27. März 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Jetzt mehr Kultur in Radio, TV und Co


Der öffentlich-rechtliche Rundfunk strukturiert das Programm um

Für die Ausgabe 4/2020 von Politik & Kultur wurden alle Intendantinnen und Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angefragt. Alle abgedruckten sind der Anfrage nachgekommen und haben einen Beitrag verfasst.

 

BR

 

Es muss damals das gewesen sein, was man heute oft einen „Gänsehautmoment“ nennt: Als im Jahr 1517 zum wiederholten Male die Pest in der Stadt München wütete, beschlossen die Fassmacher, die „Schäffler“, die Münchner Bevölkerung mit einem Tanz zu erheitern – so die Legende. Die Menschen sahen die Tanzenden und fassten selbst Mut, wieder auf die Straße zu gehen. So entstand aus einem kulturellen Akt heraus, dem Tanz, nach langem Schrecken wieder öffentliches Leben. Und eine Tradition war geboren, der „Schäfflertanz“.

 

Die Frage, die mich umtreibt: Wann wird es wieder so sein, dass sich die Menschen nach Corona wieder auf die Straßen trauen und dem Beispiel der Schäffler von damals folgen? Ich hoffe sehr, dass diesem befreienden „Ausbruch“ aus der Quarantäne – wann auch immer er sein wird – dann ein „Aufbruch“ für den Kulturbetrieb in Deutschland und in Bayern folgt.

 

Doch vor dem Wunsch steht die Wirklichkeit für die Kulturschaffenden und -institutionen, zu denen ich ausdrücklich auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zählen möchte – mit seinen Klangkörpern, seiner Vielzahl an Produktionen, insbesondere in den Bereichen Fiktion, Dokumentarfilm, Literatur, Hörspiel und Medienkunst, mit seinen Kulturangeboten für Kinder sowie mit Kulturpartnerschaften in Stadt und Land. Auch den Bayerischen Rundfunk hat die Corona-Krise bereits schmerzlich getroffen: So mussten wir nach Auftreten erster Krankheitsfälle im Sender gleichsam über Nacht unsere Kulturwelle Bayern 2 mit unserer Infowelle B5 aktuell zusammenlegen, um den Sendebetrieb aufrechterhalten zu können. Und die Produktion unseres wöchentlichen Kulturmagazins „Capriccio“ im BR Fernsehen mussten wir vorübergehend einstellen.

 

Umgekehrt gesehen: Wir haben es geschafft, trotz aller von Corona verursachten Hürden, das Programm in weiten Teilen aufrechtzuerhalten, Highlights dieser Schätze aus Audio, Video und Online hat der BR für sein Publikum in der BR Mediathek und auf einer Sonderseite „Kultur & Corona“ zusammengestellt. Gleichzeitig schaffen wir auch Neues: Aktuell sind wir im Austausch mit uns besonders verbundenen Künstlerinnen und Künstlern, Verlagen und Institutionen in Bayern, die vorerst nicht mehr auftreten können, um ihnen im BR eine prominente, oft virtuelle Ersatzbühne zu bieten, vom täglichen „Corona-Tagebuch“ über Konzert-Streams bis hin zur Lesung von der Couch und Aufzeichnungen unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. BR KLASSIK hat bereits herausragende Künstler gewonnen – darunter Weltstars wie Jonas Kaufmann oder Lang Lang unter dem Label #MusikBleibt. Ein positives Zeichen für gemeinsames Handeln trotz Distanz: Die Kultur- und Musikwelt lebt auch in der Isolation.
In dieser beispiellosen Situation, in der das Coronavirus das öffentliche Leben lahmlegt, wollen wir als öffentlich-rechtliche Programmmacher dazu beitragen, weiterhin so viel Kultur wie möglich für alle nach Hause zu bringen, das Kulturleben aufrecht zu erhalten und zu stärken. Sobald die Krise vorbei ist, möge es so sein, wie legendenhaft damals bei den Schäfflern im München des Jahres 1517 mit ihrem Tanz: Dass die Kunst und die Kultur die Menschen wieder in das öffentliche Leben zurückführen.

 

Reinhard Scolik, Fernsehdirektor des BR und ARD-Koordinator für Wissen, Kultur, Musik und Religion

 

Deutschlandradio

 

Wer hätte es noch vor wenigen Wochen gedacht, dass das reiche kulturelle Leben in Deutschland – wenn es auch vielleicht nicht ganz zum Erliegen kommt – aber doch für eine Zeit den Atem anhält? Dass es für Künstlerinnen und Künstler Realität wird, vor leeren Rängen aufzutreten, wenn die Veranstaltung überhaupt noch stattfinden kann? Mehr denn je sind in dieser Zeit die Medien gefordert, nicht nur relevante und verifizierte Informationen, sondern auch Kultur zu den Menschen zu bringen. Als Unterhaltung, als Zerstreuung, als Anregung, vielleicht auch als Trost. Gerade der Hörfunk in seiner klassischen Form und Qualität, aber inzwischen auch mit den neuen Möglichkeiten, die das Internet bietet, kann nun zeigen, dass er ein Medium ist, das Menschen eng verbindet.

