionen Euro kamen im Juli 2020 Sondermittel in der Höhe von 10 Millionen Euro hinzu. Diese Sondermittel gibt der Musikfonds zum überwiegenden Teil in Form von Stipendien aus – für uns eine neue Form der Förderung des freien künstlerischen Schaffens. Ziel des Stipendienprogramms ist es, Musikschaffenden der freien Szene schnell und unbürokratisch unter die Arme zu greifen. Wir wollen ihnen eine Perspektive geben, damit sie ihre künstlerische Tätigkeit nicht aufgeben. Die Stipendien schaffen in der Krise einen Freiraum, sie ermöglichen eine neue Ausrichtung und Verortung musikalischer Konzepte und Werke.

 

Bis Mitte August 2020 wurden fast 3.000 Anträge auf Stipendien eingereicht – etwas weniger als die Hälfte der Anträge konnten bewilligt werden. Rund 8,3 Millionen Euro sind demnach bereits mit den knapp 1.400 bewilligten Stipendien vergeben. Jedes Stipendium ist mit 6.000 Euro dotiert und wird für sechs Monate gewährt. Die ersten Stipendiatinnen und Stipendiaten treten ihr Stipendium im November 2020 an, die letzten im Januar 2021. Zurzeit stimmen wir letzte Details bezüglich der Verwendungsnachweisführung ab. Sobald diese Fragen geklärt sind, werden die Stipendienverträge geschlossen, die Auszahlung erfolgt in monatlichen Raten.

 

Das Stipendienprogramm erreichte im Vergleich zur regulären Projektförderung des Musikfonds eine ungewöhnlich hohe Förderquote – denn da mehr Mittel zur Verfügung standen, konnten auch mehr Anträge bewilligt werden. Entsprechend haben uns zahlreiche Dankesschreiben von geförderten Musikerinnen, Komponisten, Klangkünstlerinnen und Musikperformern der experimentellen Musikszene erreicht. Viele haben uns mitgeteilt, dass das Stipendium existenziell wichtig ist, um sich in den kommenden Monaten finanziell über Wasser zu halten.

 

Trotzdem: Es konnte nicht einmal die Hälfte der Anträge bewilligt werden. Klar ist, dass dieses erste Stipendienprogramm des Musikfonds nicht ausreichen wird, um die Vielfalt der im Fokus stehenden Musikszene langfristig, über die sich leider in die Länge ziehende Krise hinaus, zu erhalten. Außerdem halten wir es für dringend notwendig, dass auch die traditionellen, nicht als experimentell geltenden Musikgenres, die laut Fördergrundsätzen nicht vom Musikfonds berücksichtigt werden können, mit ähnlichen Hilfsprogrammen gestützt werden. Uns haben viele Beschwerden aus dem klassischen Musikbereich oder dem Bereich der alten Musik erreicht – obwohl sich die eigens für das Stipendienprogramm neu berufene, 15-köpfige Jury durchaus auf eine großzügige Auslegung geeinigt hatte und auch Stipendiatinnen und Stipendiaten zur Förderung ausgewählt hat, die musikalisch nicht per se zur Zielgruppe des Musikfonds zählen und im Rahmen der Projektförderung wenig Chancen auf Förderung hätten.

 

Mit den verbleibenden ca. 1,3 Millionen Euro werden auch die aktuell laufende, dritte Förderrunde in 2020 und die erste Förderrunde in 2021 aufgestockt. Das bedeutet eine Verdopplung der regulär zur Verfügung stehenden Mittel: anstatt rund einer halben Million Euro stehen jetzt für diese beiden Förderrunden jeweils ca. 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Zur Antragsfrist am 30.09.2020 erreichten uns ca. 350 Anträge, mit einem Gesamtantragsvolumen von über 7 Millionen Euro – damit ist der Fonds wieder schmerzhaft überzeichnet, die Förderquote wird in der dritten Förderrunde 2020 trotz der beträchtlichen Aufstockung der Mittel wieder deutlich unter 20 Prozent liegen.

