Krise als Chance?

Die Coronakrise ist keine Chance, sie ist eine Bewährungsprobe

Projekt- und Dauerförderung

 

Schon seit Längerem in der Kritik sind Projektförderungen. „Projektitis“ ist das Schlagwort, das sich hierfür eingebürgert hat und oft eher abfällig genutzt wird. Wir warnen allerdings davor, hier das Kind mit dem Bade auszuschütten. Bis Mitte der 1990er Jahre wurde vielfach gefordert, stärker Projekte zu fördern und weniger die Institutionen in den Mittelpunkt zu stellen. Und in der Tat hat sich seither die Förderlandschaft deutlich verändert. Mitunter ist das Pendel zu stark in die andere Richtung ausgeschlagen. Wenn allerdings Bundesministerien umsteuern, wie jüngst das Amt der Kulturstaatsministerin (BKM), das die Projektförderung im Bereich der kulturellen Bildung zurückgefahren hat und stärker auf die Verankerung von Kulturvermittlung in den eigenen geförderten Einrichtungen setzt, führt dies auch zu Unmut. Es wäre daher wichtig, eine Debatte darüber zu führen, wie sich Projektförderung und institutionelle Förderung zueinander verhalten sollten und vor allem für welche Institutionen und welches Vorhaben, welche Förderinstrumente geeignet sind.

 

Kultur als Pflichtaufgabe

 

In diesen Themenkomplex gehört auch die Verankerung von Kultur als Pflichtaufgabe in den Kommunen. Eine Fragestellung, die ebenfalls nicht neu ist und beispielsweise im Vorfeld der Kulturhauptstadt RUHR.2010 rauf und runter debattiert wurde. Zunächst einmal die Binse: Kultur findet vor Ort statt. Die meisten Kulturangebote, seien es öffentliche, private oder ehrenamtliche, richten sich an die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Entsprechend sind es vor allem die Kommunen, die Kunst und Kultur finanzieren. Direkte Gemeindesteuern sind die Gewerbesteuer und die Grundsteuer, ansonsten erhalten die Kommunen Zuweisungen der Länder. Viele kommunale Haushalte sind ausgehöhlt. Viele Kommunen befinden sich in der Haushaltssicherung, was heißt, dass ihre Haushalte von der nächsthöheren Ebene erst noch genehmigt werden müssen. Das kann dazu führen, dass Ausgaben, die nicht zu den Pflichtaufgaben gehören, nicht genehmigt werden, was sich in den Kulturausgaben niederschlagen kann. Die Verankerung von Kultur als Pflichtaufgabe für die Kommunen würde zwar mehr Haushaltssicherheit für Kunst und Kultur bedeuten, könnte aber auch Handlungsspielräume einschränken.

 

Rolle der privaten Förderung

 

Eine große Enttäuschung – gerade jetzt während der Corona-Pandemie – ist die private Kulturförderung, insbesondere der Stiftungen. Der Deutsche Kulturrat und viele andere Verbände haben sich insbesondere in den 2000er Jahren intensiv für Verbesserungen im Stiftungsrecht und im Stiftungssteuerrecht eingesetzt. Es bestand die Hoffnung, in Stiftungen zuverlässige Partner zu finden, die unbürokratisch und flexibel Kunst und Kultur unterstützen. Nun sind einige Stiftungen aufgrund der inzwischen seit vielen Jahren bestehenden niedrigen Zinsen in der Situation, dass ihre Erträge immer geringer werden und sie kaum Förderungen ausreichen können. Es gibt allerdings auch Stiftungen, bei denen dies nicht der Fall ist, die sich allzu oft eben nicht langfristig engagieren, sondern Themen für einige Jahre setzen, sich in dem Zeitraum auch stark engagieren und als Platzhirsch auftreten, sich nach gewisser Zeit aber anderen Fragestellungen zuwenden. Ein solches Engagement lässt leider sehr oft Förderruinen und Enttäuschungen zurück – siehe Editorial in dieser Ausgabe.

 

Bundestagswahl

 

Im kommenden Jahr ist Bundestagswahl und in fünf Bundesländern wird gewählt. Eine gute Gelegenheit für die Parteien im Bund und in den Ländern, um zu zeigen, welche kulturpolitischen Akzente sie setzen, welche Verbesserungen der Rahmenbedingungen sie auf den Weg bringen und welche Akzente in der Kulturpolitik sie setzen wollen. Dabei muss auch debattiert werden, wofür der Bund zuständig ist und wofür Länder und Kommunen. Das bedeutet nicht, eine neue Föderalismusdebatte loszutreten, sondern pragmatisch zu überlegen, wer an welcher Stellschraube am meisten bewegen kann.

 

Die Coronakrise ist keine Chance, sondern sie ist eine Bewährungsprobe. Wir können jetzt viel richtig machen, aber auch viel Schaden anrichten. Wir haben es selbst in der Hand.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2020.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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