 

Deutschlandradio als nationaler Hörfunksender mit seinen Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova hat selbst frühzeitig bis Mitte Mai alle eigenen Veranstaltungen abgesagt oder ohne Publikum stattfinden lassen. Eine schmerzliche Entscheidung, die wir uns nicht leicht gemacht haben.

 

Nachdem Deutschlandfunk Kultur bereits den Preis der Leipziger Buchmesse und den dreistündigen „Bücherfrühling“ von der Messe ins Radio geholt hat, werden auch weiterhin im laufenden Programm trotz geschlossener Veranstaltungsstätten viele aktuelle Kulturereignisse zu hören sein. Die Klangkörper der Rundfunk Orchester und Chöre GmbH, bei denen Deutschlandradio Hauptgesellschafter ist, dürfen bis voraussichtlich 19. April keine öffentlichen Auftritte absolvieren. Aufzeichnungen hochkarätiger Musikereignisse vom Deutschen Symphonie-Orchester Berlin (DSO), dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB), dem Rundfunkchor Berlin und vom RIAS Kammerchor Berlin bleiben dafür weiterhin fester Bestandteil in den Programmen von Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk. Klassiker wie das „Raderbergkonzert“ im Deutschlandfunk und das „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“, die normalerweise vor Publikum im Kammermusiksaal im Kölner Funkhaus bzw. in der Philharmonie in Berlin aufgezeichnet werden, realisieren wir fürs Erste als Studioaufzeichnungen. Zusätzlich zu diesen Konzerten wird in zahlreichen Sendungen verstärkt beleuchtet, welche Konsequenzen die Ausbreitung des Coronavirus für die Kulturlandschaft hat, aktuell und perspektivisch. Die Musikabteilung von Deutschlandfunk Kultur etwa plant für Anfang April eine ganze Woche lang kleine Ensembles einzuladen, um unkonventionelles Repertoire, mutige Zusammenstellungen und aufschlussreiche Musiker-Konstellationen aufzuzeichnen.

 

Anspruchsvolle Hörspiele und aufwendige Features sind seit Gründung der Programme von Deutschlandradio wichtiger und wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Angebots. Daran halten wir auch in diesen krisenhaften Zeiten fest, mehr noch: Wir bauen es aus. Das Hörspiel- und Featureportal von Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur bietet mit „ZuhauseBleiben: Zeit für Hörspiel und Feature“ zusätzliche Dokus, Krimis, Literatur und Klangkunst zum Hören und zum Download. Auch die Kindersendung „Kakadu“ von Deutschlandfunk Kultur öffnet die Schatzkiste. Täglich gibt es online ein Hörspiel sowie die regelmäßigen Podcasts für junge Hörerinnen und Hörer, in denen erforscht und erklärt wird. Am 18. April startet das große Thomas-Pynchon-Hörspielprojekt, eine Koproduktion mit dem SWR: Erstmals wird die Hörspielfassung des Romans „Die Enden der Parabel“ im Radio zu hören sein. Im Deutschlandfunk beginnt die 14-stündige Produktion mit einer langen Hörspielnacht.

 

Jenseits davon greifen wir mit einem Sonderprogramm die aktuellen Entwicklungen auf. Wir müssen und wollen vor dem Hintergrund der Pandemie flexibel sein, aber unser kultureller Anspruch bleibt gleich: hoch und verlässlich, auch in Krisenzeiten.

 

Stefan Raue, Intendant des Deutschlandradios

 

hr

 

Gerade in diesen unsicheren Zeiten haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen besonderen Informations- und Integrationsauftrag. Und gerade in solchen Zeiten erfreuen wir uns, wenn wir unsere Arbeit konsequent machen, besonderer Wertschätzung. In hohem Maße zählt dazu das Kulturangebot des Hessischen Rundfunks. Kultur schafft Identität und Gemeinschaft. Sie vermittelt in Krisen Vertrautes und gibt Menschen ein Gefühl von Heimat und Sicherheit.

 

Kultur spielt im Hessischen Rundfunk eine tragende Rolle, natürlich nicht erst seit Corona. Wir richten zurzeit den hr strategisch neu aus, um dem digitalen Wandel und der veränderten Art und Weise Rechnung zu tragen, wie Menschen Medien nutzen. Ziel unserer Kulturberichterstattung und der Kulturformate ist es, auch künftig mit Qualitätsinhalten medienübergreifend möglichst viele Hessinnen und Hessen zu erreichen. Damit einhergeht ein erweiterter Kulturbegriff. Viele Menschen suchen und nutzen Kultur, verstehen den Begriff aber heute umfassender – und unterschiedlicher denn je. So haben sich in den vergangenen Jahren viele kulturelle Erlebniswelten ausdifferenziert. Auch dem begegnen wir in unserer Neuausrichtung. Und in der aktuellen Lage.

