Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 09.12.2015. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit dieser Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines „Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“. In seinem Positionspapier „Zur Zukunft des Urheberrechts“ vom 04.10.2012 hat der Deutsche Kulturrat bereits festgestellt: „Für die Nutzung von künstlerischen Werken ist eine angemessene Vergütung unverzichtbar. […] Zur Stärkung der rechtlichen Stellung der Urheber gegenüber den Verwertern wurde vor zehn Jahren das Urhebervertragsrecht (Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung der Urheber und ausübenden Künstler) beschlossen. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten das Urhebervertragsrecht ergebnisoffen evaluiert wird. Aus dieser Evaluierung müssen möglichst schnell Konsequenzen gezogen werden.“

 

Dem Deutschen Kulturrat gehören sowohl Verbände der Urheber und ausübenden Künstler als auch Verbände der Verwerter künstlerischer Leistungen aus den verschiedenen künstlerischen Sparten (Musik, darstellende Künste, Literatur, bildende Kunst, Baukultur und Denkmalpflege, Design, Film, Rundfunk und audiovisuelle Medien sowie Soziokultur und kulturelle Bildung) an. Er konzentriert sich wie üblich in seiner Stellungnahme auf die Aspekte, die sowohl von Seiten der Verwerter- als auch der Urheberverbände getragen werden können. Wenn in dieser Stellungnahme von Urhebern die Rede ist, sind die ausübenden Künstler eingeschlossen.

 

Gleichzeitig appelliert der Deutsche Kulturrat, im Gesetzgebungsprozess Branchenbesonderheiten zu berücksichtigen und zu ermöglichen. Hierzu beziehen die verschiedenen Branchenverbände in eigenen Papieren Stellung.

 

Urheber brauchen Verwerter, Verwerter brauchen Urheber

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass in großen Teilen des Kulturbetriebs ein symbiotisches Verhältnis zwischen Urhebern und Verwertern besteht. Urheber brauchen Verwerter zur Vermarktung ihrer Werke, Verwerter brauchen Urheber für die Herstellung und Verwertung von Werken. Aufgrund dieses engen Verhältnisses ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates besonderes „Fingerspitzengefühl“ beim Gesetzgebungsprozess zum Urhebervertragsrecht von Nöten, um am Ende ein Ergebnis zu erreichen, das bei den verschiedenen Beteiligten Anerkennung findet.

 

Mischkalkulationen beachten

Den Kultur- und Medienbereich prägt, dass Mischkalkulationen angewandt werden. Das am Markt erfolgreiche Werk muss mehrere ökonomisch weniger erfolgreiche Werke finanzieren. Diese Mischkalkulationen wenden sowohl Urheber, ausübende Künstler als auch Verwerter an. Beide investieren in Aufträge oder in Werke, deren wirtschaftlicher Erfolg ungewiss ist. Beide gleichen ihre ökonomischen Misserfolge durch Erfolge aus. Die Mischkalkulation darf aber nicht dazu führen, dass bei erheblichem wirtschaftlichem Erfolg eines Werkes der Urheber nicht angemessen partizipiert. Im Gegenteil, im Erfolgsfall muss eine Nachvergütung selbstverständlich sein, wie sie der Gesetzgeber mit der Einführung des § 32a UrhG beabsichtigte.

 

Angemessene Vergütung

Vollkommen unstreitig ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates, dass Urhebern eine angemessene Vergütung ihrer Leistungen und ihrer Rechte zusteht. Auch eine Pauschalzahlung kann gegebenenfalls angemessen sein. Wie der BGH in seiner Rechtsprechung formuliert, ist der Urheber an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werkes tunlichst angemessen zu beteiligen (Beteiligungsgrundsatz). Das schließt nicht aus, bei der Bemessung der Vergütung mehrere Nutzungen und Nutzungsarten sachgerecht zusammenzufassen, auch um den Administrationsaufwand für Abrechnungen nicht außer Verhältnis zum Abgerechneten geraten zu lassen.

 

Eine besondere Herausforderung stellen Mehrparteienverhältnisse dar, wie sie unter anderem für den Film typisch sind. Alle an einem Werk beteiligen Urheber und ausübenden Künstler haben einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Zugleich muss die Vergütung in einem Verhältnis zu ihrem Anteil am Werk stehen. Der Gesetzgeber muss hier Spielräume schaffen, um branchenspezifische Lösungen zu ermöglichen.

