In der Verantwortung

Wie können die Verwertungsgesellschaften jetzt helfen?

VG Bild-Kunst

 

Die in der Verwertungsgesellschaft (VG) Bild-Kunst vereinten Urheberinnen und Urheber schaffen visuelle Werke. Alle sind mehr oder minder stark von der Corona-Pandemie betroffen. Während eine Minderheit die Zeit der Abgeschiedenheit nutzt, um neue Werke zu konzipieren oder zu schaffen, brach einer Mehrheit schlicht ihr wirtschaftliches Tätigkeitsfeld weg. Man denke nur an die Filmdrehs, die flächendeckend abgesagt wurden.

 

Natürlich haben wir im ersten Augenblick überlegt, wie die VG Bild-Kunst schnell helfen kann. Vorschüsse auszuzahlen kam nicht in Betracht. Das sieht unser Verteilungsplan mit gutem Grund nicht vor, da die Zahlungen an die Mitglieder von Jahr zu Jahr stark schwanken und nicht voraussehbar sind. Auch verfügt die Bild-Kunst als Treuhänderin nicht über eigenes Vermögen, über das sie hätte frei verfügen können.

 

Das Sozialwerk der Bild-Kunst wiederum verfügte nur über geringe finanzielle Reserven – die Zuwendungen speisen sich aus Abgaben der Mitglieder selbst. Eine Auszahlung der Reserven an alle hätte dem Einzelnen weniger als 50 Euro gebracht. Eine Auszahlung der Reserven unter bestimmten Förderbedingungen hätten wir kurzfristig nicht verwalten können. Das Sozialwerk beschäftigt eine Mitarbeiterin und lebt im Übrigen vom Engagement einer Handvoll gewählter Vergabebeiräte.

 

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Bild-Kunst eine mitgliederstarke Verwertungsgesellschaft mit einem sehr kleinen Verwaltungsapparat ist. Nur etwas mehr als 50 Personen zählt die Belegschaft. Sie kümmert sich um die Belange von 63.000 Mitgliedern. Die niedrige Mitarbeiterzahl steht natürlich in Korrelation zu den niedrigen Einnahmen, die die VG Bild-Kunst erzielt: Jährlich sind es etwa 45 Millionen Euro. Und diese Einnahmen sind nicht in Stein gemeißelt: Wo Galerien keine Kunstwerke verkaufen, fällt keine Folgerechtsvergütung an. Wo die Industrie keine Smartphones verkauft, fällt keine Privatkopievergütung an.

 

Welchen Beitrag kann die VG Bild-Kunst in der Krise leisten? Einerseits haben wir unsere Priorität ganz auf die Ausschüttungen gelegt. Momentan überweisen wir jede Woche reguläres Geld auf die Konten unserer Mitglieder – in den letzten vier Wochen waren es mit Kraftanstrengung allein 18 Millionen Euro. Andererseits richten wir unseren Blick schon auf die Zukunft: Denn die Corona-Pandemie wird den Kulturbetrieb nicht nur kurzfristig beeinträchtigen. So stärken wir unser Kultur- und unser Sozialwerk finanziell und administrativ, um die erwartbare Steigerung an Anträgen gut bewältigen zu können.

 

Die VG Bild-Kunst trägt natürlich auch Verantwortung gegenüber ihren Geschäftspartnern. So haben sich viele Museen dazu entschlossen, die Zeit der Schließungen ihrer Häuser mit digitalen Formaten zu überbrücken, also z. B. mit virtuellen Ausstellungsrundgängen. In Absprache mit dem Deutschen Museumsbund bieten wir einfache Lizenzen für die notwendigen Onlinerechte an.

 

Wie geht es weiter? Wir hoffen, den Vereinsbetrieb im Herbst wieder hochfahren zu können. Die Mitgliederversammlung wurde vom Juli auf den Dezember verschoben. Außerdem gilt es, die Chancen der Umsetzung der neuen EU-Urheberrechtsrichtlinie vom letzten Jahr nicht aus den Augen zu verlieren. Insbesondere die neue urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern könnte dem Kulturbetrieb in Deutschland perspektivisch dringend benötigte neue Mittel verschaffen.

 

Urban Pappi ist Geschäftsführender Vorstand der VG Bild-Kunst.

 

VG WORT

 

Die VG WORT ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie – wie kann es anders sein – in vielerlei Hinsicht betroffen. Natürlich sind, wie bei fast allen Einrichtungen, eine Vielzahl von organisatorischen Maßnahmen erforderlich, um den täglichen Betrieb so gut wie möglich aufrechterhalten zu können. Dass dies bisher gelungen ist, liegt vor allem an dem engagierten Einsatz aller Mitarbeitenden. Daneben hat die Krise aber auch zu weiteren Herausforderungen geführt, auf die kurz eingegangen werden soll.