 

Schon sehr früh, als die Corona-Krise Deutschland erreichte und die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde, haben hr2-kultur und andere ARD-Kultursender linear und digital ein virtuelles Angebot auf die Beine gestellt, um Besucherinnen und Besuchern, Verlagen und Autoren eine Alternative zu bieten. hr2-kultur begleitet auch Veranstaltungen in Hessen, die dem Virus zum Opfer gefallen sind, wie „LiteraTurm“ und „Frankfurt liest ein Buch“. hessenschau.de bietet z. B. eine Übersicht über die vielen hessischen Museen, die virtuell zu besuchen sind.

 

Im hr wurden strukturelle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Produktion von Kultursendungen in dieser Krisenzeit so weit wie möglich aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus organisiert hr2-kultur Video-lesungen von Kulturprominenten, die aus ihren aktuellen Büchern lesen. Sie sind als virtuelle Literaturplattform unter hessenschau.de zugänglich und im Radio. Für April sind weitere Projekte geplant. Sie ergänzen das ohnehin breite Angebot an Podcasts und Lesungen, die in der ARD-Audiothek zu finden sind.

 

Kontinuierlich erweitert wird derzeit das Bildungsangebot „Wissen plus“. hr.de stellt hier ein breites Spektrum an Inhalten für Kinder und Erwachsene zur Verfügung, das digitales Lernen ermöglicht und Neugier und Interesse an Wissensthemen befriedigt. Materialien zum Selbstlernen sind hier ebenso zu finden wie Kinderhörspiele, Sendungen zu Biologie, Geschichte oder Wirtschaft, Funkkolleg-Reihen oder auch der Zugang zum Hessischen Bildungsserver und dem multimedialen Bildungskanal „ARD alpha“.

 

Wir bieten in der ARD-Audiothek und -Mediathek von klassischen Kultursendungen wie „hauptsache kultur“ bis hin zu Dokumentationen und Reportagen, Features und Hörspielen ein unterhaltendes qualitätsvolles Angebot. Auch wenn Live-Konzerte derzeit nicht möglich sind, so sind doch Konzertmitschnitte von hr-Bigband und hr-Sinfonieorchester online und auf ihren YouTube-Kanälen barrierefrei zugänglich. Gemeinschaftsstiftend sind auch Sendungen wie „hessen@home“, in der Moderator Tobi Kämmerer Hessinnen und Hessen in seinem Wohnzimmer per Videotelefonie zusammenschaltet.

 

All diese On-Demand-Angebote werden gerade in dieser Zeit, in der viele im Homeoffice oder unfreiwillig zu Hause sind und Zerstreuung suchen, von immer mehr Menschen für sich entdeckt und genutzt. Hier zeigt sich das große Vertrauen, das die Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben. Und es erweist sich nachdrücklich, wie wichtig Kultur und unsere kulturellen Angebote für Gesellschaft und Demokratie sind.

 

Manfred Krupp, Intendant des hr

 

MDR

 

„Miteinander leben“ – so lautet der publizistische Leitgedanke des Mitteldeutschen Rundfunks für 2020. Unser Ziel zu Beginn des Jahres: den Zusammenhalt der Gesellschaft zu befördern, Gespräche anzustoßen, gerade da, wo Gräben immer tiefer zu werden scheinen. Nun kam mit der Corona-Krise eine ungeahnte Herausforderung für all das, was uns als Gesellschaft ausmacht. Gemeinwohl und Gemeinsinn werden auf den Prüfstand gestellt und sind zugleich entscheidend für die Bewältigung der Krise. Medien als Faktor freier und individueller Meinungsbildung und als kulturelles Bindeglied tragen in dieser historischen Zeit eine ganz besondere Verantwortung. Dieser stellt sich der MDR und geht auf die Bedürfnisse der Menschen in dieser außergewöhnlichen Situation ein. So erfüllt er zunächst das Grundbedürfnis nach vertrauenswürdigen Informationen mit einem umfassenden Angebot in Radio, Fernsehen und Netz. Mit aktuellen und verlässlichen Nachrichten, mit Hintergründen und Servicesendungen ist der MDR mehr denn je ein fester Anker für die Menschen unserer Gesellschaft.

 

Zugleich haben die Menschen angesichts eingeschränkter Begegnungsmöglichkeiten ein starkes Bedürfnis nach Gemeinschaft. Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk wollen wir auf die besondere Situation mit kulturellen Ereignissen und Begegnungen virtueller Art antworten, auch unter Einbeziehung der regionalen Kreativwirtschaft. Wir wollen Kunst und Kultur ein Zuhause zu geben – wenn Museen, Konzertsäle, Clubs, Theater geschlossen bleiben. Aus „miteinander leben“ wurde daher im MDR „miteinander stark“: Abstand halten und gerade jetzt Zusammenhalt sichern.

