Fortsetzung II: Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?

 

Sachsen-Anhalt

 

Im Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) knallten am 7. März – wenn auch in kleinerem Kreise als sonst – noch die Korken: Mit großen Erwartungen war gerade die Ausstellung “Karl Lagerfeld. Fotografie. Die Retrospektive” eröffnet worden. Für die große Werkschau des 2019 verstorbenen Modeschöpfers lag eine Rekordzahl von angemeldeten Führungen und Besuchergruppen vor, die Medienresonanz war riesig. Doch nach nicht einmal einer Woche mussten die Türen wieder verschlossen werden. So ging es überall in Deutschland, Europa, weltweit: Mit einer nie zuvor gekannten Wucht kam die gesamte Kunst- und Kulturszene binnen Tagen zum Stillstand.

 

Sachsen-Anhalt hat als erstes Land spontan und unmittelbar auf diese für alle in der Kultur verhängnisvolle Situation reagiert. Kunstschaffende konnten als Soforthilfe 400 Euro beantragen. Mir war bewusst, dass diese eher symbolische Summe nur einen sehr kleinen Teil der tatsächlich wegbrechenden Einnahmen kompensiert. Dennoch ist es als Signal verstanden worden, dass die Politik die Kultur nicht aus den Augen verloren hatte. Ich konnte diesen Gedanken auch bei den Initiativen des Bundes einbringen, der seine sonst der Wirtschaft vorbehaltenen Programme erstmals auch für Soloselbständige aus der Kultur und dort aktive gemeinnützige Vereine geöffnet hat. Im Verlauf ergriffen wir weitere Maßnahmen. So wird das Zuwendungsrecht bereits mit größter Flexibilität gehandhabt und Lotto-Toto Sachsen-Anhalt hat einen Hilfsfonds über eine Million Euro für gemeinnützige Vereine und andere Träger der Kulturarbeit ins Leben gerufen. Sicher wird es aus den Etats von Land und Bund noch weitere Unterstützung für die Kultur geben. Auch die Selbsthilfeinitiativen in der Kulturlandschaft verdienen Respekt und Anerkennung.

 

Wichtiger aber ist es, Kultur wieder ans Netz zu bringen. Dank der niedrigen Infektionszahlen im Land und natürlich unter Berücksichtigung höchster Hygieneanforderungen dürfen seit dem 4. Mai Museen, Gedenkstätten und Bibliotheken wieder Besucher empfangen. Mit dem umfassenden Sachsen-Anhalt-Plan machen wir ab dem 28. Mai den Weg frei für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs von Theatern, Orchestern und Kinos. Ich bin im ständigen Austausch mit den verschiedenen Akteuren aus allen Bereichen von Kunst und Kultur, die sich auch dieser Herausforderung außerordentlich kreativ stellen.

 

Drei erste Lehren aus der Corona-Krise: Erstens ist momentan noch nicht abzusehen, wann wir wieder in den “Normalbetrieb”, wie wir ihn kannten, zurückkehren werden. Auch 2021 werden wir wohl noch mit Restriktionen leben müssen, denn es wird noch dauern, bis ein Impfstoff massenhaft verfügbar ist. Es wird also weitere Hilfen und unbürokratische Wege geben müssen, um unsere Kunst- und Kulturszene am Leben zu erhalten. Angesichts dramatisch wegbrechender Staatseinnahmen ist dies keine triviale Aufgabe.

 

Zweitens erleben wir die Grenzen des Systems der Künstlersozialkasse (KSK). Für Politik und Verwaltung könnte die Zugehörigkeit zur KSK ein wichtiger Parameter zur Einordnung sein, wer hauptberuflich von der Kunst lebt. Die Zugangsvoraussetzungen sollten überdacht und vereinfacht werden.

 

Drittens machen wir die Erfahrung, dass digitale Formate wie Streamings oder virtuelle Rundgänge auf großes Interesse stoßen, ja weitaus mehr Menschen erreichen als durch das Live-Erlebnis. Sie werden es nicht ersetzen können, wie auch das Fernsehen nicht der Garaus für das Kinoerlebnis war. Aber wir bieten dadurch mehr Menschen die Möglichkeit, an Kultur zu partizipieren. Beispielsweise könnten einzelne Konzerte der Händelfestspiele künftig parallel gestreamt werden – warum nicht in ein Seniorenzentrum für ein gemeinsames Konzerterlebnis? So multipliziert sich Kulturgenuss. Diese Formate sollten wir unbedingt ausbauen und inhaltlich weiterentwickeln.

