26. Mai 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona NL

Corona versus Kultur - Newsletter Nr. 16


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

„Wir kämpfen dafür, dass alle durchkommen, auch wenn wir nicht garantieren können, dass das gelingt. Wir fahren momentan alle auf Sicht. Wichtig ist, dass wir uns unterhaken dabei. Wir brauchen Hilfe des Bundes.“ hat gestern Nachmittag Carsten Brosda, der Kultursenator von Hamburg, getwittert. Das ist in seiner Offenheit auch deshalb erstaunlich, da Hamburg das Bundesland in Deutschland mit der besten Corona-Kultur-Notunterstützung für Künstlerinnen und Künstler ist. Und selbst dieses Bundesland hofft auf die Hilfe durch den Bund.

 

Noch lässt diese große Hilfe auf sich warten, obwohl uns die Zeit wegläuft. Ich habe gestern Abend dem NDR ein Interview gegeben, das vielleicht etwas zur Einschätzung der aktuellen Lage beitragen kann. Das Gespräch führte Jürgen Deppe. Das Gespräch kann hier nachgehört und nachgelesen werden.

 

(Quelle NDR Anfang) Jürgen Deppe: Am vergangenen Freitag verkündete Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Unser Sofortprogramm ‚Neustart‘ hat ins Schwarze getroffen!“ Allerdings ist der Bedarf an finanzieller Hilfe bei corona-bedingten Umbau- und Ausstattungsmaßnahmen in kleineren und mittleren Kultureinrichtungen derart falsch eingeschätzt worden, dass er nach nur drei Wochen verdoppelt werden musste. Greifen die – durchaus üppigen – Hilfen für die Kultur dennoch zu kurz? Fragen an Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.

 

Herr Zimmermann, ist der „Neustart“ ein Fehlstart?

 

Olaf Zimmermann: Zumindest ist er ein noch zu kleiner Start. Wir haben Probleme ungeahnten Ausmaßes. Vor wenigen Monaten hätten wir uns so etwas in unseren kühnsten Albträumen nicht vorstellen können – jetzt versuchen wir, wieder ein Stückchen Normalität zu gewinnen. Aber es ist unglaublich schwierig, diese Normalität zu finden. Wenn wir Kultureinrichtungen wieder hochfahren, dann müssen wir das richtigerweise unter maximalen Hygienebedingungen machen. Das bedeutet, dass nur ganz wenige Menschen in ein Kino oder in ein Museum hineingehen können. Die gesamten Finanzierungsstrukturen, die man mal aufgebaut hat, damit man einen solchen Betrieb vernünftig führen kann, brechen auseinander, wenn man die Kultureinrichtungen unter diesen Bedingungen führt. Wir brauchen also Unterstützung, sonst wird die Öffnung der Kultureinrichtungen nicht funktionieren.

 

Ich freue mich, dass Monika Grütters noch mal Geld obendrauf gelegt hat, aber man muss sehr deutlich sagen, dass das alles noch nicht ausreicht. Wir fordern schon seit längerer Zeit ein großes Kulturprogramm, das diese Ausgaben überhaupt realisieren kann, und da ist „Neustart“ noch zu klein.

 

In Norddeutschland stellt man fest, dass die Museumsbesuche deutlich hinter dem zurückbleiben, was erlaubt wäre. Vermutet wird dasselbe auch für die Kinobesuche, die nun auch wieder erlaubt sind. Gibt es also überhaupt genug Bedarf?

 

Zimmermann: Ich glaube, der Bedarf ist da. Aber wir müssen uns alle mal selber im Spiegel anschauen und merken, dass wir im Moment nur eine eingeschränkte Lust haben, nach draußen zu gehen. Die Menschen meiden ja nicht nur die Kultureinrichtungen, sondern sie gehen zum Beispiel auch nicht ins Restaurant. Wir sind doch alle noch unter einem Angst-Schock. Dieses Coronavirus hat uns ins Mark getroffen, und wir müssen uns erst daran gewöhnen, was es heißt, wieder auf die Straße zu gehen und anderen Menschen näher zu kommen. Deswegen müssen wir schauen, dass wir die Einrichtungen wieder öffnen. Es geht nicht nur darum, zu zeigen, dass die Kultureinrichtungen ein tolles Programm haben, sondern wir müssen jetzt anfangen, die Besucherinnen und Besucher daran zu gewöhnen, wieder in die Einrichtungen hineinzugehen. Wir müssen aufpassen, dass keine Entwöhnung entsteht und wir diese Lücke nicht mehr geschlossen bekommen.