 

Beispiel Leipziger Buchmesse: Nach der Corona-bedingten Absage hat der MDR das Bühnenprogramm federführend für die ARD ins Netz und Radio verlegt – mehr als 13 Stunden Literatur per Video-Livestream im Netz sowie über die ARD-Kulturradios und deren digitale Plattformen. Unterstützt wurde die ARD-weite „virtuelle Buchmesse“ vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Leipziger Buchmesse. Alle Gespräche gibt es zum Nachschauen im Online-Spezial buchmesse.ARD.de.

 

Unter dem Titel „CORONA CREATIVE“ hat der MDR darüber hinaus zu einem Ideenwettbewerb für dokumentarische Kurzformate zur Corona-Krise aufgerufen und hierfür einen Sonder­etat zur Verfügung gestellt. Aus den einzelnen Beiträgen entsteht die „Corona Rolle“, die wir im MDR-Fernsehen zeigen und in der ARD Mediathek sowie im YouTube Kanal mdr.dok einstellen wollen.

 

Der Musiklandschaft Mitteldeutschlands geben MDR KULTUR und MDR KLASSIK eine besondere Plattform. So werden Stücke von Musikern, Bands und Ensembles prominent im Programm platziert und hervorgehoben – z. B. durch Features und Künstler-Gespräche. Aber auch Studiosessions werden aus den Archiven geholt und gespielt. Am Abend präsentieren beide Programme ausschließlich Konzerte mitteldeutscher Ensembles. Sie setzen damit ein klares Zeichen, dass die Kulturschaffenden der Region auch in der Krise nicht vergessen werden.

 

Sowieso ist Kultur jetzt eine wichtige Hilfe. Auf mdr-kultur.de, in der MDR KULTUR-App und bei MDR KULTUR auf Facebook gibt es Buch-, Film- und Serientipps, Hörspiele und Podcasts, bis hin zu Konzerten und Museumsbesuchen, die man zu Hause genießen kann.

 

MDR KULTUR hat außerdem „Lies das!“ – den neuen Podcast für Kinder- und Jugendbücher bei mdr-kultur.de und in der ARD Audiothek – ins Leben gerufen. Die Literaturredaktion bietet damit wöchentlich Unterstützung bei der Lektüre-Auswahl für junge Leser.

 

Denn Kultur muss auch in Krisenzeiten für jeden zugänglich sein. Der MDR sieht sich als verlässlicher Partner der mitteldeutschen Kulturszene – „miteinander leben“ – das gilt jetzt ganz besonders!

 

Karola Wille, Intendantin des MDR

 

NDR

 

Es ist eine außergewöhnliche Situation, in der wir uns gerade befinden. Die Welt, wie wir sie kannten, scheint still zu stehen. Probleme die unsere Gesellschaft noch vor einigen Wochen diskutiert hat, sind im Angesicht der Corona-Krise in den Hintergrund gerückt. Eine globale Gemeinschaft ordnet sich einem einzigen Thema unter; konzentriert sich auf ein einziges Problem.

 

Meiner Wahrnehmung nach kommt den öffentlich-rechtlichen Sendern in diesen Zeiten eine besondere Rolle zu. Denn in einer Krise, die jedes Individuum in seiner Freiheit beschneidet und die zwischenmenschliche Distanz zur obersten Handlungsmaxime erklärt, ist der Wunsch nach Gemeinsinn und Verbindendem groß wie nie. Und wir verbinden die Menschen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erweist sich gerade jetzt als ganz wesentlicher gesellschaftlicher Faktor, als „Vertrauensspeicher“, der Handlungsfähigkeit und Normalität suggeriert. Oder anders ausgedrückt: So lange um 20 Uhr noch die Tagesschau läuft, gibt es keinen Grund zur Panik.

 

Aber schon nach wenigen Tagen in dieser Krise war und ist deutlich zu spüren, dass es den Menschen jetzt nicht ausschließlich um die Versorgung mit Informationen, Hintergründen und Nachrichten geht. In der verordneten Isolation fehlt ja nicht nur das gesellschaftliche Miteinander, sondern auch die vielfachen Anregungen, die man aus der Teilhabe an Schule, Arbeit, Sport und einem breit gefächerten Kulturangebot zieht. Konzerte, Theater, Lesungen und Gottesdienste – all dies bricht auf einmal weg. Ein Problem nicht nur für Kulturschaffende sondern auch für Kulturliebende.

 

Um diese Lücke zu füllen, bietet der Norddeutsche Rundfunk viel Neues an. Mit der Aktion „Kultur trotz Corona“ haben unsere Kulturredaktionen in Hörfunk, Fernsehen und online eine Bühne für norddeutsche Künstler und Künstlerinnen geschaffen. Musiker, Autoren, Schauspieler oder Poetry-Slammer – alle sind eingeladen, sich selber zu filmen und so auch in Corona-Zeiten ihre Kunst zu präsentieren. Das jeweilige Video wird dann für alle Nutzer auf der Seite ndr.de/kulturtrotzcorona, sowie auf allen Social-Media-Kanälen des NDR zu sehen sein. Die NDR Radioprogramme und das NDR Fernsehen senden ausgewählte Auftritte. Auf der Plattform spielt beispielsweise Alan Gilbert, Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters auf seiner Bratsche, Nils Landgren hat ein Stück mit seiner roten Posaune exklusiv aufgenommen, die Sängerin Anna Depenbusch singt und spielt dabei auf der Ukulele. Und auch norddeutsche Theater beteiligen sich inzwischen an der Aktion.