 

Die Lagerfeld-Fotoschau im Kunstmuseum Halle ist übrigens wieder geöffnet – und durch einen weltweit erreichbaren virtuellen Rundgang ergänzt worden.

 

Rainer Robra ist Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt

 

 

Schleswig-Holstein

 

Schleswig-Holstein, der “echte Norden”, ist auch ein echtes Kulturland: Die international bekannten Großveranstaltungen reichen von der NordArt über das Schleswig-Holstein Musik-Festival bis zum Wacken Open Air. Sie alle mussten in diesem Jahr abgesagt werden. Aber Schleswig-Holsteins Kulturleben zeichnet sich auch durch zahlreiche kleine Konzerte, Festivals und Ausstellungen aus. Sie spielen gerade in den ländlichen Regionen eine wichtige Rolle und sind besonders schützenswert. Denn Kultur muss für jeden zugänglich sein, unabhängig davon, wo und wie jemand lebt.

 

Wir brauchen die Kultur, um unsere Gesellschaft in und nach der Krise zusammenzuhalten; wir brauchen sie als Anstoß für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse und Innovationen. Kultur ist ein Fundament, kein Ornament. Sie ist gesellschaftsrelevant und wir müssen ihr in der Krise eine starke Stimme geben.

 

Dabei helfen uns gute Kulturnetzwerke. Wir haben sie im Land und sie sind in der Krise noch stärker zusammengewachsen. Schon Mitte März hatte der Landeskulturverband Schleswig-Holstein einen Nothilfefonds aufgelegt, der sowohl von Spenden als auch von Beiträgen lokaler Kulturstiftungen gespeist wird und eine Nothilfe von zunächst 500 Euro pro Person ermöglichte. Anfang April hat die Landesregierung diesen Topf um zwei Millionen Euro aufgestockt. Dank dieser “KulturhilfeSH” ist seit Anfang Mai schnell und unbürokratisch eine Unterstützung von bis zu 1.000 Euro pro Person möglich.

 

Bestehende Förderlücken des Bundesprogramms Corona-Soforthilfe fängt unser Landesprogramm “Soforthilfe Kultur” auf. Insgesamt kann es 25 Millionen Euro an gemeinnützige Institutionen in den Bereichen Kultur, Weiterbildung und Minderheiten ausschütten.

 

Das Land hat zudem die Mittel für die Filmfördergesellschaft Hamburg-Schleswig-Holstein um 850.000 Euro erhöht. Die Preisgelder für den Kinopreis des Landes wurden auf 150.000 Euro verdreifacht – und erstmals auf alle Bewerber verteilt ausgeschüttet.  Die Corona-Krise ist bei allen Herausforderungen aber auch eine Chance, Neues zu wagen.

Die Landesbibliothek, das schleswig-holsteinische Zentrum für Digitalisierung und Kultur, bezuschusst mit einem Förderprogramm im Umfang von fünf Millionen Euro den Ausbau digitaler Angebote von Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen. Dank solcher Formate kann das Kulturangebot auch in der Krise zumindest teilweise aufrechterhalten werden. Vor Kurzem haben wir die kulturfinder-App vorgestellt, ein digitales Tool für alle Kultureinrichtungen in Schleswig-Holstein. Dieser kulturfinder.sh zeigt den Nutzerinnen und Nutzern mobil auf ihrem Smartphone Kulturinstitutionen im ganzen Land.

 

Die vom Land geförderte neue Online-Plattform #kulturnetzSH soll jetzt und in Zukunft sichtbar machen, welche Bandbreite es im Bereich digitalen Kulturschaffens in Schleswig-Holstein gibt. Hier soll darüber hinaus eine Vermittlungsplattform für Angebote von Künstlerinnen und Künstlern, eine Fundraisingplattform für gemeinnützige Institutionen/Projekte und eine Gutscheinplattform für Kulturunternehmen entstehen.

 

Bei aller Freude über den Digitalisierungsschub spüren wir aber auch eine neue Wertschätzung des analogen Kulturgenusses. Er ist etwas Einzigartiges und Unersetzliches. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir jetzt beginnen, das kulturelle Leben in Schleswig-Holstein schrittweise wieder hochzufahren.

 

Wir werden die Kultur auf diesem Weg begleiten und ihr weiter eine starke Stimme geben. Die Krise ist nicht vorbei und die Kultur braucht auch jetzt die Unterstützung von Bund, Land und Kommunen, damit sie gestärkt in die Zukunft geht.

 

Karin Prien ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein

 

 

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