 

Die Hauptausschüttung der VG WORT soll – wie üblich – im Sommer 2020 durchgeführt werden. Das ist immer ein Kraftakt, in diesem Jahr aber in besonderer Weise. Denn vieles ist nicht so wie sonst. Dennoch ist es ein erklärtes Ziel, die Ausschüttungen an alle Berechtigten rechtzeitig vornehmen zu können. Und hieran arbeiten alle Mitarbeitenden, völlig unabhängig, ob sie in der VG WORT sind oder zu Hause am Laptop sitzen. Denn allen ist bewusst, dass es gerade in diesem »Krisenjahr« auf die Hauptausschüttung besonders ankommt.

 

Die sozialen Unterstützungseinrichtungen der Verwertungsgesellschaften wurden in der Vergangenheit gelegentlich kritisiert, weil sie einen Anteil der Einnahmen nicht unmittelbar an die Berechtigten ausschütten, sondern sie – unter bestimmten Voraussetzungen – bedürftigen Urheberinnen und Urhebern zukommen lassen. Gerade in der Corona-Krise zeigt sich, wie wichtig diese solidarischen Einrichtungen sind. Der Sozialfonds der VG WORT hat als Soforthilfe aufgrund der Corona-Krise ein beschleunigtes Verfahren eingeführt, bei dem bedürftige Wahrnehmungsberechtigte ein zinsloses Darlehen bis zu 1.000 Euro erhalten können. Noch viel wichtiger aber werden die Unterstützungseinrichtungen sein, wenn es um die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Krise in den nächsten Jahren geht. Hier wird mit einem deutlichen Anstieg der Anträge zu rechnen sein.

 

Derzeit wird gelegentlich die Frage an die VG WORT herangetragen, ob sie aufgrund des Shutdown Onlinenutzungen von Sprachwerken erlauben kann; teilweise wird dies von der Annahme begleitet, dass derartige Nutzungen vergütungsfrei möglich sein sollten.

 

Grundsätzlich ist bei der VG WORT – anders als bei anderen Verwertungsgesellschaften – die Lizenzierung von Onlinenutzungen nur eingeschränkt möglich, weil ihr die erforderlichen Rechte im Wahrnehmungsvertrag nicht eingeräumt werden. Die Vergabe von Nutzungsrechten ohne vertragliche Grundlage ginge aber von vornherein ins Leere und wäre für die Nutzer ohne Wert. Die VG WORT wird gleichwohl die Corona-Krise zum Anlass nehmen, intern mit ihren Berechtigten zu prüfen, ob die Wahrnehmung von zusätzlichen Nutzungsrechten sinnvoll sein kann.

 

Onlinenutzungen sind teilweise auch aufgrund von gesetzlichen Schrankenregelungen erlaubt, wie es insbesondere im Bildungs- und Wissenschaftsbereich der Fall ist. Soweit hier rechtliche Spielräume bestehen, ist die VG WORT gerne bereit, kurzfristig pragmatische Lösungen zu finden. So konnten der Gesamtvertrag mit der Kultusministerkonferenz zum innerbibliothekarischen Leihverkehr sowie Einzelverträge mit Dokumentenlieferdiensten dahingehend erweitert werden, dass die von Bibliothek zu Bibliothek versandten Dokumente für einen befristeten Zeitraum bis zum 31. Mai 2020 per E-Mail an die Endnutzer weitergeleitet werden dürfen.

 

Eine vergütungsfreie Nutzung kann die VG WORT weder bei einer Lizenzierung noch bei der Wahrnehmung von Vergütungsansprüchen im Zusammenhang mit Schrankenregelungen erlauben. Dagegen spricht zunächst die Stellung der VG WORT als Treuhänderin der Urheber und Verlage. Es wäre aber auch rechtspolitisch ein falsches Signal, auf angemessene Vergütungen zu verzichten. Autorinnen und Autoren sowie ihre Verlage erleiden in diesen Zeiten ganz erhebliche wirtschaftliche Verluste. Gerade sie sind auf Vergütungen – nicht zuletzt über Verwertungsgesellschaften – dringend angewiesen. Es ist deshalb in hohem Maße problematisch, wenn die Corona-Krise dafür ausgenutzt werden sollte, rechtspolitische Ziele durchzusetzen, die auf einen vergütungsfreien Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken hinauslaufen. Dem steht es selbstverständlich nicht entgegen, mit Vergütungsschuldnern, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden, kulante Stundungs- und Abzahlungsregelungen zu vereinbaren.

 

Robert Staats ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG WORT.

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