 

Kultur frei Haus gab es in der ARD mit dem „LIEFERService“ von Schauspieler, Musiker und Regisseur Jan Josef Liefers. Als Gastgeber präsentiert er den Zuschauerinnen und Zuschauern ebenfalls von zu Hause Unplugged-Versionen und Clips, die ihm Künstlerinnen und Künstler per Video geschickt haben und interviewt die Interpreten.

 

Auch Kindern und Jugendlichen bieten wir in dieser Phase vielseitiges Programm an. Beliebte Fernsehserien für unterschiedliche Altersgruppen sollen helfen, die Zeit der Schulschließungen etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Zahlreiche Bildungsangebote sollen das Lernen zu Hause unterstützen. Und vorgelesen wird natürlich auch. Gemeinsam mit dem SWR hat der NDR mit bekannten Kinderbuchautorinnen eine ganz besondere Aktion unter dem Motto „live gelesen mit…“ gestartet. Aus ihren privaten Wohnzimmern lesen Autorinnen wie z. B. Kirsten Boie, Isabel Abedi oder Antje von Stemm eine Stunde lang aus ihren Büchern für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren vor. In einer Fragerunde im Anschluss stehen sie den Jungen und Mädchen Rede und Antwort.

 

Wer es ganz klassisch mag, kann sich schließlich auf das „Konzert des Tages“ freuen, das der NDR jeden Tag online anbietet. Das NDR Elbphilharmonie Orchester hat Höhepunkte aus seiner Auftrittsgeschichte herausgesucht, so dass man diese nun auch außerhalb seines berühmten Wohnzimmers im Hamburger Hafen hören kann.

 

Wenn die Kultur verstummt, fehlt einer Gesellschaft ein elementares Bindeglied. Wir sehen es als eine unserer Aufgaben an, in dieser Zeit fortlaufend neue Wege und Möglichkeiten zu suchen, um die Norddeutschen trotz allem mit Kulturangeboten und Kulturschaffenden zu verbinden.

 

Joachim Knuth, Intendant des NDR

 

rbb

 

Es ist keinen Monat her, da gab es auf die Frage „Was machen wir denn heute Abend?“ allein in Berlin sicher mehrere Hundert attraktive Antworten. An jedem Tag, an jedem Abend kehrten Zehntausende aus Sälen, Zimmern, Arenen, aus Orten der Kultur in ihren Alltag zurück, bereichert in vielfältiger Weise.

 

Tempi passati. Die tägliche, unmerkliche und uns so unverschämt selbstverständlich erscheinende Bereicherung unserer Gesellschaft durch Kultur, Künstlerinnen und Künstler ist zum Erliegen gekommen. Stille liegt über der Stadt, die Menschen bleiben zu Hause, notgedrungen. Sie müssen sich neu orientieren.

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk versteht sich in der gesellschaftlichen Normalität als Säule unserer Demokratie. In dem Ausnahmezustand, den wir jetzt erleben, kommt ihm eine zusätzliche Aufgabe zu: die Lücken zu schließen, die Corona im kulturellen Leben aufreißt. Das machen wir.

 

„Der rbb macht’s“ heißt unsere Ini­tiative, weil die Instanzen von Kunst und Kultur so vieles nicht mehr machen dürfen. Am Anfang der Krise gab es erste Gespräche zwischen unseren Fachleuten und den unterschiedlichen Kulturträgern: Praktisch in letzter Minute konnten wir vor leerem Saal Bizets Carmen, dirigiert von Daniel Barenboim, aus der Staatsoper Unter den Linden live streamen, wenige Tage später wäre das nicht mehr möglich gewesen. Als die auferlegte Vereinzelung begann, trafen sich – mit gebührendem Abstand – im Konzerthaus am Gendarmenmarkt Musikerinnen und Musiker von Weltrang, um ebenfalls live für ihr Publikum zu spielen: Lang Lang, Avi Avital und Daniel Hope im Videostream. Das Schlosspark Theater spielte „Schmetterlinge sind frei“, das Hans-Otto-Theater bereitet sich derzeit auf „Die Mitwisser“ vor, die Philharmoniker steuerten bereits Berio und Bartók bei.

