Kristian Jarmuschek und Birgit Maria Sturm - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Lights on – Unlock!


Deutsche Galerien und Kunsthändler

Galerien trotzen der kulturellen Verödung in der Pandemie mithilfe digitaler Formate zur Präsentation ihres Programms. Und das Licht bleibt an! Mit oft großen Fensterfronten ermöglichen sie dem Kunstfreund im kalten Lockdown wenigstens von der Straße aus einen Blick in ihre Ausstellungen.

 

Doch die Galerienszene ist insgesamt beschädigt. Im Kunstmarkt sind primär die Auktionshäuser ohne Blessuren durch die Krise gekommen, denn sie handeln mit etablierter Kunst und sind im Online-Handel schon lange erfahren.

 

Relevanz und Wert eines Kunstwerkes von Beuys stehen außer Frage. Bei jungen, unbekannten Künstlern muss dieser Prozess durch Galerien erst in Gang gebracht werden – und das ist rein digital kaum möglich.

Alle Events, die für Publizität und zur Verkaufsanbahnung notwendig sind – Kunstmessen, Biennalen, Vernissagen, Atelierbesuche, Meetings mit Sammlern und andere kommunikative Akte – wurden abgesagt, verschoben, auf fast null reduziert. Den Galeristen ist die Berufsausübung quasi unmöglich geworden, auch wenn sie im letzten Jahr ein paar Monate öffnen durften. Hier werden die Defizite der November- und Dezemberhilfen offenbar. Denn der Kreis der „indirekt“ vom Lockdown betroffenen Unternehmen wurde so eng definiert, dass in Existenznot geratene Galerien durch das Netz dieser Wirtschaftshilfe fallen.

 

Das Galerienförderprogramm aus dem Projekt NEUSTART KULTUR der Kulturstaatsministerin ist im zweiten Jahr der Pandemie eine große Hilfe – und erstklassig organisiert von der Stiftung Kunstfonds. Für rund 400 Galerien ist die Finanzierung mindestens einer Ausstellung gesichert – das Programm kommt also auch den Künstlern zugute.

 

Das NEUSTART-Investitionsprogramm kam für Galerien ebenfalls in Betracht. Es bot die Finanzierung von Hard- und Software für digitale Kunstvermittlung, die jetzt so notwendig geworden ist. Jedoch wurden Galerien zuhauf abgelehnt, weil sie nicht als GmbH oder GbR firmieren. Das Förderkonzept ließ außer Acht, dass im Kunstmarkt überwiegend Einzelkaufleute tätig sind: über 75 Prozent. Ein hilfreiches Programm wurde durch eine sinnlose Formalie konterkariert. Hier ist dringend Nachbesserung nötig, denn der Ausschluss von Galerien ohne Rechtsform ist schlicht diskriminierend.

 

Unsere Galerienstudie hatte bereits für 2020 einen durchschnittlichen Umsatzrückgang von 30 Prozent ermittelt. Prognose für das zweite Pandemiejahr: 40 Prozent. Betroffen ist auch das Personal, das sich fast durchweg in Kurzarbeit befindet. Galerien werden nun Überbrückungshilfe III beantragen, die bei Umsatzverlusten greift. Doch der Zuschuss zu den Fixkosten ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es bedarf also zusätzlich eines veritablen Investitionsprogramms. Ansonsten: Lockdown geht, Knockdown kommt, Dauerdown bleibt.

 

Der deutsche Kunstmarkt wurde in den letzten Jahren mit rigorosen Gesetzen, bürokratischem Ballast und Abgabepflichten überschwemmt. Österreich zeigt, wie das nötige Empowerment durch Politik geht. Dort wurde die Mehrwertsteuer für gewerbliche Kunstverkäufe auf sagenhafte fünf Prozent gesenkt. Galerien hierzulande sind mit 19 Prozent Besteuerung jetzt einem noch krasseren Wettbewerb in der EU ausgesetzt. Die Chance, dieses Thema in der Ratspräsidentschaft auf die Agenda zu setzen, wurde von Deutschland verspielt.

 

Unser Mantra – weil es für Galerien am wichtigsten ist – bleibt: Die Wiedereinführung der ermäßigten Umsatzsteuer. Darüber hinaus sind bessere Infrastrukturen für die Revitalisierung des gesamten Kulturmarktes im Rahmen eines Masterplanes nötig. Etwa durch die Erhöhung des Bundeszuschusses zur Künstlersozialkasse bei gleichzeitiger Deckelung der Verwerterabgabe auf maximal drei Prozent.

 

In diesen Masterplan sollten Anreize für den „Kulturkonsum“ einfließen, damit die Kulturwirtschaft wieder auf die Beine kommt. Der Kauf von Kunstwerken und Büchern, Tickets für Konzerte, Museen, Kinos und Theater, für Gestreamtes und live Erlebtes: All dies sollte steuerlich absetzbar sein – wie Werbungskosten oder Handwerkerrechnungen. Kultur wird nämlich von ALLEN, Jung und Alt, Arm und Reich, konsumiert. Wo aber Konsum ist, da wächst die Produktion auch. Und diese Produktion – KULTUR – wollen wir endlich wieder sehen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/themen/corona-vs-kultur/lights-on-unlock/