Die Vielfalt unseres Kulturangebots steht auf dem Spiel

Die Corona-Pandemie trifft die Veranstaltungswirtschaft besonders hart

Die Veranstaltungswirtschaft ist durch die Auswirkung der Krise im Vergleich zu der produzierenden Wirtschaft besonders hart betroffen, da es sich bei Konzerten oder sonstigen Veranstaltungen um „hochverderbliche Ware“ handelt. Veranstaltungen sind Fixgeschäfte, die vertragsgemäß ausschließlich am angekündigten Termin stattfinden können. „Nachholkonzerte“ gibt es nicht, sondern es handelt sich dabei um neue Veranstaltungsangebote, mit deren Durchführung alle Vorkosten erneut anfallen. Veranstalter bieten nicht, wie z.B. Autohersteller, ein Produkt an, welches in einem halben Jahr noch genauso viel wert ist. Der Veranstalter hat für jede abgesagte Veranstaltung bereits kostenintensive Leistungen erbracht, die nach Ablauf des Konzerttages nichts mehr wert sind. Ein weiteres Sonderproblem besteht ferner darin, dass der Vorverkauf für Veranstaltungen inzwischen vollständig zum Erliegen gekommen ist. Und niemand sollte erwarten, dass die Nachfrage nach Konzerten ab September auch nur annähernd den gewohnten Umfang erreichen wird. Derzeit ist es bereits ausgeschlossen, Veranstaltungen für die Zeit nach dem Shutdown zu planen. Viele Hallen lassen sich für die kommenden Monate gar nicht mieten, weil die Betreiber zunächst Klarheit haben wollen, wie es weitergeht.

 

Der Bund hat ein beeindruckendes millionenschweres Soforthilfeprogramm aufgelegt. Aber die Maßnahmen helfen in der Notsituation, in der sich die Veranstaltungswirtschaft derzeit befindet, leider nur in Ausnahmefällen. Der Gewinn von Veranstaltern beträgt gemäß einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahre 2009 durchschnittlich sieben bis acht Prozent ihrer Einkünfte. Die Rückzahlungsverpflichtung von Krediten in aktuell benötigter Höhe können daher – vor allem angesichts der entstehenden Schäden – nur wenige Unternehmen seriös eingehen. Von 9.000 Euro Soforthilfe lässt sich allenfalls die Büromiete für die kommenden Monate zahlen. Laufende Betriebskosten und vor allem die Verbindlichkeiten, die für die Vorkosten jedes ausgefallenen Konzertes entstanden sind, können damit nicht kompensiert werden. Oft reichen die Soforthilfen nicht einmal für die Zahlung der Mitarbeitergehälter, die zumeist nicht in Kurzarbeit geschickt werden können. Denn die Veranstalter brauchen aktuell für die Rückabwicklung der ausfallenden Konzerte sogar mehr Personal. Daher unterscheidet sich die Problemlage im Veranstaltungsbereich erheblich von der Situation vieler anderer Wirtschaftsbereiche.

 

Das Überleben der meisten Unternehmen der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft wird nur durch besondere Hilfsmaßnahmen gesichert werden können. Dazu haben die Verbände der Musikwirtschaft ein Papier vorgelegt, mit dem der konkrete Bedarf des gesamten Wirtschaftszweiges – und damit auch der Künstler – dargelegt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Musikwirtschaft im Allgemeinen und die Veranstaltungswirtschaft im Besonderen bei den vielen Forderungen aus allen Bereichen der Wirtschaft nicht ein weiteres Mal als ein Bereich behandelt wird, der „am ehesten verzichtbar“ ist. Wer diese Auffassung vertritt und nicht erkennt, dass den Kulturschaffenden und damit den Veranstaltern – ganz schnell geholfen werden muss, muss wissen, dass er zukünftig auf einen großen Teil der bisher gewohnten Musikangebote in Musikclubs, Festivals und Theatern verzichten muss. Er sollte sich darüber im Klaren sein, welchen Schaden der Kulturbetrieb damit nehmen wird.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Jens Michow
Jens Michow ist Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV).
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