 

Der Gesetzgeber will mit der Novellierung des Urhebervertragsrecht Buy-out-Verträgen entgegenwirken. Hier plädiert der Deutsche Kulturrat für eine differenzierte Betrachtung. Jedenfalls dürfen Buy-out-Verträge nicht zu Lasten der Urheber und ausübenden Künstler gehen, sie können hingegen bei einer entsprechenden Vergütung angemessen sein.

 

Gemeinsame Vergütungsregeln

Gemeinsame Vergütungsregeln können am sinnvollsten in den verschiedenen Branchen getroffen werden, denn nur dann kann auf Branchenbesonderheiten adäquat eingegangen werden. Vergütungsregeln, die von Verbänden ausgehandelt werden, haben den Vorteil, dass ein großer Teil der Unternehmen einer Branche erfasst wird. Voraussetzung dafür ist, dass die jeweiligen Branchenbesonderheiten und wirtschaftliche Stärke der verschiedenen Unternehmen abgebildet werden. Es müssen die Besonderheiten von Mehrparteienverhältnissen berücksichtigt werden. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte geprüft werden, ob eine Außenseiterregel im Hinblick auf Bestimmungen in allgemeinen Vergütungsregeln vorgesehen werden muss.

 

Derzeit sind die Verfahren bis zur Vereinbarung gemeinsamer Vergütungsregeln langwierig und für alle Beteiligen mit Rechtsunsicherheit verbunden. Die Zuständigkeit eines speziellen Oberlandesgerichts für die Verfahren wäre eine Option zur Beschleunigung der Verfahren und zur Bündelung von Kompetenzen in der Rechtsprechung.

 

In anderen Rechtsgebieten sind Verbandsklagen möglich und haben sich bewährt. Ein wirksames Verbandsklagerecht stärkt die Anonymität des einzelnen Betroffenen.

 

Rückrufrecht

Der Referentenentwurf zur Novellierung des Urhebervertragsrechts sieht mit Ausnahme der Filmbranche ein Rückrufrecht für den Urheber nach fünf Jahren vor. Die vorgesehene Regelung muss aus Sicht des Deutschen Kulturrates von zwei Seiten betrachtet werden. Urheber haben vielfach den Eindruck, dass sich Verwerter nicht ausreichend für ihr Werk einsetzen und wollen daher das Rückrufrecht, um mit einem anderen Verwerter in Verhandlungen treten zu können. Sie erwarten sich daraus eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Verwerter befürchten hingegen, dass sie künftig in das Werkschaffen von Urhebern investieren und diese nach fünf Jahren, wenn sich die eigenen und die Investitionen der Lizenzpartner zu amortisieren beginnen, die Rechte zurückrufen. Die Regelung wird aus ihrer Sicht die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Vertragspartnern und damit den Aufbau von Künstlern erschweren. Der Deutsche Kulturrat fordert den Gesetzgeber auf, bei der Neuregelung die Argumente beider Seiten abzuwägen.

 

Auskunftsanspruch

Der Auskunftsanspruch ist ein komplexes Thema und bedarf einer differenzierten Betrachtung. Dabei kann unter anderem eine Rolle spielen, in welchem Umfang Urheber bei Werken mit vielen Beteiligten einen Beitrag zum Werk geleistet haben. Es gilt abzuwägen zwischen dem Interesse der Urheber und ausübenden Künstler, Auskunft über die Erlöse aus der Verwertung ihrer Werke und Darstellungen zu erhalten und dem Verwaltungsaufwand, der mit dem Auskunftsanspruch verbunden ist. Ein hoher Verwaltungsaufwand ist auch mit hohen Kosten verbunden, was zu Lasten der Budgets für urheberrechtliche Leistungen gehen könnte. Hier kann die Einführung von branchenspezifischen Lösungen die Diskussion entschärfen.

 

Unbekannte Nutzungsarten

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, die bestehenden Regelungen zu unbekannten Nutzungsarten, die bislang für Urheber gelten, auf ausübende Künstler auszudehnen.

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