 

Bei den Künstlerinnen und Künstlern hat die Hilfe zum Teil relativ schnell funktioniert. Aber das Geld ist irgendwann verbraucht – und wie sieht es dann aus? Dass die Corona-Krise bald vorbei ist, ist nicht absehbar.

 

Zimmermann: Wir reden im Moment mit der Politik darüber, dass diese Programme weitergeführt werden können, denn die sind nur bis Ende Juni geplant, und das wird nicht ausreichen. Besonders die freiberuflichen Künstlerinnen und Künstler, die Solo-Selbstständigen, sind unmittelbar von dieser Krise berührt worden, und leider wird diese Krise noch mindestens bis in den Herbst und vielleicht sogar noch darüber hinaus wirken. Es wird also eine weitere Unterstützung notwendig sein, und die muss hauptsächlich der Bund leisten, weil er über diese großen Mittel verfügt. Aber auch die Länder müssen ihren Anteil dazu leisten. Im Sendegebiet des NDR sind die Länder unterschiedlich aktiv: Wenn man als Künstler zum Beispiel in Hamburg lebt, dann hat man es gut – in Niedersachsen hat man es nicht gut. Das ist ein riesiges Problem, und da muss mehr Gerechtigkeit einziehen. Es muss Programme in allen Bundesländern zur Unterstützung der Solo-Selbstständigen und der kleinen Kulturgewerbetreibenden geben.

 

Rechnet man zusammen, was schon an Geld geflossen oder zumindest bewilligt worden ist, dann reibt man sich ein bisschen die Augen. Ist Kultur plötzlich systemrelevant geworden?

 

Zimmermann: Ich glaube, dass Kultur auch schon vor der Krise systemrelevant war und dass die Politik auch weiß, dass es ohne Kultur nicht geht. Der Mensch braucht nicht nur etwas für den Magen, sondern auch etwas für den Kopf. Die Unterstützungsprogramme der Kulturstaatsministerin kommen aus ihrem Etat – das sind also normale Kulturmittel, die umgewidmet werden. Deswegen bleibe ich bei meiner Forderung: Wenn wir diese Krise einigermaßen vernünftig für den Kulturbereich überstehen wollen, dann muss es noch zusätzliches Geld für einen spezifischen Kulturtopf geben. Das hat der Finanzminister angekündigt, und auch die Bundeskanzlerin hat gesagt, dass ein solcher Topf kommen wird. Aber bisher ist er immer noch nicht da.

 

Das ist also Geld, das sowieso in die Kultur geflossen wäre und jetzt in die großen Corona-Krisenbewältigung gesteckt wird?

 

Zimmermann: Beim Etat der Kulturstaatsministerin ist ja kein neues Geld hinzugekommen, sondern es kommt aus anderen Kulturbereichen, weil man viele Dinge jetzt nicht durchführen kann. Das ist richtig, das ist positiv, aber das reicht nicht aus, weil sich letztendlich alles in einem geschlossenen Kreislauf bewegt. Für den Kulturbereich ist es notwendig, dass von außen neues Geld hineinkommt. Deswegen warten wir ja so dringend auf diesen Kulturinfrastruktur-Fonds, weil der das Geld von außen hineinbringen würde, auch in einer Größenordnung, die der Krise angemessen ist. (Quelle NDR Ende)

 

„Wir brauchen Hilfe des Bundes“, hat Carsten Brosda gesagt. Recht hat er! Finanzminister Olaf Scholz muss jetzt endlich dier Katze aus dem Sack lassen. Weiteres Warten ist nicht zuträglich.

 

Bleiben Sie gesund

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

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