Susanne Keuchel - 26. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Krisengebeutelte Kulturelle Bildung nachhaltig stützen


Viele Organisationen sind existenziell bedroht

Eine bittere Erkenntnis der Krise ist: Die Belange der Kinder und Jugendlichen haben in unserer Gesellschaft oft keine Stimme. Eine weitere: Dies gilt offenbar in Krisenzeiten auch für Kulturelle Bildung und das entgegen dem Trend der letzten Jahre, wo sich unterschiedliche Ressorts auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene vielfach engagiert haben für den Ausbau des Ganztags, Bildungsgerechtigkeit, Diversität, Demokratie und vieles mehr. Allerdings wurde dies in Form zeitlich befristeter Förderprogramme umgesetzt – der immense Zuwachs an Projekten und Aufgaben wurde nicht flankiert durch einen entsprechenden infrastrukturellen Ausbau.

 

Bedrohung an verschiedenen Fronten

 

Daher sind aktuell viele Organisationen existenziell bedroht, da sie durch das Raster der Rettungsschirme fallen, aufgrund ihrer Mischfinanzierung aus infrastrukturellen, projektspezifischen Fördermitteln und der Erwirtschaftung von Eigenmitteln.

 

Die Kooperationen mit Schulen sind vielfach eingefroren, was paradox ist, verfügen doch kulturelle Bildungseinrichtungen über Räume und Personal, die in der Krise hätten genutzt werden können, um analoges Lernen in kleinen Schülergruppen unter Hygieneschutzkonzepten zu ermöglichen. So hatten es auch die Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung (bkj), die Theater, Museen und Bibliotheken der Politik vor den Schulschließungen im November letzten Jahres angeboten.

 

Die projektspezifische Expansion hatte zudem viele zeitlich befristete und freie Arbeitsverhältnisse zur Folge, die nun ebenfalls durch Rettungsraster fallen, beispielsweise nicht über Kurzarbeit abgesichert werden können. Der fehlende Beschäftigungsmarkt führt aktuell zu einer Umorientierung vieler Freischaffender. Damit besteht die Gefahr, eine Vielzahl an qualifizierten Kräften zu verlieren.

 

Auch die fördertechnische Verankerung in verschiedenen Ressorts gereicht der Kulturellen Bildung aktuell eher zum Nachteil, da beobachtet werden kann, dass sich Ressorts bei der Vielzahl an Notleidenden zunächst nicht um Querschnittsbereiche, sondern vor allem um ihre „ureigenen“ Strukturen kümmern.

 

Forderungen an Politik

 

Zu wünschen ist also keine Rückkehr zum Prä-Corona-Zustand, sondern aus der Krise zu lernen und Kulturelle Bildung krisenfest aufzustellen.

 

Der Dschungel projektspezifischen Auswuchses ist in eine flächendeckende, nachhaltige kulturelle Bildungslandschaft zu überführen. Dies bedingt einen politischen Paradigmenwechsel in der Förderung: Statt Eltern über Gebühren an der Mitfinanzierung des Musikinstrumentenunterrichts, des Kindertheaterbesuchs etc. zu beteiligen, sollte ein gemeinwohlorientierter Ansatz im Sinne der kulturellen Daseinsvorsorge verfolgt werden, der Kooperationen der Kulturellen Bildung mit Kitas, Schulen, Vereinen etc. dauerhaft fördert und infrastrukturell angemessen ausstattet. Dies kann nur in ressortübergreifenden Allianzen gelingen.

 

Dieser Ausbau zu nachhaltigen Strukturen sollte dem digitalen Wandel Rechnung tragen: Auch kulturelle Bildungseinrichtungen und Vereine benötigen in Analogie zum Digitalpakt Schule eine Digitalallianz Bildung, die neben Technik und Administration, Fortbildungen und Freiraum zur Entwicklung neuer Formate fördert. Ziel sollte eine zeitgemäße Kulturelle Bildung sein, die alle Kinder und Jugendlichen erreicht: Denn es gilt einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit zu leisten, angesichts der enormen Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Familien in der aktuellen Krise.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.


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