 

Wir freuen uns, dass Lutz Seiler bei rbbKultur im Radio seinen neuen und bereits preisgekrönten Berlin- und Nachwende-Roman „Stern 111“ liest. Wir folgen dankbar mit der Kamera exklusiven Einladungen zu Führungen in die Museen der Region, vom Barberini in Potsdam, wo uns Claude Monet in einer wunderbaren Ausstellung erwartet, bis zu den klassischen Statuen im Alten Museum am Lustgarten. In leeren Clubs, in denen sonst die Jugend der Welt ins Schwitzen (und Schlimmeres) kommt, werfen DJs die Licht- und Soundanlagen an, um ihre Sets bei Radioeins zu streamen. Und weil die Fitnesscenter schließen mussten, gibt es zu alledem noch zweimal am Tag Sport mit Übungsleitern aus hiesigen Vereinen, dazu Märchen für die Kinder und Filmklassiker für Cineasten, deren Kinoabende nun ebenfalls ausfallen.

 

Der rbb macht’s und das Publikum dankt den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern, den Institutionen und Häusern auf seine Weise: 160.000 Zuschauerinnen und Zuschauer bei „Carmen“, 25.000 bei der ersten Museumsführung und 35.000 beim ökumenischen, beim evangelisch-katholisch-jüdisch-muslimischen Gottesdienst in der Gedächtniskirche – denn auch der gehört dazu.

 

Wir können uns dem Dank nur anschließen. Denn ohne die Protagonisten, die Talente, die Stars der Kultur, ohne die Opernintendanten, Museumsdirektorinnen und Club-Chefs könnten wir dieses Geschenk der Bereicherung nicht weitergeben. Die Zusammenarbeit ist denkbar schnell, unkompliziert und partnerschaftlich, sie ist ermutigend und beflügelnd in der Krise. Wir sind sehr froh, dem deprimierenden „Fällt aus“ und „Abgesagt“ jetzt ein „Findet statt!“ entgegensetzen zu können: im Radio, im Fernsehen, im Netz. Und deshalb gilt weiter: Der rbb macht’s.

 

Patricia Schlesinger, Intendantin des rbb

 

SR

 

Im Sendegebiet des Saarländischen Rundfunks schreitet die Verbreitung des Coronavirus schnell voran. Die hoheitlich verfügten Kontaktbeschränkungen, die seit dem 20. März 2020 gelten, treffen das Kulturleben ins Mark. Für den Saarländischen Rundfunk bedeutet dies: keine eigenen SR-Veranstaltungen, keine Kooperationen mit saarländischen Kultureinrichtungen und keine Sendemitschnitte mehr, also nichts von dem, was das saarländische Kulturleben bisher bereichert hat. Die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DRP) hat seit dem 13. März 2020 ihren Spielbetrieb zunächst bis Mitte April eingestellt. So bitter es ist – aber die Gesundheit und Sicherheit unseres Publikums, der freien Künstlerinnen und der eigenen Mitarbeiter geht allem anderen vor.

 

Dennoch findet in den Programmen des Saarländischen Rundfunks weiterhin Kultur statt: SR 2 KulturRadio ist dabei der Partner der Kulturtreibenden im Lande. In der aktuellen journalistischen Berichterstattung werden die Themen aufgegriffen, die in der Branche aktuell sind: die große Solidarität innerhalb der saarländischen Jazzszene, die Sorgen und Nöte der freien Künstler, die Reaktion der saarländischen Buchhändlerinnen auf die Krise, die Sonderprogramme, die Gemeinden und Kulturinstitutionen im Netz bereitstellen, wie etwa das „digitale, kleine Ersatzprogramm“ des Saarländischen Staatstheaters, die Frage, was mit Kunsttransporten passiert, wenn Ausstellungen plötzlich nicht stattfinden und wie das Land Luxemburg seine Kunstszene in der Krise unterstützt. Ziel ist es, die Lage der Künstlerinnen und Künstler und der Kultur ins öffentliche Bewusstsein zu heben und die Hörerschaft dafür zu sensibilisieren.

 

Schon bevor der Shutdown kam, hat SR 2 KulturRadio für die virtuelle Buchmesse des MDR sein Programm geändert und Teile des Sonderprogramms live aus Halle übertragen. Und als die DRP nicht mehr spielen durfte, schüttelte Solist Lars Vogt mit SR 2-Moderator Roland Kunz zwei berührende Solo-Rezitals ohne Publikum und mit erläuternden Gesprächsanteilen aus dem Ärmel.

 

Die coronabedingten Produktionsausfälle im Jazzbereich haben zur Folge, dass ab April eine neue Sendereihe unter dem Titel „Fokus: Jazz aus dem Saarland“ aus der Taufe gehoben wird. Über das Jahr werden starke Konzertmitschnitte von regionalen Musikerinnen und Musikern wiederholt, was diesen in medialer und finanzieller Hinsicht zugutekommt.

 

Auch beim Kabarett gehen die Kolleginnen gemeinsam mit den Künstlern kreativ mit der Krise um. Der traditionsreiche „Gesellschaftsabend“ muss gezwungenermaßen ohne Publikum auskommen und soll als reines Radio-Experiment am 28. März auf Sendung gehen.