 

Gregor Hotz ist Geschäftsführer des Musikfonds

 

 

Stiftung Kunstfonds

 

efühlt eine Ewigkeit, doch nur ein gutes halbes Jahr ist es her, seitdem der Kunstbetrieb abrupt zum Stillstand kam. Ausstellungen wurden abgesagt, Eröffnungen verschoben, Galerien geschlossen. Projektaufträge blieben aus, die Umsätze brachen massiv ein, Investitionen verpufften mit der Folge verheerender Einkommensverluste, die binnen wenigen Wochen existenzbedrohend wurden.

 

Dank der von Deutschem Bundestag und Der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit NEUSTART KULTUR für die Belange des Kunstbetriebs bereitgestellten Fördermittel konnte die Stiftung Kunstfonds binnen kürzester Zeit folgende Förderprogramme im Gesamtumfang von 26 Millionen Euro konzipieren, ausschreiben und qualitätsorientierte Juryverfahren installieren:

 

• Stipendium für bildende Künst-ler*innen mit Kindern unter 7 Jahren: Die Ausschreibung richtete sich an in Deutschland lebende, freiberufliche bildende Künstlerinnen und Künstler, die Kinder unter 7 Jahren betreuen.
Sie trifft die Coronakrise besonders hart, weil sie nicht nur Einkommensverluste kompensieren, sondern gleichzeitig auch die Betreuung ihrer Kinder im Vorschulalter leisten müssen.

Ein künstlerisches Arbeiten unter diesen Bedingungen ist nur schwer möglich. Aus den 824 gültigen Bewerbungen hat die 16-köpfige Jury 94 Stipendiatinnen und Stipendiaten ausgewählt. Die ersten Raten des jeweils mit 12.000 Euro dotierten halbjährlichen Stipendiums wurden bereits im September ausgezahlt.

 

• Stipendium für bildende Künstler* innen: Das Stipendium will die prekäre Lage qualifizierter in Deutschland lebender bildender Künstlerinnen und Künstler mildern, damit sie künstlerische Ideen und Initiativen zum Durchstarten in der Krise entwickeln können. 4.776 Künstlerinnen und Künstler haben sich um dieses Stipendium beworben. Die Jury hat in mehrwöchiger intensiver und gründlicher Prüfung kürzlich 581 für ein halbjährliches Stipendium von je 9.000 Euro ausgewählt.

 

• Projektförderung für kunstvermittelnde Akteure: Ziel dieses Programms ist es, die Vermittlung und den Konsum von bildender Kunst nachhaltig mit innovativen und unkonventionellen Ideen anzuregen und an der Kunst teilhaben zu lassen.

1.203 Produzentengalerien, Kunstvereine, Projekträume und soloselbständige Kunstvermittler haben sich um einen Projektzuschuss von bis zu 50.000 Euro beworben. Die Jury prüft derzeit alle Anträge und entscheidet voraussichtlich Mitte November über die Förderungen.

 

• Förderung von Galerien: Noch bis zum 31. Oktober können sich kommerzielle Galerien und Produzentengalerien für eine Förderung bis zu 35.000 Euro für Ausstellungsprojekte von Januar bis Mai 2021 bewerben. Das Programm ist mit 16 Millionen Euro ausgestattet.

 

Der Löwenanteil der ersten drei Programmteile, für die insgesamt 10 Millionen Euro bereitstehen, geht mit 6.357.000 Euro als Stipendien an bildende Künstlerinnen und Künstler. Trotzdem liegt die Förderquote nur bei 11,9 Prozent.

 

Viele spannende und hochqualifizierte Ideen bleiben unrealisiert, weil die Sorge um den Lebensunterhalt die Kreativität erstickt. Entsprechend verzweifelt sind auch die Kommentare der Künstlerinnen und Künstler, die einmal mehr belegen, wie prekär deren Lage ist. Ein Nachschlag wäre dringend geboten!

 

Karin Lingl ist Geschäftsführerin der Stiftung Kunstfonds

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