Barbara Haack - 28. August 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Es darf gelesen werden


Ein kleiner Verlag in der Coronakrise

Verleger, Lektor, Redakteur, Autor – oder auch Vertriebsmitarbeiter, Anzeigenleiter oder Buchhalter: Die meisten Menschen, die in einem oder für einen Verlag arbeiten, tun dies aus Leidenschaft und mit großer Freude. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben die eine oder andere Freude allerdings ein wenig geschmälert, vor allem in den kleinen oder kleineren Verlagen: VG-Wort-Urteil, Urheberrechtsdebatte, kostenaufwendige neue Datenschutzregeln – und ganz schlicht: die Digitalisierung waren Herausforderungen, denen sich zu stellen war. Die Corona-Pandemie hat einige Herausforderungen teils drastisch intensiviert, andere erst geschaffen. Was genau macht Verlagen, seien es (Fach)Buch- oder Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, das Leben derzeit schwer? Hier ein Kurzbericht aus der Sicht eines kleinen Verlags, der sowohl Musik- und Kulturfachbücher als auch Zeitungen und Zeitschriften herausgibt.

 

Medien leben – unter anderem – von der Werbung. Wenn Kultur nicht mehr stattfindet, wird sie auch nicht beworben. So einfach ist das. Das Problem betrifft im Übrigen auch die Tageszeitungen – und Ähnliches spielt sich sicher in anderen Fachbereichen, wie z. B. dem Sport, ab. Zudem sind auch solche Kulturunternehmen oder -institutionen, die noch aktiv sein dürfen, derzeit sehr zurückhaltend mit der Anzeigen- oder Beilagenschaltung. Damit fällt ein wesentlicher Umsatzbereich – schmerzhaft spürbar – weg. Und man muss kein Hellseher sein, um zu prognostizieren, dass die Kultur noch lange nach Corona finanziell leiden wird. Nach der letzten Finanzkrise 2008/2009 war es nicht anders.

 

Die Hilfen von Land und Bund greifen durchaus, aber womöglich nicht weit genug: Der Zuschuss vom Bund half zur ersten Überbrückung. Ein gewährter Kredit von der KfW-Bank kann Liquiditätsprobleme mildern oder auch Investitionen ermöglichen. Allerdings galt: Wollte man die angekündigten günstigen Konditionen – zehn Jahre Laufzeit, günstiger Zins – in Anspruch nehmen, musste der Mehrheitsgesellschafter persönlich für den Kredit haften und damit seine Alterssicherung zur Disposition stellen.

 

Die Senkung der Mehrwertsteuer kam überraschend – und sie ist zweischneidig: Angesichts der Buchpreisbindung wäre eine Minderung des Verkaufspreises zugunsten der Käufer ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Wohl kaum ein Verlag hat die Ummeldung seiner Preise im VLB vollzogen, um dem Endnutzer einen kleinen Preisvorteil zu verschaffen. Tatsächlich verdient der Verlag also mit jedem verkauften Buch etwas mehr. Allerdings war die buchhalterische Umstellung, in kürzester Zeit zu vollziehen, ebenso ein nicht zu unterschätzender Mehraufwand, vor allem wenn man bedenkt, dass mit dem Jahr 2021 alles wieder rückgängig gemacht werden muss.

 

Mit der Pandemie war in allen gesellschaftlichen Bereichen ein „digitaler Schub“ zu beobachten. Noch mehr Menschen als vorher werden in Zukunft erwarten, ihr Buch, ihre Zeitung oder Zeitschrift auch digital lesen zu können. Für kleine Unternehmen waren nutzerfreundliche Apps, möglichst mit zusätzlichen digitalen Angeboten wie Filme oder Podcasts, in der Vergangenheit schwer zu finanzieren. Die Schere zwischen den großen Medienunternehmen und kleinen Fachverlagen wuchs in dieser Hinsicht. Hier liegt eine große Hoffnung im Programm „Digital Jetzt“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, das gerade kleinen Unternehmen den Weg in die digitale Welt mit weiteren Investitionshilfen ebnen will. Zu hoffen ist, dass hier nicht nur spektakuläre Innovationen gefördert werden, sondern auch intelligente, nutzerbezogene Projekte, die ein Verlag vielleicht schon länger in Planung hatte und die er durch dieses Programm nun endlich auch umsetzen und damit die Erwartungen seiner Zielgruppen erfüllen könnte.

 

Nicht unerwähnt soll die Konzentration auf den Online-Handel bleiben: Während die Buchhandlungen geschlossen waren – und so mancher wohl auch mehr Zeit zum Lesen hatte –, wurden mehr Bücher im Internet bestellt. Amazon gilt als großer „Pandemie-Gewinner“. Seine Marktmacht konnte der Internetriese in dieser Zeit ausbauen. Für die Vielfalt des Buchmarktes und der Verlagslandschaft in Deutschland ist dies sicher keine gute Nachricht. Je mehr ein einzelner Anbieter den Markt bestimmt, desto größer wird die Gefahr, dass alles, was nicht Mainstream mit hoher Auflage ist, nach und nach nicht mehr angeboten wird. Auch hier wäre eine Unterstützung sinnvoll: allerdings nicht nur – aber vielleicht auch – durch die Politik, vor allem aber auch durch die Leser, die ihre Bücher ebenso gut online beim örtlichen Buchhändler bestellen und den Nachteil in Kauf nehmen könnten, dass das Paket dann vielleicht ein oder zwei Tage später ankommt. Mehr Marktmacht für einen „Intermediär“ wie Amazon bedeutet auch, dass dieser die Konditionen bestimmen kann. Die Verschiebung des Buchverkaufs in die Onlineshops, so ist im Börsenblatt Ausgabe 31.2020 zu lesen, „sei für die Marktakteure mit einer Umsatzverlagerung auf weniger profitable Kanäle verbunden (höhere Lieferkosten, niedrigeres Preislevel)“.

 

Immerhin: Auch in Pandemie-Zeiten kann und darf gelesen werden. Bücher- und Zeitungsanbieter haben es da immer noch besser als z. B. Konzertveranstalter. Es ist auch an den Verlagen, jetzt Produkte zu entwickeln, die in dieser Zeit vielleicht mehr denn je gewünscht oder gar gebraucht werden. Damit erhöhen sie womöglich ihre Systemrelevanz.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2020.


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