 

Für diejenige Zielgruppe, die an guter Popmusik interessiert ist, bietet die Hörfunkwelle SR 1 zunächst bis Ostern die Höhepunkte der Konzertreihe SR 1 Unplugged als Couch-Konzerte im Radio an. Dabei handelt es sich um Konzertabende mit bislang 15 Künstlerinnen und Künstlern, unter anderem Max Giesinger, Johannes Oerding, Alexa Feser, Lewis Capaldi, Anna Loos und Clueso. Die Hörerinnen und Hörer erleben auf diese Weise die intime Atmosphäre in Studio Eins auf dem Saarbrücker Halberg im eigenen Wohnzimmer.

 

Im dritten Fernsehprogramm des Saarländischen Rundfunks stehen diverse hochwertige Dokumentationen und Reportagen bereit, um etwaige Sendeausfälle mit bildstarken Inhalten aufzufangen, darunter ARTE-Produktionen über das Vermächtnis der Zisterzienser.

 

Die Stärke und die Wirkkraft der Landesrundfunkanstalten der ARD liegt, das zeigen die Beispiele eindrucksvoll, im „Zuhause“, also ganz nah bei den Menschen vor Ort, dort wo die Kultur ihre Wurzeln hat. Insoweit ist die aktuelle Krise nicht nur eine Bewährungsprobe für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern eine Chance, seine Herkunft und seine Identität eindrucksvoll zu demonstrieren.

 

Thomas Kleist, Intendant des SR und Ricarda Wackers, Leiterin des Bereichs Kultur des SR

 

SWR
Leere hat sich ausgebreitet. Eine Krankheit schafft es, unsere Gesellschaft seit Wochen zu lähmen. Und statt zu kämpfen, soll der richtige Umgang sein, dass sich jeder zurückzieht in sein privatestes Umfeld. Was uns verbindet, ist plötzlich gefährlich, und die Welt bleibt stehen. Am meisten verunsichert uns die Ungewissheit, wie lange sich das Leben so einengen lässt.

 

Viel wurde schon gesprochen und geschrieben über Kleinkunst ohne Publikum, über finanziell klamme Clubbetreiber, über den Stillstand der Kultur. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk verändert sich in diesen Tagen. Wir mussten im SWR Tatort-Produktionen unterbrechen, auch Serien können erst mal nicht weitergedreht werden. Jedes Unternehmen ist verantwortlich für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Frage stellte sich auch für den SWR und die gesamte ARD: Wie können wir gewährleisten, dass wir arbeitsfähig bleiben und trotzdem alle schützen?

 

Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in den vergangenen Wochen gewachsen. Bei uns suchen die Menschen Informationen, was die Ausbreitung des Coronavirus angeht. Und gleichzeitig sind wir ein wichtiger Tagesbegleiter, der die Lücken einnimmt, die Freunde, Hobbys und schlicht der Alltag lassen: Wir springen ein, wenn es um den Schulersatz geht, haben unser Fernsehprogramm am Vormittag umgestellt und geben Bildung einen starken Platz. Wir legen beim Thema Information nach, machen Sondersendungen und Liveblogs im Internet. Wir merken, dass die Menschen genau das gerade brauchen. Zu dieser Lücke gehört auch die Kultur. Darum arbeiten wir intensiv an gemeinsamen Projekten, zusammen mit Musikern, mit Theatern und anderen Kulturbetrieben. Das Spannende daran: Es sind keine Einbahnstraßen. Wer das Publikum braucht, der findet es in diesen Tagen bei uns im Internet, Radio und Fernsehen. Was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält, findet bei uns eine Bühne. Wir sind schnell dabei, von gemeinsamen Werten, gemeinsamer Kultur zu sprechen. Heute zeigt sich, welche Kraft wirklich darin steckt. Kultur ist nicht nur Oper oder Galerie, zu unserer Kultur gehören auch Brauchtum, Mode oder Straßenmusik in der Fußgängerzone.

 

Unsere Kulturlandschaft in Deutschland wird von Corona herausgefordert. Die Nachwirkungen werden noch lange zu spüren sein, ein Ende ist bisher nicht absehbar. Zu unserem großen Schmerz müssen wir beispielsweise auch Veranstaltungen wie die Schwetzinger SWR Festspiele absagen. Aber wo immer möglich, wollen wir in der kommenden Zeit auch dort für Ersatz sorgen, beispielsweise Konzerte vor leeren Rängen übertragen und damit paradoxerweise zu Hause viel mehr Menschen erreichen als sonst. Es sind neue Wege, die wir an vielen Stellen gehen, und auch das braucht ein wenig Zeit, um sich einzuspielen. Das kann kein Ersatz sein für das echte Leben, es geht darum zu überbrücken. Mut kann uns machen, dass so viele Menschen verantwortungsvoll mit der Situation umgehen.

 

Wovon ich überzeugt bin, ist die Kraft, die auch aus dieser Herausforderung wachsen wird. Gerade in der Kultur wird diese Erfahrung von Isolation, von Einsamkeit zu ganz neuen Ideen führen. Und so können wir uns heute schon freuen auf all das, was nach dem Moment der Leere kommt. So wie wir jetzt abbilden, was uns lähmt, werden wir im SWR und der ARD in der Zukunft zeigen, wie Strom und Bäche vom Eise befreit werden. Goethes Osterspaziergang beschreibt genau das Gefühl, was uns nach Corona hoffentlich alle erfasst.

 

Kai Gniffke, Intendant des SWR

 

WDR

 

Freie Künstlerinnen und Künstler, Theater, Opernbühnen und Museen, Kinos – sie alle werden durch die Covid-19-Krise vor eine gigantische Herausforderung gestellt. Kultur lebt vom gemeinsamen Erleben. Und dieses Miteinander liegt durch die aktuelle Krise am Boden. Nicht etwa, weil es kein Bedürfnis nach Kultur gäbe. Werfen Sie nur einen Blick in die sozialen Medien: Menschen setzen sich allein zu Hause ans Klavier oder an die Gitarre und streamen ihre Musik ins Netz; in Italien singen die Menschen vom Balkon herab miteinander. Kultur ist, ebenso wie verlässliche Information, ein entscheidendes Element unseres Zusammenlebens. Ein Bedürfnis, das auch ein Virus nicht aufhalten kann.

 

Die ARD legt großen Wert darauf, die vielen Facetten von Kultur in ihrem Programm zu zeigen und zu ihrer sinnstiftenden Funktion beizutragen. In der Corona-Krise haben wir die Verantwortung, eine neue Brücke zu schlagen zwischen Kulturschaffenden und Kulturliebhabern. Dafür haben die ARD-Sender verschiedene Aktionen gewählt: Sei es der MDR, der die Leipziger Buchmesse ins Programm geholt hat, nachdem die Messe abgesagt werden musste, sei es der rbb mit Übertragungen von gefährdeten Kulturevents.

 

Auch im WDR finden unsere Redaktionen ganz neue Wege, z. B. mit der „WDR 3 Kulturambulanz“. Diese Plattform soll ein Forum bieten für Künstlerinnen, Autoren und Kulturschaffende in NRW, z. B., wenn namhafte Autorinnen und Autoren im Homeoffice aus ihren Werken lesen. Unter #alleinimmuseum auf dem Instagramkanal @wdr3_im_museum können sich unsere Nutzerinnen und Nutzer mitnehmen lassen auf einen Rundgang durch verwaiste Museen. Von der Bundeskunsthalle in Bonn bis zum Zentrum für internationale Lichtkunst in Unna haben wir bei vielen Institutionen – trotz Schließung – offene Türen eingerannt. Mit weiterlachen.de schafft der WDR eine digitale Bühne für Kabarettistinnen und Comedians – und zu guter Letzt bereiten wir ein Experiment vor: Henry David Thoreaus „Walden“ als digitales Schwarmhörspiel, bei dem die Nutzerinnen und Nutzer ihren Teil zum großen Ganzen beitragen können.

 

Mit all dem wollen wir ein wenig Balsam auf die Seelen derjenigen geben, denen die aktuelle Situation Angst oder Sorgen bereitet. Aber uns ist nicht nur wichtig, dass die Kultur ihren Weg zu den Menschen findet – wir wünschen uns auch, dass die Kulturschaffenden heil aus dieser Krise herauskommen. Aus diesem Grund haben wir schnell in verschiedene Richtungen Signale gesetzt: Wir haben der Produzentenallianz, deren Mitglieder so wundervolle Spielfilme und Dokumentationen zu unserem Programm beitragen, schnell Unterstützung zugesagt. Ebenso wie unseren freien Autorinnen und Autoren und den Musikverlagen.

 

Alle Anstrengungen, die wir momentan machen, machen wir unter erschwerten personellen Bedingungen. Auch in den Sendern fordert Corona Tribut. Außenübertragungen sind weitgehend unmöglich, ebenso große Studioproduktionen. In den Sendern wechseln sich Teams ab, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Die gute Nachricht ist: Wir senden nach wie vor für die Menschen im Land. Wie viel wir unter diesen Bedingungen leisten können, müssen wir von Woche zu Woche neu bewerten – und hoffen dabei auf das Verständnis der Nutzerinnen und Nutzer.

 

Ein Gedankenanstoß zum Schluss. Vielleicht wird unser Miteinander, das zuletzt unter Hass und Spaltung so gelitten hat, an dem neuen Wir-Gefühl in Zeiten von Corona ein wenig genesen. Dieses Wir-Gefühl entsteht, wenn man sich aufmerksam zuhört. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen andere niederbrüllen, möchte ich einen Wunsch äußern: Nutzen wir die viele Zeit zu Hause, um das Zuhören wieder zu entdecken. Vielleicht werden wir dann in einigen Monaten zurückblicken und merken, dass unser Miteinander ein anderes geworden ist – und hoffentlich ein besseres.

 

Tom Buhrow, Intendant des WDR und Vorsitzender der ARD


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/themen/corona-vs-kultur/jetzt-mehr-kultur-in-radio-tv-und-co/